Überführungszahl – Wikipedia

Als Überführungszahl oder Hittorfsche Überführungszahl [1] oder auch [2] (nach Johann Wilhelm Hittorf) wird der Bruchteil des gesamten elektrischen Stromes bezeichnet, der von einer bestimmten Ionensorte in einer Lösung mit mindestens einer weiteren Ionensorte (Kation und Anion eines binären Elektrolyten) transportiert wird:

Die Überführungszahl hängt von der Ionenkonzentration (alternativ: von der Molalität) und der Ionenbeweglichkeit – die keine Geschwindigkeit ist – oder von den Wanderungsgeschwindigkeiten oder den Äquivalentleitfähigkeiten ab:

  • Ist die Konzentration der Ionensorte hoch, so kann von diesen Ionen ein großer Anteil des elektrischen Stroms transportiert werden.
  • Ionenbeweglichkeit und Wanderungsgeschwindigkeit : Schnellere Ionen (größeres und größeres ) vermögen einen größeren Teil des Stroms zu transportieren als langsame.
  • Hydroniumionen und Hydroxidionen können viel mehr Strom transportieren als andere Ionen, da sie einen besonderen Ladungsaustausch-Mechanismus („Extraleitfähigkeit“)[2] benutzen. Sie wandern also real viel langsamer als theoretisch berechnet, reichen weitgehend nur ihre Ladungen an benachbarte gleiche Ionen des Lösungsmittels Wasser weiter. Der Maximalwert dieser Extraleitfähigkeit wird bei etwa 150 °C in Wasser erreicht.

Der englische Begriff für die Überführungszahl ist „transference number“[3] oder „ion transport number“.

Das Produkt der Überführungszahl eines Ions – bei der jeweiligen Konzentration und Temperatur – (für ein Salz) mit der Äquivalentleitfähigkeit dieses Salzes ist die Äquivalentleitfähigkeit des entsprechenden Ions (bei der jeweiligen Konzentration und Temperatur). Aus der Grenzleitfähigkeit eines Salzes ergeben sich mit den Überführungszahlen von Kation und Anion somit die Grenzleitfähigkeiten der Kationen und Anionen dieses Salzes:

Diese Gleichung gilt übertragenerweise auch für die molare Leitfähigkeit anstelle der Äquivalentleitfähigkeit.

Infos:

  • Früher wurde als „Überführung“ beziehungsweise heute wird als „Migration“ die Wanderung geladener Teilchen (Ionen oder Kolloidteilchen) unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes (Feldgradienten) bezeichnet.[4]
  • Als „Zellen/Elemente mit Überführung“ werden galvanische Elemente (oder Konzentrationselemente) bezeichnet, deren verschiedene Elektrolytlösungenen (oder gleiche Elektrolytlösungen verschiedener Konzentrationen bei Konzentrationselementen) voneinander durch ein Diaphragma getrennt sind. Hier wandern Kation und Anion von der konzentrierteren Lösung durch das Diaphragma in die verdünntere Lösung aufgrund der konzentrationsbedingten Diffusion. Dabei treten Diffusionspotentiale auf, wenn Kation und Anion verschieden große Ionenbeweglichkeiten und Überführungszahlen haben. Die direkt messbare Zellenspannung (Potentialdifferenz) enthält die auftretenden Diffusionsspannungen (bis 30 mV sind praktisch möglich).[5][6][7]
  • „Zellen/Elemente ohne Überführung“ sind Elemente, bei denen die beiden Halbzellen mittels eines Stromschlüssels miteinander gekoppelt sind. Durch Einsatz des Stromschlüssels treten fast keine Diffusionsspannungen auf. Die direkt messbare Zellenspannung (Potentialdifferenz) enthält praktisch keine Diffusionsspannungen und entspricht daher der Differenz der beiden Redoxpotentiale entsprechend der Nernst-Gleichung für Redoxreaktionen.[8]

Anwendungsbezug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Salzbrücken wird darauf geachtet, dass die Überführungszahlen von Kationen und Anionen annähernd gleich sind:

Demzufolge besteht eine Salzbrücke aus KCl aus zwei unterschiedlichen Ionen mit annähernd gleicher Ionenbeweglichkeit .

Ist die spezifische Elektrolyt-Leitfähigkeit eines binären Elektrolyten gemessen worden, so können daraus die Äquivalentleitfähigkeiten von Anion und Kation nur ermittelt werden, wenn neben den molaren Konzentrationen beider Ionen und ihren Wertigkeiten mindestens eine Überführungszahl bekannt ist oder gemessen wurde.

Liegen in einem Multi-Ionengemisch verschiedene Ionen vor, müssen Überführungszahlen bekannt sein oder gemessen werden, um die Äquivalentleitfähigkeiten aller Ionen aus der gemessenen spezifischen elektrolytischen Leitfähigkeit der Lösung zu ermitteln.

Die Äquivalentleitfähigkeit einer Ionenart i eines Salzes (bei der jeweiligen Konzentration und Temperatur) ist das Produkt aus Überführungszahl dieses Ions i (bei der jeweiligen Konzentration und Temperatur) und der Äquivalentleitfähigkeit des Salzes (bei der jeweiligen Konzentration und Temperatur):

Dies gilt gleichermaßen für Kationen und Anionen.

Beispiel zum Anwendungsbezug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kaliumchloridlösung von c = 1 [mol/Liter] soll bei 19 °C eine Äquivalentleitfähigkeit von 98,3 [Scm2/mol] haben.[9]
  • Diese Äquivalentkonzentration ([1mol/liter]) entspricht auch 0,001 [mol/cm3].
  • Bei 20 °C soll 1 molare KCL-Lösung eine spezifische Leitfähigkeit von  [S/cm] haben.[10]

Der Quotient aus spezifischer Leitfähigkeit und Äquivalentkonzentration in [mol/Kubikzentimeter] ist die Äquivalentleitfähigkeit des Salzes:

 [Scm2/mol] für KCl-Lösung von 1 [mol/Liter] bei 20 °C. ist die molare Äquivalentkonzentration je Kubikzentimeter.
  • Da die Überführungszahl für 1 molare Kaliumchloridlösung in Tabellenwerken nicht gefunden werden konnte, wird angenommen, dass eine 0,8 molare Kaliumiodidlösung praktisch identische Überführungszahlen hat. Nämlich bei 20 °C für das Kation (Kalium): .[11] Und demnach (Iodid bzw. angenommen als Chlorid).

Damit entfallen 48,96 Prozent der Äquivalentleitfähigkeit des Kaliumchlorids auf das Kaliumion und 51,04 % auf das Chloridion. Dies gilt nur bei 20 °C und einer Konzentration von ca. 1 [mol/Liter] (oder 0,8 mol/Liter).

  • Die Äquivalentleitfähigkeiten für die Ionen unter diesen Bedingungen sind also:
 [Scm2/mol]

und

 [Scm2/mol]
  • Für Idealverdünnung (c=0) und 18 °C nennt Hübschmann folgende Werte der Grenzleitfähigkeit: Kalium: 65 und Chlorid: 66 [Scm2/mol].[12]
  • Rechnet man diese Werte mit den bekannten Temperaturkoeffizienten (1,87 %/K für Kalium und 2,25 %/K für Chlorid) auf 20 °C hoch, erhält man für Kaliumionen 67,4 und für Chloridionen 69,0 [Scm2/mol] Äquivalentgrenzleitfähigkeit (für c=0).
  • In einer anderen Tabelle bei Hübschmann wird die Grenz-Äquivalentleitfähigkeit für Kaliumchlorid-Lösung mit dem Wert 130,0 für 19 °C angegeben.

Wie man sieht, ist die Äquivalentleitfähigkeit bei höheren Konzentrationen deutlich geringer als bei Idealverdünnung. Dies drückt sich im sogenannten Leitfähigkeitskoeffizienten (Quotient aus real gemessener Leitfähigkeit und theoretischer Leitfähigkeit bei idealer Verdünnung) aus. Folgende Werte dazu können nun berechnet werden:

(130,0 bei 19 °C statt 20 °C!)

Diese Werte gelten nur für eine Konzentration von c=1 [mol/l] bei 20 °C in Kaliumchloridlösung!

Für das gesamte Salz, aber auch für die einzelnen Ionenarten ist der Leitfähigkeitskoeffizient hier etwa 0,75. Etwa 75 Prozent der Ionen in der Lösung tragen effektiv nur zur Leitfähigkeit bei. Wegen der hohen Konzentration behindern sich viele Ionen gegenseitig (Reibung und Wechselwirkungen!). Multipliziert man also den Leitfähigkeitskoeffizienten mit der Grenzleitfähigkeit, so erhält man die geringere Äquivalentleitfähigkeit zu der höheren Konzentration:

Überführungszahlen und Leitfähigkeitskoeffizienten sind Funktionen von Konzentration und Temperatur. Sie können für höher konzentrierte Lösungen nur durch Messungen (Hittorf-Versuch und Messung der spezifischen Leitfähigkeit) ermittelt werden.

Der ideale Elektrolyt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein idealer Elektrolyt hat die Überführungszahlen 0,5 für Kation und Anion. Beide Ionen tragen jeweils zu 50 % zum fließenden Elektrolysestrom bei. Daher kommt es nicht zu Ausgleichswanderungen (durch Konzentrationsunterschiede in Kathodenraum und Anodenraum bedingte Diffusion) der langsamer wandernden Ionensorte vom einen Elektrodenraum zum anderen Elektrodenraum, da im Falle n(K+) = n(A-) = 0,5 beide Ionensorten (Kation und Anion) gleich schnell wandern. Bei der Methode nach Hittorf und auch in einem Stromschlüssel würden in diesem Falle keine Konzentrationsgradienten in der Apparatur entstehen, die „Konzentrations-Diffusionen“ der Ionen nach sich ziehen würden. Die Salze RbCl, RbBr, RbJ, CsCl, CsBr, CsJ haben laut Milazzo (Elektrochemie, S. 30) bei einer Konzentration von 0,02 mol/Liter und einer Temperatur von 18 °C Anionen-Überführungszahlen zwischen 0,496 und 0,503. Kaliumchlorid hat bei idealer Verdünnung () bei 25 °C eine Kationen-Überführungszahl von 0,4847. Neben Kaliumchlorid werden auch die Salze Kaliumnitrat, Ammoniumchlorid und Ammoniumnitrat[13] als gesättigte Lösungen in einem Stromschlüssel verwendet. Außerdem tritt bei Salzen mit Überführungszahlen , laut Hendersonscher Gleichung (siehe unten) für 1-1-wertige Elektrolyte keine Diffusionsspannung auf, wenn die Ionen dieses Salzes durch eine Phasengrenze von höherer zu niederer Konzentration diffundieren. Daher werden Stromschlüssel mit entsprechenden gesättigten Salzlösungen gefüllt. Je Sekunde sollen nämlich im Idealfall genauso viele positive Ladungen wie negative die Phasengrenze passieren (gewahrte Elektroneutralität!).

Messung der Überführungszahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Hittorfsche Methode[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Bestimmung der Überführungszahl eignet sich eine Elektrolyseapparatur, die sich zusammensetzt aus dem Kathodenraum, dem Mittelraum und dem Anodenraum. In den Kathoden- sowie den Anodenraum werden Platinelektroden eingetaucht. Die Elektrolyseräume werden mit dem Elektrolyten befüllt und mittels Brücke verbunden. Betrachtet man die beiden Elektrodenräume, so wird man sehen, dass die Konzentrationen der Kationen und der Anionen sich unterschiedlich ändern.

Die Überführungszahlen errechnen sich:

für die Kationen:

und

für die Anionen:

mit

der anfangs im entsprechenden Raum vorhandenen Ladungsmenge
der am Ende im entsprechenden Raum vorhandenen Ladungsmenge
der durch den Elektrolyten geflossenen Ladungsmenge.

Mit der Definition der Ladungsmenge:

mit

= Ladungszahl
= Faraday-Konstante
= Konzentration des betrachteten Ions
= Volumen des Elektrolyseraumes

folgt daraus:

und

Nach dieser Gleichung kann die Überführungszahl über eine Konzentrations-, Strom- und Volumenbestimmung eines Elektrodenraums ermittelt werden.

Es ist:

Bei einer Elektrolyse wandern einige Ionen sehr schnell (z. B. H+, OH), andere dagegen recht langsam (Li+, CH3COO). Aus Kenntnis der molaren Grenzleitfähigkeiten von Ionen lassen sich diese Wanderungsgeschwindigkeiten und damit die Überführungszahlen der Ionen bei Elektrolysen ermitteln:

und

jeweils mit der Stöchiometriezahl

Eine genaue Beschreibung der Methode nach Hittorf findet sich in „Elektrochemie“ (Giulio Milazzo, 1952) auf den Seiten 21–26.

Die Hittorf-Apparatur und die Vorgänge beim Versuch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Apparatur besteht aus drei – idealerweise gleich großen – Volumina: dem Kathodenraum (KR), dem Mittelraum (MR) und dem Anodenraum (AR). Die miteinander verbundenen „Röhren“ können durch Hähne voneinander abgesperrt werden. Idealerweise befinden sich Ablasshähne an jedem der Räume. Idealerweise hat der Mittelraum noch eine Öffnung zum Eintauchen einer Leitfähigkeitssonde. Beim Versuch sind die Hähne geöffnet und zu Beginn sind in allen Räumen die Äquivalentkonzentrationen von Kationen und Anionen gleich groß. Nun wird mit möglichst kleinem Strom und konstanter Temperatur elektrolysiert. Dabei zeigt sich immer (bei allen möglichen Elektrolyten) folgendes Bild:

  • Im Kathodenraum werden je Sekunde mehr Kationen an der Kathode entladen (Kationenentnahme aus dem Kathodenraum), als in derselben Zeit vom Anodenraum – bedingt durch das elektrische Feld (Spannung je Elektrodenabstand) – durch den Mittelraum in den Kathodenraum mit der Geschwindigkeit hineinwandern (Kationenzufuhr zum Kathodenraum). Die Konzentration der Kationen im Kathodenraum sinkt daher stetig ab.
  • Im Anodenraum werden je Sekunde mehr Anionen an der Anode entladen (Anionenentnahme aus dem Anodenraum), als in derselben Zeit vom Kathodenraum – bedingt durch das elektrische Feld (Spannung je Elektrodenabstand) – durch den Mittelraum in den Anodenraum mit der Geschwindigkeit hineinwandern (Anionenzufuhr zum Anodenraum). Die Konzentration der Anionen im Anodenraum sinkt daher stetig ab.

Hätten beide Ionen gleich große Ionenbeweglichkeit (Wanderungsgeschwindigkeiten bei der jeweiligen Feldstärke), so wäre damit bereits der ganze Effekt beschrieben. In diesem Falle sinken die Äquivalentkonzentrationen von Kationen im Kathodenraum und Anionen im Anodenraum gleich schnell ab. Im Falle unterschiedlicher Ionenbeweglichkeiten (Realfall) folgt:

  • Die Äquivalentkonzentrationen von Kationen in Kathodenraum und Anionen in Anodenraum sinken unterschiedlich schnell ab oder steigen sogar durch Verlagerung des schnellen Ions im zugehörigen Elektrodenraum an. siehe auch Walther Nernst#Elektrochemie
  • In der Folge entstehen in den Volumina von Kathodenraum und Anodenraum jeweils Unterschiede in den Äquivalentkonzentrationen positiver und negativer Ionen. Da jede Salzlösung elektroneutral sein muss, kommt es nun zu einer ausgleichenden Diffusion des langsamen Ions entgegen der Feldrichtung durch den Mittelraum zum „falschen“ Elektrodenraum.

Die konzentrationsbedingte Diffusion der langsamen Ionen entgegen der Feldrichtung gleicht den Ladungsunterschied (Unterschied der Äquivalentkonzentrationen von Kationen und Anionen) sofort aus.

Der Versuch sollte lang genug durchgeführt werden, um gut analysierbare Äquivalentkonzentrations-Unterschiede von Kationen (oder Anionen) zu erzielen. Er muss spätestens abgebrochen werden, wenn die Konzentrationen im Mittelraum beginnen zu sinken. Das kann gelegentlich mittels Leitfähigkeitssonde (isoterm) im Mittelraum kontrolliert werden (dazu Elektrolysestrom kurz abschalten). Am Versuchsende werden die Hähne zwischen Kathodenraum/Mittelraum/Anodenraum geschlossen, die Proben aus Kathodenraum und Anodenraum abgezogen und entweder die Konzentrationen der Kationen oder die der Anionen bestimmt. Es wird die Äquivalent-Molarität oder die Äquivalent-Molalität zur Berechnung herangezogen.

Durch letztendliche Vereinigung der entnommenen Probenvolumina aus KR und AR kann auch die mittlere Endkonzentration (für die gesamte Apparatur) direkt bestimmt werden. Die mittlere Endkonzentration muss immer geringer sein als die Anfangskonzentration, da ja Edelmetall an der Kathode abgeschieden wurde. Der Mittelraum wird nicht bilanziert, denn seine Konzentration soll ja konstant geblieben sein.

Wahre und scheinbare Überführungszahl nach Hittorf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Überführungszahl des Kations ist in einem binären Elektrolyten als Quotient der Wanderungsgeschwindigkeit (oder Ionenbeweglichkeit) des Kations zur Summe der Wanderungsgeschwindigkeiten von Kation und Anion definiert. Dies ist zugleich die wahre Überführungszahl des Kations. In einem Multi-Ionen-Gemisch ist die wahre Überführungszahl eines beliebigen Ions als Quotient aus der Wanderungsgeschwindigkeit (oder Ionenbeweglichkeit) des betreffenden Ions zur Summe aller Wanderungsgeschwindigkeiten (oder Ionenbeweglichkeiten) aller anderen Kationen und Anionen definiert. Bei nicht-binären Salzen (mehr als zwei Ionenarten bilden sich bei der Dissoziation) muss an jede Wanderungsgeschwindigkeit (oder Ionenbeweglichkeit) noch die Zahl der vom jeweiligen Ion ausgetauschten Ladungsträger „z“ („Wertigkeit“ unter Berücksichtigung der stöchiometrischen Koeffizienten der Dissoziationsgleichung) zumultipliziert werden. Ein Ion mit doppelter Ladung transportiert bei gleicher Wanderungsgeschwindigkeit doppelt so viele Ladungsträger je Zeitspanne. Bei binären Elektrolyten ist z bei Anion und Kation gleich groß (Bedingung der Elektroneutralität einer Lösung) und kürzt sich daher weg.

Vor allem bei der Methode nach Hittorf, geringfügig auch bei der Methode nach Mac Innes treten Messfehler auf, da die wandernden Ionen die Wassermoleküle ihrer Hydrathülle (hydratisierter Ionenradius!) „mit sich ziehen“. Dies geht auf elektrostatische Anziehungskräfte sowie auf die in der Solvatationshülle des Ions mitgeführte Menge Wasser (Lösemittel) zurück. Insbesondere bei der Methode nach Hittorf kann es dadurch zu Messfehlern kommen, da die wegen elektrostatischer Anziehungskräfte mitwandernden Dipol-Wassermoleküle die Konzentrationen in der Messapparatur verändern können. Dies kann berücksichtigt werden, indem ungeladene organische Substanzen, wie beispielsweise Zucker, der Lösung beigemengt werden. Aus der Änderung der Zuckerkonzentration in den Apparaturteilen kann auf einen (ungewollten) Transport der Wassermoleküle geschlussfolgert werden und die daraus entstandenen Fehler der Überführungszahlen nach Hittorf rechnerisch korrigiert werden. Die Korrektur, die an der scheinbaren Überführungszahl anzubringen ist, um die wahre zu erhalten, hängt von der Konzentration ab. Für wässrige Lösungen mit Konzentrationen bis zu 0,1 mol/Liter wird die Differenz zwischen wahrer und scheinbarer Überführungszahl schwerlich über Einheiten der dritten Kommastelle hinausgehen(lt. Milazzo, Elektrochemie, S. 28). Bei höheren Konzentrationen unterscheiden sich scheinbare Hittorfsche und wahre Überführungszahlen um bis zu 10 %.[14]

Eine Vergleichstabelle für Hittorfsche und wahre Überführungszahlen (korrigierte Hittorfsche Zahlen) führen Näser/Lempe/Regen in „Physikalische Chemie für Techniker und Ingenieure“ auf Seite 340 auf.

Die nach Hittorf bestimmten Überführungszahlen sind ohne Korrektur scheinbare Überführungszahlen und werden mit dem hochgestellten Index „H“ (Hittorf) markiert.[15] Wahre Überführungszahlen werden mit dem hochgestellten Index „w“ (wahr) markiert:[16]

  • (scheinbare) Hittorfsche Überführungszahl nH
  • wahre (korrigierte Hittorfsche) Überführungszahl nw

Die Umrechnung erfolgt nach folgendem Modell:[17]

sowie

Hierin soll die Änderung der Molanzahl (Konzentration) des Wassers im Kathodenraum sein, die auftritt beim Durchgang der Ladungsmenge von 1 F (1 Faraday=96485,3 [As/mol], gemeint ist offenbar die Äquivalente Stoffmenge). soll hier die Anzahl der Äquivalente (Molzahl mal Ionenwertigkeit) des Elektrolyten je Molzahl des Wassers sein.

Der unterschiedliche Grad der Hydratation von Ionen (hydratisierter Ionenradius) ist aus dem Unterschied von wahren und scheinbaren Überführungszahlen erkennbar.[18]

Tabelle mit Versuchsdaten:

HCl LiCl NaCl KCl RbCl CsCl
Periode des Kations 1 2 3 4 5 6
Versuchstemperatur [°C] 20 20 20 20 18 20
Versuchs-Konzentration c [mol/l] ohne Angabe ohne Angabe ohne Angabe ohne Angabe 0,02 ohne Angabe
(gemessen) 0,820 0,278 0,366 0,482 ? 0,485
(gemessen) 0,844 0,304 0,383 0,495 0,497 (unsicher) 0,491
(-)= +(Z*y) 0,024 0,026 0,017 0,013 ? 0,006
Stoffmengenänderung n des Wassers im Kathodenraum KR 0,240 1,500 0,760 0,600 ? 0,530
(aus den Werten der Kationen berechnet) 0,180 0,722 0,634 0,518 ? 0,515
(aus den Werten der Kationen berechnet) 0,156 0,696 0,617 0,505 0,503 (unsicher) 0,509
(-)= -(Z*y) −0,024 −0,026 −0,017 −0,013 ? −0,006

Die Daten der Hittorfschen und wahren Überführungszahlen stammen aus dem Buch Physikalische Chemie für Techniker und Ingenieure.[19] Die Versuchstemperatur war 20 °C. Die Konzentration wurde nicht genannt. Ebenso wurde die geflossene Ladungsmenge nicht genannt, so dass die Werte für und nicht berechnet werden können. Die Werte für Rubidiumchlorid entstammen dem Buch Elektrochemie.[20]

Wie zu sehen ist, sind die wahren Überführungszahlen der Alkalimetall-Kationen immer größer als die Hittorfschen, da durch mitgeschleiftes Hydrathüllen-Wasser zu niedrige Konzentrationsänderungen in beiden Elektrodenräumen auftreten. Je größer das Atom (Periode und Ordnungszahl) desto geringer die Hydrathülle und Hydratationszahl, umso geringer der „Verdünnungseffekt“ in den Elektrodenräumen. Der Unterschied zwischen Hittorfschen und wahren Überführungszahlen wird also geringer mit steigender Periode des Kations.

Walther Nernst ermittelte als erste Person die wahren Überführungszahlen mittels Versuch nach Hittorf unter Zugabe von Harnstoff oder Zucker (Nichtelektrolyt) aus den Konzentrationsänderungen des Nichtelektrolyten in Kathodenraum und Anodenraum.[21]

Auswertung der Methode nach Hittorf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die scheinbaren Hittorfschen Überführungszahlen ergeben sich aus den relativen Konzentrationsänderungen (Molarität, Molalität wird hierfür eingesetzt) in Anodenraum „AR“ und Kathodenraum „KR“ nach Ende der Elektrolyse/des Versuches[22]

und:

Symbol „H“ als Index steht hier für die Hittorfsche Methode. Kation Kat. Anion An.

Die Volumen von Anodenraum und Kathodenraum müssen hier gleich groß sein. Andernfalls müssen die Konzentrationsänderungen durch Stoffmengenänderungen (je Volumen oder je Masse Lösemittel) ersetzt werden.

Die Konzentrationen betrachten jeweils nur das Kation/oder das Anion. Meist das Kation, wenn edle Metalle an der Kathode abgeschieden werden und diese abgeschiedene Masse durch Wägung ermittelt wird. Die zugehörige Stoffmenge des Metalls wird berechnet.

Außerdem gilt für binäre Elektrolyte:[23]

Wie man an letzter Gleichung sieht, verhalten sich die Quotienten der Überführungszahlen wie die Quotienten der Äquivalentleitfähigkeiten (oder Wanderungsgeschwindigkeiten oder Ionenbeweglichkeiten), aber entgegengesetzt zu den Äquivalentkonzentrations-Änderungen. Bei gleich großen Äquivalentleitfähigkeiten sind die Überführungszahlen beide 0,5, ihr Quotient 1 und die Konzentrationsänderungen in Kathodenraum und Anodenraum sind gleich groß, ihr Quotient also Eins.

Interpretation der Werte eines Versuches nach Hittorf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Näser[24] nennt ein Praxisbeispiel, welches aber einige Fragen aufwirft, da es nicht vollständig plausibel ist.

Es sollen die Überführungszahlen von Kupfersulfatlösung bestimmt werden. Die Versuchstemperatur wird nicht genannt. In der Hittorf-Apparatur liegt vor Versuchsbeginn überall eine Kupfer-konzentration von b=1,214 [g/kg Wasser] (Molalität) vor. Am Versuchsende ist die Kupferkonzentration im Anodenraum auf einen Endwert von 1,430 [g/kg Wasser] gestiegen. Die Konzentration des Kathodenraumes am Versuchsende wird nicht genannt. Insgesamt sollen sich 0,300 g Kupfer abgeschieden haben. Damit müssen aber 0,300 [g Kupfer/kg Wasser] gemeint sein, da nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden können, und die Volumina von Kathodenraum und Anodenraum nicht genannt werden. Aus der abgeschiedenen „Kupfermasse“ 0,300 [g/kg Wasser] wird mit der Molmasse von Kupfer (M=63,55 [g/mol]), der Faradaykonstante F=96485 [As/mol] und der Wertigkeit des Kupfer(II)-Ions (z=2) die geflossene Gesamtladungsmenge Q berechnet: 910,95 [As]. Im Anodenraum sollen 0,216 [g Kupferionen je kg Wasser] „zurückgeblieben“ sein (Differenz der End- und Anfangskonzentration). Dies soll der von den Sulfationen transportierten Ladungsmenge entsprechen, also q(-)=655,9 [As]. Daraus folgt nun n(-)=655,9/910,95=0,72. n(+)=1-n(-)=0,28. Das Kupferion soll also in Kupfersulfatlösung eine praktische Überführungszahl von 0,28 und das Sulfation 0,72 haben.

Es wird aber weder erläutert, warum die Konzentrationsdifferenz als „zurückgeblieben“ bezeichnet wird, noch warum sie der von den Sulfationen transportierten Ladungsmenge entsprechen soll. Des Weiteren erhält man als Überführungszahlen für Kupfersulfat in idealverdünnter Lösung bei 25 °C die Werte n(+)=0,414 und n(-)=0,586 (Grenzleitfähigkeiten Kupfer 56,6 und Sulfat 80 [Scm2/mol]). Die Kationen-Überführungszahl aus dem Hittorf-Versuch weicht also um −32,8 % vom theoretischen Wert bei idealer Verdünnung ab. Eine Erklärung dafür wird nicht gegeben.

Dennoch ist das Versuchsergebnis selbsterklärend. Das Sulfation hat bekanntermaßen eine höhere Ionenbeweglichkeit/Grenzleitfähigkeit/Wanderungsgeschwindigkeit als das Kupferion. Daher steigt im „Elektrodenraum des Sulfations“ (Anodenraum AR) die Elektrolytkonzentration (Kupferkonzentration und Kupfersulfatkonzentration) an, während sie im „Elektrodenraum des langsameren Kupferions“ (Kathodenraum KR) abnimmt. Es zeigt sich, dass das Verhältnis der Ionenbeweglichkeiten oder Grenzleitfähigkeiten oder Wanderungsgeschwindigkeiten dem Verhältnis der am Versuchsende in den Elektrodenräumen erzielten Endkonzentrationen entspricht (bei gleich großen Ionenbeweglichkeiten wäre das Konzentrationsverhältnis 1):

Somit können die Überführungszahlen aus dem Konzentrationsverhältnis am Versuchsende direkt ermittelt werden (was in den Fachbüchern so nicht klar benannt wird). Dazu betrachten wir noch einmal den genannten Versuch:

Molalität am Versuchsbeginn in [g Kupfer/kg Wasser] während des Versuches abgeschiedene Kupfermenge in [g Kupfer/kg Wasser] Molalität am Versuchsende in [g Kupfer/kg Wasser]
Volumen Kathodenraum KR 1,214 (−0,300) abgeschieden im KR, bezogen aber auf das Summenvolumen von KR+AR 0,398
Volumen Anodenraum AR 1,214 0 1,430
arithmetisches Mittel von KR und AR (Molalität der vereinigten Volumina von KR+AR) 1,214 −0,300 0,914

Da während der Versuchsdauer 0,3 g Kupfer (je kg Wasser) abgeschieden wurden, muss die mittlere arithmetische Kupferkonzentration der vereinigten Volumina von Kathodenraum und Anodenraum am Versuchsende um 0,300 kleiner sein als der Anfangswert (1,214):

Aus der Definition des arithmetischen Mittels folgt nun die Endkonzentration, die im Kathodenraum herrschen muss:

und .

Die bei Näser berechnete Überführungszahl n(+)=0,28 erhält man ebenfalls, wenn man den Quotienten der Endkonzentrationen des Kupfers bildet:

und folglich:

Somit gilt allgemein für jeden Versuch:

Die Endkonzentration im „Elektrodenraum des schnelleren Ions“ ist dabei immer größer als die im „Elektrodenraum des langsamen Ions“. Mit den „Elektrodenräumen des Ions“ ist allgemein der Elektrodenraum gemeint, zu dem das jeweilige Ion hinwandert, bedingt durch die Polarität seiner Ladung.

Die Molalität bezieht sich im Beispiel auf das Kation (Kupfer), kann aber in anderen Beispielen auch auf abzuscheidende Anionen (z. B. Chlor als Chlorid und als Chlorgas) bezogen sein.

Die Methode der wandernden Grenzfläche nach Mac Innes und Smith[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grenzfläche zweier aneinanderstoßender Elektrolyte verschiebt sich unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes. Verwendet man ein farbiges Ion und gelingt es, die Grenzfläche während des Versuchs einigermaßen scharf zu halten, so kann man aus der Geschwindigkeit (Wanderungsgeschwindigkeit des Ions bei der herrschenden Feldstärke ) dieser Verschiebung die Ionenbeweglichkeiten und die Überführungszahlen bestimmen. Eine genaue Beschreibung der Methode nach Mc. Innes findet sich in „Elektrochemie“ (Giulio Milazzo, 1952) auf den Seiten 26–28.

Im Prinzip genügt es, einmal die Überführungszahl/Ionenbeweglichkeit eines beliebigen Ions für ein Salz (Lösung) zu messen. Die Ionenbeweglichkeiten aller anderen Ionen lassen sich dann durch Kombination mit diesem Ion aus Leitfähigkeitsmessungen bestimmen.

Als Grundbedingungen zur Anwendung der Methode von Mac Innes nennt Milazzo folgende:[25]

  • das farbige Indikatorion muss immer dem zu vermessenden (meist farblosen) Ion folgen
  • das Indikatorion muss eine kleinere Ionenbeweglichkeit als das zu vermessende Ion haben
  • die Konzentration der Lösung mit dem Indikatorion ist so (niedriger) einzustellen, so dass auf es eine höhere Feldstärke (Spannungsabfall) einwirkt und beide Ionen letztlich genau gleich schnell wandern
  • diejenige der beiden Lösungen mit der höheren Dichte, ist im Messrohr der Apparatur unter der Lösung der niedrigeren Dichte einzufüllen (Überschichtung beider Lösungen unterschiedlicher Konzentrationen und Dichten)

Des Weiteren ist es sinnvoll, den Strom während des Versuches durch eine Konstantstromquelle konstant zu halten. Die Verschiebung der Grenzfläche ist der geflossenen Ladungsmenge proportional. Bei konstantem Strom somit der Zeit direkt proportional (konstante Verschiebungsgeschwindigkeit der Grenzfläche).

Der Trick der Methode von Mac Innes und Smith[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwei verschiedene Ionen werden normalerweise immer zwei verschieden große Werte der Ionenbeweglichkeit v haben, und daher bei einer elektrischen Feldstärke verschieden schnell wandern. Da das farbige Indikatorion „Ind“ aber genauso schnell im Versuch in der Messröhre des Apparates nach Mac Innes wandern soll, wie das zu vermessende Ion „x“, muss ein Trick angewendet werden: In der Apparatur müssen zwei verschiedene Feldstärken herrschen, die jeweils nur auf das eine Ion (und sein Gegenion) beschleunigend wirken.[26]

Die Ionen-Wanderungsgeschwindigkeit ist das Produkt aus Feldstärke und der Ionenbeweglichkeit :

in der Apparatur muss also gelten:

und damit:

Anstelle der Ionenbeweglichkeiten können auch die Äquivalentleitfähigkeiten/Grenzleitfähigkeiten eingesetzt werden.

In der Apparatur nach Mac Innes sind im Messrohr zwei „Flüssigkeitssäulen“ unterschiedlicher Konzentrationen und Dichte so überschichtet eingefüllt worden, so dass sie sich nicht vermischen. Unten im senkrecht stehenden Messrohr ist die Lösung mit der höheren Dichte und darüber die mit der niedrigeren Dichte eingefüllt. Nehmen wir nun an, die beiden „Flüssigkeitssäulen“ seien gleich hoch. Beide Säulen haben den gleichen Querschnitt (Querschnitt des Messrohres innen) und werden vom gleichen Versuchsstrom durchflossen. Der Versuchsstrom wird idealerweise während des Versuches konstant gehalten, mittels Konstantstromquelle.

Die Feldstärke ist die Spannung die an der Flüssigkeitssäule mit dem enthaltenen zu vermessenden Ion x abfällt, bezogen auf die Höhe dieser Flüssigkeitssäule in [cm]. Analog gilt dies für die Feldstärke .

Laut Milazzo muss das ausgewählte farbige Indikatorion immer eine niedrigere Ionenbeweglichkeit als das zu vermessende (meist farblose) Ion haben.[25] Damit es gleich schnell wandern kann, ist „seine“ Feldstärke also größer einzustellen, als die des zu vermessenden Ions. Dazu muss die Konzentration der Lösung mit dem Indikatorion niedriger eingestellt werden als die Konzentration der Lösung mit dem zu vermessenden Ion. (Hinweis: Die Spannungsabfälle an den Flüssigkeitssäulen sind nämlich das Produkt aus dem sich ergebenden Widerstand der Flüssigkeitssäule und dem fließenden – konstanten – Strom . Mit sinkender ionischer Konzentration von Anionen und Kationen in der Flüssigkeitssäule steigt der Widerstand und damit der Spannungsabfall (Spannung) – bei konstantem Stromfluss – und damit die jeweilige elektrische Feldstärke ). Es gilt also unter der Bedingung näherungsweise:

Bei einer genauen Berechnung müssen natürlich die Ionenbeweglichkeiten von Kation und Anion in der jeweiligen Lösung berücksichtigt werden, die ja beide additiv zur Leitfähigkeit beitragen. In den beiden Lösungen wird im Regelfall entweder das Kation oder das Anion in beiden Lösungen identisch sein, je nachdem, ob ein Anion oder ein Kation „vermessen“ werden soll.

Sind die benötigten Konzentrationen beider Lösungen berechnet, müssen deren Dichten bei der gewünschten Messtemperatur bestimmt werden. Die Lösung mit der höheren Dichte wird unten ins Messrohr eingefüllt und mit der leichteren Lösung vorsichtig überschichtet. Die Dichten allein bestimmen also ob das farbige Indikatorion sich letztlich oben befindet und im Versuch nach unten wandert, oder sich unten befindet und dann nach oben wandert. Die farbige/farblose Grenzfläche beider Flüssigkeitsschichten wandert beim Versuch mit der Wanderungsgeschwindigkeit . Da beim Wandern Ladungen verschoben werden, ist die zurückgelegte Strecke der verschobenen Grenzfläche einer geflossenen Ladungsmenge, also dem Produkt aus Strom mal Zeit proportional.

Nach welcher Methode allerdings das Konzentrationsverhältnis eingestellt wird, wenn die Ionenbeweglichkeit des zu vermessenden Ions x noch unbekannt ist (das wäre ja eigentlich der Anwendungsfall), wird auch bei Milazzo nicht beantwortet. Es ist zu vermuten, dass die Ionenbeweglichkeit schon grob bekannt sein muss (und die Konzentrationen danach eingestellt werden), beispielsweise aus dem Hittorf-Versuch, und die Methode nach Mac Innes dann nur noch zur genauen Bestimmung der wahren Überführungszahl dient. Hier soll darauf hingewiesen werden, dass laut Milazzo die wahren Überführungszahlen nach Hittorf und die nach Mac Innes bei genauer Arbeitsweise eine vergleichbare Genauigkeit aufweisen (Tab. 2, S. 28).

Die Methode der wandernden Grenzfläche nach Walther Nernst für farbige Ionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walther Nernst bestimmte die Wanderungsgeschwindigkeit farbiger Ionen durch Messung der Verschiebung einer sichtbaren Grenzfläche. In seiner Apparatur wirkte auf alle Ionen praktisch nur eine identische elektrische Feldstärke E. Diese einfache Methode wurde von Smith und MacInnes weiterentwickelt für die Messung auch farbloser Ionen unter Nutzung zweier verschiedener Feldstärken.[27]

Durch Messung der Zellspannung eines Konzentrationselementes mit Überführung/Diaphragma[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Milazzo existiert die Möglichkeit, durch stromlose Messung der Zellspannung eines Konzentrationselementes (Leerlaufspannung, historisch: Elektromotorische Kraft) die Überführungszahlen eines binären Elektrolyten mit vorzugsweise Ein/Ein-wertigen Ionen (Kation und Anion sind einwertig) zu bestimmen. Das Konzentrationselement ist die Zusammenschaltung zweier Halbelemente mit identischem Elektrodenmaterial für Kathode und Anode. Die Elektroden tauchen dabei in eine Salzlösung des gleichen Salzes ein, wobei in beiden Halbelementen unterschiedliche Konzentrationen ( und ) dieses Salzes vorhanden sein müssen. Beide Halbzellen sind nicht über einen Stromschlüssel, sondern über ein Diaphragma verbunden. Daher handelt es sich hier um eine Zelle mit Überführung. Aus der Konzentrationsdifferenz resultiert entsprechend der Nernst-Gleichung eine Leerlauf-Zellspannung (Potentialdifferenz) zu der die eventuell auftretenden Diffusionsspannungen addiert sind. Die Überführungszahlen sollen nach den Gleichungen[28]

und

berechnet werden.[29] ist dabei die Potentialdifferenz oder Spannung zwischen der jeweiligen Elektrode und der Referenzelektrode.

Voraussetzung soll sein, dass der Wert der Überführungszahlen zwischen den verschiedenen Konzentrationen und nicht veränderlich (konzentrationsabhängig) ist und beide Konzentrationen sich während der Messung nicht verändern.

Näser nennt folgende Formel:[30]

Die Methode der Bestimmung der Überführungszahlen aus den Diffusionsspannungen ist ungenauer als die Methoden nach Hittorf und Mc Innes.[31]

Diffusionsspannung als Funktion der Überführungszahlen (Henderson’sche Gleichung)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundlage der genannten Messmethode ist die Diffusionsspannung, die für 1-1-wertige Elektrolyte von der Henderson’schen Gleichung:[32][33]

mit (Aktivitäten oder alternativ molare Konzentrationen), Ladungsaustauschzahl (eff. Wertigkeit) , allgemeine Gaskonstante , absolute Temperatur in [K], Faradaykonstante .

beschrieben wird und immer dann auftritt, wenn durch ein Diaphragma einwertiges Kation und einwertiges Anion mit verschiedenen Geschwindigkeiten (unterschiedliche Ionenbeweglichkeiten!) hindurch diffundieren. Sie ist eine Funktion der Ionenbeweglichkeiten/Überführungszahlen. Die genannte Gleichung ist nicht zu verwechseln mit der Henderson-Hasselbalch-Puffergleichung.

Es existiert auch eine Gleichung für Diffusionsspannungen binärer Elektrolyte mit mehrwertigen Ionen:[34]

In diesen Gleichungen können die Wanderungsgeschwindigkeiten direkt durch Ionenbeweglichkeiten oder Äquivalentleitfähigkeiten (lambda) ersetzt werden, da sich Feldstärke und/oder Faradaykonstante in Zähler und Nenner des Quotienten wegkürzen. Ersetzt man in letzterer Gleichung die Wanderungsgeschwindigkeiten durch die Überführungszahlen des binären Elektrolyten, erhält man die Gleichung für Abhängigkeit der Diffusionsspannung bei binären Elektrolyten mehrwertiger Ionen von der/den Überführungszahlen:

Als weitere Literatur mit verschiedenen Gleichungen zu den Zusammenhängen von Diffusionsspannungen und Überführungszahlen (oder Ionenbeweglichkeiten) seien genannt das „Anorganikum“ (S. 328–331)[35] und „ABC Chemie“.[36]

Vergleich der drei Methoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Methode durch Messung der Diffusionsspannung liefert augenblicklich Werte, sobald sich nach wenigen Sekunden die Gleichgewichtsspannungen eingestellt haben. Leider ist diese Methode die ungenaueste. Es muss außerdem mit einem höchstohmigen Voltmeter (z. B. Differentialvoltmeter, Röhrenvoltmeter oder FET-Voltmeter) gemessen werden, da jede Stromentnahme aus der Zelle vermieden werden muss (es soll ja die Quellenspannung gemessen werden). Sinnvollerweise sind die Konzentrationen beider Halbzellen möglichst unterschiedlich (sehr hoch und ganz niedrig) einzustellen, da so die Messgenauigkeit (die Diffusionsspannung) erhöht wird.
  • Die Methode nach Hittorf ist einfach anzuwenden. Es muss aber möglichst mit einem niedrigen Strom gearbeitet werden und die Temperatur der Apparatur dabei konstant gehalten werden (isotherme Messung). Kathodenraum und Anodenraum müssen idealerweise exakt gleiche Volumina haben, da nur dann die Konzentrationsänderungen (ohne weiteres umrechnen) übertragbar sind. Wegen der geringen Ströme/Stromdichte dauert der Versuch länger. Die geflossenen Amperestunden oder Milliamperestunden (Summenstrom von Kationen und Anionen) müssen gemessen werden. Daher ist eine Konstantstromquelle sinnvoll (Versuchs-Zeit stoppen). Letztlich muss die abgeschiedene Edelmetallmasse bestimmt werden durch Wägen der Kathode. Eventuell abgeschiedene Gase müssen volumetrisch mit einer Gasbürette bestimmt werden. Es können auch Kationen unedler Metalle wie Kalium und Natrium abgeschieden werden, wenn eine Quecksilberkathode benutzt und die Apparatur mit höherer Stromdichte betrieben wird. Letztlich wird dann das Quecksilber ausgewogen um die in ihm als Amalgam gebundene unedle Metall-Masse zu bestimmen. Dies ist nur mit Metallen möglich, die mit Quecksilber Legierungen (Amalgame) bilden. Milazzo bildet eine solche Hittorf-Apparatur mit Quecksilberkathode (Abb. 3, „Jahnscher Apparat“, S. 25) ab.[37]
  • Die Methode nach Mac Innes/Smith ist die sicherste zur Bestimmung der wahren Überführungszahl, da die Wanderungsgeschwindigkeit des Ions direkt bestimmt wird. Sie ist aber offenbar nicht leicht umsetzbar. Es muss ein farbiges Indikatorion gefunden werden, dessen Wanderungsgeschwindigkeit durch geeignete Wahl der Konzentrationen zweier überschichteter Lösungen (des zu bestimmenden und des farbigen Indikator-Ions) möglichst genauso schnell wandert (also nicht schneller oder langsamer) wie das zu bestimmende Ion. Es werden zwei Lösungen mit verschiedenen Dichten überschichtet. Dabei enthält nur eine das farbige Indikatorion. Letztlich findet ein Wandern der Grenzfläche zwischen beiden Lösungen statt, deren Wanderungsgeschwindigkeit durch visuelle Beobachtung bestimmt wird (mit hochgenauen Vergrößerungsvorrichtungen und offenbar einem Nonius oder einer sonstigen Skala). Die Wanderungsgeschwindigkeit der Grenzfläche entspricht der des zu bestimmenden Ions und der des Indikatorions.[38]

Die Genauigkeit der Methoden nach Hittorf und Mac Innes ist etwa gleich groß.[39]

Berechnungsmethoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Physikalische Grundlage der Überführungszahl ist der von jeder Ionenart im elektrischen Feld beigebrachte Strom (Teilstrom) , der nur von den sich tatsächlich an den Elektroden entladenden Ionen (siehe Zersetzungspotential) beigebracht wird. Der Strom (Teilstrom) setzt sich aus dem Produkt von Faradaykonstante , Feldstärke (bzw. elektrischer Spannung je Elektrodenabstand ), Elektrodenoberfläche (in Quadratzentimeter), der molaren ionischen Konzentration (Stoffmenge des Ions bezogen auf Kubikzentimeter), der Ladungszahl (Ladungsaustauschzahl) (oder ) und der Ionenbeweglichkeit (die keine Geschwindigkeit ist!) zusammen:

mit

Der Gesamtstrom Iges setzt sich additiv aus den Teilströmen Ji zusammen. Die Überführungszahl ist der jeweilige Teilstrom Ji des Ions i normiert auf den Gesamtstrom/Summenstrom (bzw. transportierte Teilladungsmenge qi durch das Ions i normiert auf die transportierte Gesamtladungsmenge Q aller Ionen).[40]

Die Zusammenhänge zwischen Ionenbeweglichkeit in [Scm2/As], Wanderungsgeschwindigkeit in [cm/s] im Elektrischen Feld in [V/cm] und der zu jeder Ionenkonzentration konstanten isothermen Äquivalentleitfähigkeit in [Scm2/mol] sind:

ionische Wanderungsgeschwindigkeit

und

Ionenbeweglichkeit

Für E = 1 [V/cm] (oder 1V/m, je nach verwendeten Einheiten der Ionenbeweglichkeit v) sind u und v gleich große Zahlenwerte (haben aber dennoch unterschiedliche Einheiten)! Die Grenz-Äquivalentleitfähigkeit (lambda-unendlich) gilt nur für c=0mol/liter, näherungsweise auch unterhalb c=0,01 mol/liter für einwertige Ionen (mit vorhandenen mehrwertigen Ionen unterhalb einer Ionenstärke von 0,01 mol/liter).

Hinweise zu den Einheiten der Ionenbeweglichkeit v[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Achtung: die Ionenbeweglichkeit ist keine Geschwindigkeit, obwohl sie das Symbol hat. (Es ist eine normierte Geschwindigkeit)

Es gilt für ihre Einheiten die Beziehung:

Die Ionenbeweglichkeit ist bei einer Feldstärke von 1 V/m oder 1 V/cm wertmäßig identisch mit der Bewegungsgeschwindigkeit des Ions in der jeweils richtigen Einheit (m/s oder cm/s). Denn es gilt:

1 Siemens: 1S (= 1/1Ohm= 1A/V). Sekunde s. Spannung . Wanderungsgeschwindigkeit . Elektrodenabstand .

Im physikalischen Kontext ist die SI-Einheiten für in [m2/Vs]=[Sm2/As] gebräuchlich. In technischen Anwendungen wird dagegen häufig mit cgs-Einheiten [Scm2/As]=[cm2/Vs] gerechnet, da die Elektrodenflächen und Elektrodenabstände gern in [cm2] und [cm] angegeben werden.

Hinweise zur Bedeutung der Ionenbeweglichkeit v[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die äquivalenten Ionenbeweglichkeiten der meisten Ionen in wässriger Lösung liegen bei:

mit den Einheiten Val und Ohm.

Die Einheit val ist veraltet und darf nicht mehr verwendet werden. Die Ionenbeweglichkeit von Hydroniumionen bei 25 °C ist 0,00362 [Scm2/As] (entspricht auch [cm2/Vs]) oder in den im physikalischen Kontext benutzten Einheiten: [m2/Vs] (entspricht auch [Sm2/As]).

Siehe Ionenbeweglichkeiten in aktuellen Einheiten unter Ionenbeweglichkeit#Zahlenwerte.

Lediglich das Proton und das Hydroxidion sind wesentlich beweglicher, was auf dem besonderen Bewegungsmechanismus dieser beiden Ionen beruht: zur normalen Ionenwanderung tritt hier noch der Grotthuß-Mechanismus, eine synchrone, sprunghafte Ortsveränderung vieler Protonen über zwischenmolekulare Wasserstoffbrücken.

Im Prinzip genügt es, einmal die Überführungszahl/Ionenbeweglichkeit eines beliebigen Ions für ein Salz (Lösung) zu messen. Die Ionenbeweglichkeiten aller anderen Ionen lassen sich dann durch Kombination mit diesem Ion aus Leitfähigkeitsmessungen bestimmen.

Hinweise zu veralteten Symbolen der verknüpften Größen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

heute gilt im SI-System:

Techniker benutzen aber auch heute noch teilweise w als Symbol der Geschwindigkeit. In der Elektrochemie ist u das Symbol der Wanderungsgeschwindigkeit des Ions. Physiker und Techniker nutzen dafür auch alternativ Symbol v (physikalische Geschwindigkeit des SI-Systems). In der Elektrochemie ist v aber die auf die Feldstärke normierte Wanderungsgeschwindigkeit, die sogenannte Ionenbeweglichkeit v. Die Ionenbeweglichkeit ist eine isotherme Konstante für jedes Ion. Die Ionenwanderungsgeschwindigkeit u steigt mit der elektrischen Feldstärke E (Spannung U je Elektrodenabstand l) an, während die Ionenbeweglichkeit v konstant ist/bleibt. Für die Überführungszahl sollte man heute möglichst n+ und n- benutzen, da t die Zeit im SI-System ist. n ist aber auch die Wertigkeit (alternativ: z) eines Ions und im SI-System die Stoffmenge n (mole). Das kleine () oder große Lamba () ist heute die Äquivalentleitfähigkeit zur jeweiligen Konzentration (mit Index „c“) oder für ideale Verdünnung (Grenzleitfähigkeit, versehen mit Index „unendlich“). Das große Lambda wird teilweise auch als Summen-Äquivalentleitfähigkeit aller Ionen benutzt. Also gilt zusätzlich heute außerhalb des SI-Systems in der Elektrochemie und Physikalischen Chemie:

  • Wanderungsgeschwindigkeit u des Ions
  • Ionenbeweglichkeit v (die keine Geschwindigkeit ist!)
  • Überführungszahlen n+, n-
  • Ladungszahl, Wertigkeit oder Ladungsaustauschzahl ,
  • Oft ist die Summen-Äquivalentleitfähigkeit aller Ionen mit dem großen Lambda benannt (ohne Index +/–)

früher:

  • Zeit
  • Geschwindigkeit (Physik) oder (Technik), selten
  • Überführungszahl oder
  • Ionenbeweglichkeit (auch als „Ionenleitvermögen“ betitelt): w, w+, w- oder u(Kation) und v(Anion) („u“ u. „v“ bei Milazzo in „Elektrochemie“) sowie u (für Kation und Anion)
  • Ionenwanderungsgeschwindigkeit (auch als „Wanderungsfähigkeit“ betitelt): w+, w- (bei Milazzo in „Elektrochemie“ S. 42 und bei Keune in „chimica“ S. 139) sowie v (als physik. Geschwindigkeit; Keune „chimica“)
  • Äquivalentleitfähigkeit, Grenzleitfähigkeit einzelner Ionen oder (oft mit +/- Index), auch Ionenleitvermögen genannt
  • Oft ist die Summen-Äquivalentleitfähigkeit aller Ionen mit dem großen Lambda benannt (ohne Index +/-)

Wegen dieser vielen Änderungen und Mehrdeutigkeiten ist ein solcher Überblick dringend nötig. Auch im Buch von Milazzo ist es bei Übersetzung aus dem Italienischen ins Deutsche zu Fehlübersetzungen gekommen. Gern werden Ionenbeweglichkeit und Wanderungsgeschwindigkeit verwechselt. Man beachte immer die Einheiten. Bei einer Feldstärke von 1 V/cm (oder 1 V/m) sind die Wanderungsgeschwindigkeiten der Ionen mit den Ionenbeweglichkeiten in [Scm2/As] (oder [Sm2/As]) zahlenmäßig gleich groß.

Quotient zweier Überführungszahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Verhältnis zweier Überführungszahlen beliebiger am Stromtransport beteiligter Ionen i und k eines Elektrolyten ist jeweils der Quotient der Produkte von molarer Konzentration (des jeweiligen Ions) in [mol/cm3], Ladungsaustauschzahl des jeweiligen Ions und der Wanderungsgeschwindigkeit des Ions in [cm/s]. Anstelle der Wanderungsgeschwindigkeit in [cm/s] kann auch die Ionenbeweglichkeit in [Scm2/As] oder die Äquivalentleitfähigkeit in [Scm2/mol] eingesetzt werden. Da es sich um einen Quotienten handelt, kann anstelle der speziellen molaren Konzentrationen (bezogen auf Kubikzentimeter!) auch die normale molare Konzentration der Ionen in [mol/liter] eingesetzt werden (Faktor 1000 oder 1/1000 kürzt sich weg):

Die Konzentrationen der Ionen sind nicht die molekulare Konzentration des gelösten Salzes (Dissoziationsgrad und stöchiometrische Koeffizienten müssten sonst berücksichtigt werden). Anstelle der Konzentrationen sind eigentlich die Aktivitäten zu berücksichtigen oder der individuelle Aktivitätskoeffizient jedes Ions an jede Konzentration zu multiplizieren.

Für binäre Elektrolyte (ein Kation und ein Anion) kann (Ladungsaustauschzahl) weggekürzt werden, da es hier immer gleich groß ist für Kation und Anion. Bei Dissoziation in mehr als zwei Ionen gilt das nicht mehr. Bei gleich großen Ionenkonzentrationen, beispielsweise bei der Dissoziation eines binären 1-1-wertigen Elektrolyten, können die ionischen Konzentrationen auch gekürzt werden.

Berechnung der theoretischen Überführungszahl für idealverdünnte Lösungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da die Ionenbeweglichkeiten , ionische Wanderungsgeschwindigkeiten (oder veraltet: ) und Grenz-Äquivalentleitfähigkeiten einander linear proportional sind (nur durch Natur-Konstanten gekoppelt), gilt für idealverdünnte Lösungen (=0 mol/liter):

und analog für das Anion:

Für nicht-binäre Elektrolyte ist an jeden Term in diesen Gleichungen noch die Wertigkeit/Ladungsaustauschzahl des jeweiligen Ions zu multiplizieren. Für binäre Elektrolyte ist die Ladungsaustauschzahl für alle Ionen gleich, aufgrund der Elektroneutralität einer Lösung, und kann daher aus den Gleichungen herausgekürzt werden.

Hierzu ist anzumerken, dass die in Tabellenwerken gelisteten Äquivalentleitfähigkeiten von Ionen ja bereits auf die Äquivalentkonzentration und somit auf molare Konzentration und auf Ionenwertigkeit normiert wurden. Deswegen werden die Werte von Ionen mit , angegeben als (1/2)·Grenzleitfähigkeitswert etc. Die Grenzleitfähigkeitswerte mehrwertiger Ionen werden in der Rechnung daher genauso mit der effektiven Ladungsaustauschzahl/Ionenwertigkeit multipliziert, wie die einwertiger Ionen, die in der Formel mehrfach enthalten sind. Wie beispielsweise Nitrat in Bariumnitrat zweimal enthalten ist, also die effektive Wertigkeit (Ladungsaustauschzahl) des Nitrations hier 2 ist. Letztlich kürzen sich auch hier, wie bei allen binären Elektrolyten, die Ladungsaustauschzahlen weg, da sie gleich groß sind (hier 2 für Nitrat und Barium).

Praktisch kann man für 1-1-wertige Elektrolyte bis zu molaren Konzentrationen von maximal =0,01 mol/liter die Gültigkeit dieser Gleichungen (ohne größere Fehler zu erzeugen) annehmen. Dies ist der Gültigkeitsbereich des Kohlrausch-Quadratwurzel-Gesetzes. Das Quadratwurzelgesetz von Kohlrausch gilt erfahrungsgemäß für Gesamt-Konzentrationen (diss. + undiss.) unterhalb 0,01 mol/liter für 1-1-wertige Elektrolyte. Liegen mehrwertige Ionen vor, ist es erfahrungsgemäß gültig wenn die berechnete Ionenstärke unterhalb 0,01 mol/Liter liegt.[41]

Aus den in Tabellenwerken gelisteten (konstanten) Grenzleitfähigkeiten der Ionen für 25 °C können nun die Überführungszahlen für 25 °C und ideale Verdünnung () berechnet werden. Für andere Konzentrationen und Temperaturen sind aber andere Werte zu erwarten. Nur die Ionen die tatsächlich auch Entladen werden können tragen auch real zu den Überführungszahlen bei. Nur diese sind zu berücksichtigen. Siehe Kapitel Redoxpotential.

Berechnet man aus den Grenzleitfähigkeiten für 25 °C von Hydroniumion (349,8 Scm2/mol), Pikration (31 Scm2/mol) und Acetation (40,9 Scm2/mol) die Überführungszahlen von Kation und Anion für idealverdünnte (=0 mol/l) Essigsäure und Pikrinsäure, so erhält man:

  • Essigsäure n(+)=0,895/n(-)=0,105
  • Pikrinsäure n(+)=0,919/n(-)=0,081

Milazzo nennt für jeweils =0,1–1,0 molare Essigsäure und Pikrinsäure die Werte: 0,892/0,108 (Essigsäure) und 0,910/0,090 (Pikrinsäure).[42]

Der berechnete Wert gilt nur für die jeweilige Temperatur (Bezugstemperatur der Grenzleitfähigkeiten etc.).

Beispiel Bariumnitrat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ba(NO3)2 Barium ist zweiwertig. Das Nitration ist einwertig. Die Ladungsaustauschzahl ist , da zu jedem Bariumion zwei Nitrationen entladen werden müssen. Die Ladungsaustauschzahl kann weggekürzt werden, da das Salz binär ist(aus einem Kation und einem Anion besteht). n(Ba++) = 2·63,6/(2·63,6+2·71,5) = 63,6/(63,6+71,5) = 0,471

Beispiel Eisen(III)-sulfat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fe2(SO4)3 Eisen ist hier dreiwertig. Das Sulfation ist zweiwertig. Die Ladungsaustauschzahl ist 2·3 = 3·2 = 6 und kann weggekürzt werden (binäres Salz). n(Fe+++) = 2·3·68/(2·3·68+3·2·80) = 68/(68+80) = 0,460

Beispiel Quecksilber(I)-nitrat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[Hg2](NO3)2 Das Quecksilber(I)-Ion hat die Wertigkeit +2 (nicht +1). Das Nittration ist einwertig. Die Ladungsaustauschzahl ist 2 und kann weggekürzt werden. n([Hg2]++) = 2·68,6/(2·68,6+2·71,5) = 68,6/(68,6+71,5) = 0,490

Beispiel des trinären Salzes Natrium-kalium-sulfat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

NaKSO4 Bei nicht-binären Salzen kann die Ladungsaustauschzahl nicht in jedem Fall weggekürzt werden.

Für das Beispiel müssen mindestens drei (Grenz-)Fälle unterschieden werden.

Fall 1) An einer Quecksilberkathode werden bei hoher Stromdichte gleichzeitig Natrium und Kalium im molaren Verhältnis 1:1 entladen. Die Ladungsaustauschzahl ist für das Sulfation 2, aber für Natrium und Kalium jeweils 1. Kürzen ist nicht möglich. n(Na+) = 1·50,1/(1·50,1+1·73,5+2·80) = 0,177 und n(K+) = 1·73,5/(1·50,1+1·73,5+2·80) = 0,259 sowie n(SO4--) = 2·80/(1·50,1+1·73,5+2·80) = 0,564

Fall 2) An einer Quecksilberkathode wird nur das Natriumion entladen. Die Ladungsaustauschzahl ist , da für jedes Sulfation zwei einwertige Natriumionen entladen werden. Die Ladungsaustauschzahl kann weggekürzt werden. Kaliumionen werden nicht entladen. n(Na+) = 2·50,1/(2·50,1+2·80) = 50,1/(50,1+80) = 0,385 n(SO4--) = 2·80/(2·50,1+2·80) = 80/(50,1+80)=0,615

Fall 3) An einer Quecksilberkathode wird nur das Kaliumion entladen. Die Ladungsaustauschzahl ist , da für jedes Sulfation zwei einwertige Kaliumionen entladen werden. Die Ladungsaustauschzahl kann weggekürzt werden. Natriumionen werden nicht entladen. n(K+) = 2·73,5/(2·73,5+2·80) = 73,5/(73,5+80) = 0,479 n(SO4--) = 2·80/(2·73,5+2·80) = 80/(73,5+80) = 0,521

Fall 4) Das Verhältnis von entladenen Stoffmengen Natriumionen und Kaliumionen variiert zueinander. Die Überführungszahlen von Kationen und Anionen bewegen sich zwischen den Fällen 2 und 3.

Berechnung der theoretischen Überführungszahl für realverdünnte Lösungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter realverdünnten Lösungen sind hier Elektrolyt-Lösungen mit Konzentrationen zu verstehen ( wäre idealverdünnt). Wie viel Strom (je Elektrodenfläche) ein Ion bei einer Temperatur in einem Lösemittel transportieren kann, hängt nicht nur von seiner Ionenbeweglichkeit/Wanderungsgeschwindigkeit/Grenzleitfähigkeit und der Spannung (genauer der Feldstärke) ab, sondern auch von seiner ionischen molaren Konzentration (in [mol/cm3] einzusetzen) in der es in der Lösung vorliegt.

Aus der Gleichung für den Ionenstrom (Teilstrom) des Ions :

mit

folgt nun für die Überführungszahl für Kation:

und für das Anion:

Da hier ein Verhältnis vorliegt, können Ionenbeweglichkeit , Wanderungsgeschwindigkeit oder Äquivalentleitfähigkeit alternativ in der Formel eingesetzt werden.

Streng genommen muss an jede molare Ionen-Konzentration noch der individuelle Aktivitätskoeffizient des Ions i multipliziert werden um von der Konzentration zur Aktivität zu gelangen. Für geringe und mittlere Konzentrationen (unter 0,1 [mol/Liter] Ionenstärke) können diese Werte aus bekannten Formeln berechnet werden.[43]

Um korrekte Werte für die Überführungszahlen zu den jeweiligen ionischen Konzentrationen zu erhalten, müssten die -Werte für die jeweilige(n) ionische(n) Konzentration(en) bekannt sein. Andernfalls können nur überschlägigerweise die jeweiligen Grenzleitfähigkeiten angesetzt werden. Der berechnete Wert gilt nur für die jeweilige Temperatur (Bezugstemperatur der Grenzleitfähigkeiten etc.).

Abhängigkeiten der Überführungszahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Überführungszahl eines Ions in einer Lösung verschiedener Ionen kann insofern nicht als charakteristische Größe eines Ions angesehen werden, als ihr Wert von allen anderen Ionenarten abhängt.[44] Sie ist weitgehend unabhängig von der Stromstärke/Stromdichte mit der die Elektrolyse durchgeführt wird (es sei denn, es tritt konzentrationsbedingte elektrochemische Polarisation durch eine der Ionenarten an nur einer Elektrode auf).

Abhängigkeit von der Dissoziationsgleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Verdeutlichung soll hier ein Beispiel angeführt werden. Die komplexe Substanz H2[PtCl6] (Hexachloroplatinsäure) könnte in Wasser theoretisch nach zwei verschiedenen Gleichungen dissoziieren:

Es ist offensichtlich, dass die Fälle 1 und 2 zu unterschiedlichen Ionenarten und vermutlich auch unterschiedlichen Konzentrationen der Hydroniumionen führen würden. Dies würde zu verschiedenen Summen-Überführungszahlen der Kationen und Anionen führen. Durch Messungen wurde die Gleichung 2) als zutreffend bestimmt.[45]

Hingegen ist vom Komplexsalz Ammonium-tetrachlorozinkat (NH4)2[ZnCl4] bekannt, dass es nur als kristallines Salz aus den beiden Ammoniumionen NH4+ und dem komplexen Tetrachlorozinkat(II)-Anion [ZnCl4]−2 aufgebaut ist. In Wasser soll es aber fast vollständig bei der Dissoziation in die Ionen Ammonium NH4+, Zink Zn+2 und Chlorid Cl zerfallen vorliegen. Dieses Salz dissoziiert also in zwei Kationen und ein Anion.[46]

Weitere Beispiele mit gemischten Kationen sind Natrium-kalium-sulfat NaKSO4 sowie Natriumkaliumtartrat. Es existieren auch Salze mit gemischten Anionen.

Abhängigkeit vom Dissoziationsgrad (alpha)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Dissoziationsgrad bezeichnet den Anteil (molare Konzentration) der dissoziiert vorliegenden Teilchen (Ionen), bezogen auf die molare Gesamtkonzentration aller gelöst vorliegenden Teilchen (undissoziert und dissoziiert gelöst) des gelösten Salzes. Da eine verbesserte oder verschlechterte Dissoziation sich immer gleichzeitig auf die Konzentration der Kationen und der Anionen eines binären Elektrolyten auswirkt, bleibt das Verhältnis der Konzentrationen von Anionen zu Kationen stets gleich groß, auch wenn der Dissoziationsgrad sich (konzentrationsbedingt) ändert. Daher besteht in der Lösung eines Salzes keine Abhängigkeit der Überführungszahlen vom Dissoziationsgrad. Man muss hier aber beachten, dass oft eine Abhängigkeit des Dissoziationsgrades von der Temperatur besteht. Sind die Temperaturkoeffizienten von Kation und Anion deutlich unterschiedlich, kann eine Temperaturänderung also eine Änderung des Dissoziationsgrades und die Änderung der Überführungszahlen bewirken.

In Lösungen mehrerer Salze liegen mehrere voneinander „unabhängige“ (über die Ionenkonzentrationen beeinflussen sich alle kolligativen Eigenschaften gegenseitig etwas) Dissoziationsgrade vor. Daher können sich die Überführungszahlen der einzelnen Ionen in solchen Multi-Ionen-Gemischen abhängig von den Dissoziationsgraden ändern (Änderung der Konzentrationsverhältnisse).

Milazzo weist darauf hin, dass die isothermen Ionenbeweglichkeiten (Wanderungsgeschwindigkeiten je Feldstärke) keine 100%igen Konstanten einer Ionenart sind, sondern auch vom jeweiligen „Gegenion“ und von den Konzentrationen abhängen. Für die Abhängigkeit der Wanderungsgeschwindigkeit des Kaliumions bei einer Feldstärke von 1 V/cm (also die Ionenbeweglichkeit), nennt Milazzo eine Tabelle mit verschiedenen Kaliumsalzen bei 18 °C und 25 °C und einer (offenbar bewusst hoch gewählten) molaren Konzentration von c=0,1 mol/liter der Salze. Bei 25 °C wandert das Kaliumion beispielsweise in der 0,1n-Kaliumsulfatlösung mit 0,000540 cm/s und in 0,1n-Kaliumchloridlösung mit 0,000654 cm/s. In Kaliumbromid hat es 0,000656 und in Kaliumchlorat 0,000631 cm/s Wanderungsgeschwindigkeit. In verdünnteren Lösungen wären die Unterschiede wohl deutlich geringer ausgefallen.[47] Wegen dieser (bei nierigen Konzentrationen) geringen Abhängigkeiten von „Gegenionen“ und Konzentrationen kann praktisch auch eine geringe Abhängigkeit der Überführungszahlen vom Dissoziationsgrad (alpha) bestehen. Je geringer die Konzentrationen der Ionen sind, desto unwahrscheinlicher wird die gegenseitige Beeinflussung der Ionenbeweglichkeiten (Wanderungsgeschwindigkeiten), um bei idealer Verdünnung () gänzlich wegzufallen. Daher sind die Grenz-Äquivalentleitfähigkeiten der Ionen bei einer Konzentration von c=0 isotherme Konstanten.

Konzentrationsabhängigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es besteht im Allgemeinen eine Konzentrationsabhängigkeit der Überführungszahlen, die gut in Analogie zum Gesetz von Kohlrausch (Quadratwurzelgesetz) beschrieben werden kann. Dieses Gesetz gilt im Allgemeinen für molare Konzentrationen (gemeint ist hier die molekulare Gesamtkonzentration der ionisch und nichtionisch gelöst vorliegenden Teilchen) unter 0,01 mol/Liter. Die Überführungszahl bei einer Konzentration (Gesamtkonzentration ionisch und nichtdissoziiert vorliegender gelöster Teilchen) ist mit der Überführungszahl bei idealer Verdünnung () verknüpft:

Hierin ist A eine empirische Konstante, die negative oder positive Werte annehmen kann. Ist Konstante A für das Anion/Kation positiv, so ist es für das Kation/Anion negativ.[48]

  • Beispiel: Wässrige Kalziumnitrat-Lösung Ca(NO3)2 hat laut Milazzo (Tabelle 3, S. 31) bei einer molaren Gesamtkonzentration von c=0,005 mol/liter Überführungszahlen der Kationen/Anionen von: 0,450/0,550 (ohne Temperaturangabe). Aus den bekannten Grenz-Äquivalentleitfähigkeiten für Kalziumionen/Nitrationen (59,5/71,5 Scm2/mol) berechnen sich für idealverdünnte Lösung (c=0) die Überführungszahlen zu: 0,454/0,546 (bei 25 °C).

Nun werden die Werte jedes Ions in die Kohlrausch-Gleichung eingesetzt:

  • also
  • also

Damit ergibt sich die Konstante A für das Kalziumion zu A=+0,0566 und für das Nitration zu A=-0,0566 (in Kalziumnitratlösung). Nun können die Überführungszahlen für Kalziumionen und Nitrationen in Kalziumnitratlösung (von 25 °C) auch für andere molekulare Konzentrationen unterhalb c=0,01 mol/liter berechnet werden. Setzt man in die Gleichung die ionischen Konzentrationen ein (die des Nitrats ist doppelt so hoch wie die des Kalziums wegen des stöchiometrischen Koeffizienten des Nitrats im Kalziumnitrat!), dann unterscheiden sich die Konstanten beider Gleichungen auch noch im Betrag. Dennoch bleiben die Gleichungen gültig.

Für das Salz Rubidiumiodid wird eine Konstante A von +0,262 für das Rubidiumion und −0,262 für das Iodidion errechnet (c=0,02mol/liter, T=18 °C, n(Rb)=0,498). Bei Idealverdünnung hat Rubidiumiodid bei 18 °C eine Überführungszahl des Rubidiumions von 0,535 (berechnet aus den Grenzleitfähigkeiten für Rubidium 77 und Iodid 66,8 bei 18 °C).

Die Einheit von Konstante A hängt von der Einheit von c ab. Dieses Gesetz ist nur gültig, wenn seine graphische Darstellung (Diagramm mit der Überführungszahl des jeweiligen Ions auf der linearen y-Achse aufgetragen und der Quadratwurzel aus der molekularen Konzentration auf der linearen x-Achse aufgetragen) fallende oder steigende Geraden abbildet.

Das Quadratwurzelgesetz von Kohlrausch gilt erfahrungsgemäß für Gesamt-Konzentrationen (diss.+undiss.) unterhalb 0,01 mol/liter für 1-1-wertige Elektrolyte. Liegen mehrwertige Ionen vor, ist es erfahrungsgemäß gültig, wenn die berechnete Ionenstärke I unterhalb 0,01 mol/Liter liegt.[41] Liegen mehrwertige Ionen vor, wird die Wurzel aus der molaren Konzentration in der Kohlrausch-Gleichung heute oft durch die Wurzel aus der Ionenstärke I ersetzt. Die Ionenstärke ist dabei definiert als die Hälfte der Summe der Produkte von allen molaren Ionen-Konzentrationen (dissoziierte Ionenkonzentrationen?) der vorliegenden Ionenarten mit den Quadraten ihrer Wertigkeiten.[49]

Wird hingegen eine deutlich stärkere Abhängigkeit der Überführungszahlen – bei niedrigen Konzentrationen – von der Konzentration als nach Wurzel(c) festgestellt (Ungültigkeit des Quadratwurzelgesetzes), so liegen sicher Komplexionen in der Lösung vor. Bei steigenden Konzentrationen von Komplexionen (und den zu ihrer Bildung notwendigen nicht-komplexen Ionen) kann die Überführungszahl der nichtkomplex vorliegenden Ionen so weit absinken, dass sie negativ wird.

Liegen die Ionen eines Salzes in extremst niedrigen Konzentrationen vor, beispielsweise bei schwerstlöslichen Salzen (z. B. Schwermetallsulfide), so tragen sie im Grenzfall (fast) gar nicht mehr zur Leitfähigkeit bei, so dass die Leitfähigkeit von den dissoziiert vorliegenden Hydronium- und Hydroxid-Ionen des Lösungsmittels Wassers alleinig bestimmt wird. Die Leitfähigkeit und die Überführungszahlen entsprechen nun denen des Lösungsmittels Wasser und können aus dem temperaturabhängigen Ionenprodukt des Wassers und den Grenzleitfähigkeiten von Hydroniumion und Hydroxidion und ihren Temperaturkoeffizienten (alpha) errechnet werden.

Ionenstärke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1921 definierten G.N. Lewis und M. Randall die Ionenstärke, da sich gezeigt hatte, dass mehrwertige Ionen (quadratisch) stärkeren Einfluss auf die Äquivalentleitfähigkeitswerte oder molaren Leitfähigkeitswerte haben (im Vergleich zu einwertigen). Beim Vorhandensein mehrwertiger Ionen zeigte sich bleibende Gültigkeit des von Kohlrausch empirisch gefundenen Quadratwurzelgesetzes der elektrolytischen Leitfähigkeit, wenn die Konzentration durch die berechnete Ionenstärke I ersetzt wird:

Insofern konnte das Kohlrauschsche Quradratwurzelgesetz für geringe Werte der Ionenstärke I als gültig bestätigt werden. Es beschreibt in dieser Form die Abhängigkeit der Äquivalentleitfähigkeiten von den Ladungszahlen (Wertigkeiten) und Konzentrationen aller in der Lösung vorliegenden Ionen. Entsprechend den Definitionsgleichungen der Überführungszahl wirkt sich dies auf die Überführungszahlen auch aus.

Die Ionenstärke bestimmt auch den mittleren Aktivitätskoeffizienten.

Abhängigkeit vom definierten Leitfähigkeitskoeffizient fλ[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Leitfähigkeitskoeffizient fλ ist definiert als Quotient aus Äquivalentleitfähigkeit einer Ionenart bei der molaren Konzentration und der Grenz-Äquivalentleitfähigkeit dieser Ionenart bei idealverdünnter Lösung (c=0 mol/liter):

Er wird hauptsächlich bei starken Elektrolyten (Dissoziationsgrad nahe Eins) benutzt. Für starke Elektrolyte ist dieser Koeffizient somit eine Funktion der Konzentration des Ions. Seine Werte bewegen sich von 0 (bei sehr hohen Konzentrationen) bis 1 (Idealverdünnung, ).

Empirisch und theoretisch nach Debye-Hückel-Onsager fand sich folgender Zusammenhang zur wirksamen Konzentration/Ionenstärke I:[50]

Für 1-1-wertige Elektrolyte konnte diese Gleichung bereits aus dem Kohlrauschschen Quadratwurzelgesetz der Äquivalentleitfähigkeit (durch Division durch die Grenz-Äquivalentleitfähigkeit) bestätigt werden.

Auch die Werte von Dissoziationsgrad und osmotischem Koeffizient bewegen sich entsprechend zwischen 0 und 1. Zu diesen Größen bestehen physikalische Verknüpfungen. Der Leitfähigkeitskoeffizient ist ein Maß für die Abweichung einer Lösung vom Idealzustand (idealverdünnte Löung, c=0). Er fließt als Wert multiplikativ zusammen mit dem Dissoziationsgrad eines Salzes und der Gesamtkonzentration des Salzes in der Lösung, in den beigebrachten Elektrolysestrom ein (da die Äquivalentleitfähigkeit bei realer Verdünnung geringer ist als die Grenz-Äquivalentleitfähigkeit bei idealer Verdünnung).

Des Weiteren ist der Leitfähigkeitskoeffizient von den Ladungszahlen (Wertigkeiten) des Ions/der Ionen abhängig. Das Lehrbuch Anorganikum nennt auf Seite 342 eine Tabelle mit Abhängigkeiten des Leitfähigkeitskoeffizienten von Konzentration(en) und Ladungszahlen beider Ionenarten (Kation und Anion).[51] Da die Ionen miteinander wechselwirken, sind auch die einzelnen Leitfähigkeitskoeffizienten nicht unabhängig vom jeweiligen „Gegenion“ im Elektrolyt. Daher kann es Sinn machen, den Leitfähigkeitskoeffizient gleich als Quotient der Summenleitfähigkeiten von Kation und Anion (wieder bei der Konzentration c bezogen auf den Wert bei c=0) zu definieren. In diesen Wert sind dann sofort alle Ionenkonzentrationen und Wertigkeiten eingeflossen. Höhere Leitfähigkeitskoeffizienten einzelner Ionen führen zu höheren beigebrachten Strömen dieses Ions. Nur wenn die Leitfähigkeitskoeffizienten aller Ionen gleichmäßig ansteigen oder abfallen, bleiben die Überführungszahlen aller Ionen gleich, obwohl der Elektrolysestrom ansteigt oder abfällt. Verändert sich ein Leitfähigkeitskoeffizient des Multi-Ionen-Elektrolyten anders als die der anderen Ionenarten, so ändern sich alle Überführungszahlen. Aus der Änderung des Summen-Leifähigkeitskoeffizienten kann hingegen nicht auf die Änderung der Überführungszahlen von Kation und Anion geschlussfolgert werden (Nachteil dieser Definition). Die Steigerung/Abnahme des Summen-Leitfähigkeitskoeffizienten sagt lediglich etwas über das Ansteigen/Abnehmen des Gesamtstromes aus, aber nicht wie er sich zusammensetzt.

Da für jedes Ion sowohl die Äquivalentleitfähigkeit (bei ) als auch die Grenz-Äquivalentleitfähigkeit (c=0) Funktionen der Temperatur sind, die praktisch den gleichen Temperaturkoeffizienten (alpha) haben, sind die Leitfähigkeitskoeffizienten selbst keine Funktionen der Temperatur.

Die Definition des Leitfähigkeitskoeffizienten ist eine alternative Berechnungsmethode zur Anwendung des Kohlrausch-Quadratwurzelgesetzes für die Ermittlung der Konzentrationsabhängigkeit der Überführungszahlen (oder Äquivalentleitfähigkeiten). Die Wertigkeit der Ionen steckt im Kohlrausch-Gesetz in der Konstante A (negativer Anstieg der Gerade im Diagramm, bei höherer Wertigkeit ist der Anstieg steiler, die Konstante hat also einen höheren Betrag).

Siehe auch Kapitel 1.1.

Konzentrationsabhängigkeit in Multi-Ionen-Gemischen mit verschiedenen Konzentrationen der verschiedenen Ionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Multi-Ionengemischen ist die Überführungszahl auch noch abhängig von der Konzentration des jeweiligen Ions (dieser Überführungszahl), da die von diesem Ion transportierbare Ladungsmenge dem Produkt aus einer empirischen Konstante, der molaren Äquivalentkonzentration des Ions und seiner Wanderungsgeschwindigkeit (oder Ionenbeweglichkeit) ist.[15]

Temperaturabhängigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Temperaturabhängigkeit der Überführungszahlen resultiert aus der Temperaturabhängigkeit der Ionenbeweglichkeiten (bzw. Wanderungsgeschwindigkeiten oder proportionalen Grenz-Äquivalentleitfähigkeiten) der Ionen, die aus der Temperaturabhängigkeit der Solvatisierung der Ionen und damit ihres Ionendurchmessers in Lösung sowie der Temperaturabhängigkeit der Viskosität des Lösemittels erklärt wird. Für steigende Temperaturen nähern sich die Überführungszahlen von Kation und Anion einander an um im theoretischen Grenzfalle den Zahlenwert 0,5 zu erreichen.[16][48]

Die Temperaturabhängigkeit der Überführungszahlen kann für idealverdünnte Lösungen aus den bekannten Temperaturkoeffizienten (alpha) der Grenz-Äquivalentleitfähigkeiten der einzelnen Ionen berechnet werden. Die alpha-Werte sind dabei Konstanten die für das Lösemittel Wasser bei Idealverdünnung zwischen 18 °C und ca. 90 °C gelten sollen.[52] Der Alphawert ist die Differenz zweier Grenzleitfähigkeiten (üblicherweise von 25 °C und 18 °C) bezogen auf die Grenzleitfähigkeit bei Bezugstemperatur (hier 18 °C) und bezogen auf die Temperaturdifferenz (hier 7K). Multipliziert man den alpha-Wert mit 100 erhält man die prozentuale Zunahme der Grenzleitfähigkeit des Iones bei einer Temperatursteigerung um 1 Kelvin.[52] Hübschmann nennt diese Temperaturkoeffizienten für viele Ionen bei Idealverdünnung und Bezugstemperatur 18 °C(25 °C) in „Tabellen zur Chemie“ auf Seite 61. Die Temperaturkoeffizienten alpha (hier in Prozent je Kelvin genannt) liegen dabei zwischen 1,59 (Hydroniumion) und 8,21 [%/K] (Aluminiumion) bezogen auf die Grenzleitfähigkeit bei Bezugstemperatur (hier 18 °C; neuerdings wird meist 25 °C benutzt). Kalium-/Natrium-/Ammonium-Ion haben 1,87/1,98/1,87 [%/K]. Auffällig ist hier die gleiche Größe der Alphawerte bei Kalium und Ammonium, die auch gleiche hydratisierte Ionenradien und Grenzleitfähigkeiten haben. Hydroxidion 2,06%/K. Alkaliionen, Erdalkaliionen und viele Anionen haben Werte von 1,9 bis 2,2 %/K. Schwermetallkationen, wie Eisen(II) (2,89%/K), Mangan(II), Kupfer(II), Nickel(II), Kobalt(II) etc. liegen zwischen 2,1 und 2,9 [%/K]. Eisen(III) hat 1,64%/K, Halogenidionen liegen zwischen 1,85(Bromid) und 2,34(Iodid). Sulfat hat 2,40 %/K. Chlorid 2,25%/K.[53] Die daraus berechenbaren Äquivalentleitfähigkeiten (und Überführungszahlen) sollen für den Temperaturbereich 18 bis 90 °C gelten.

Der Temperaturkoeffizient (alpha-Wert) der Äquivalentleitfähigkeit eines Ions i ist dabei beispielsweise definiert:

Auch andere Definitionen (Bezugstemperaturen/Bezugs-Äquivalentleitfähigkeiten) sind möglich. Heute wird als Bezugstemperatur oft 25 °C „Raumtemperatur“ angewendet.

Für die Äquivalentleitfähigkeit eines Ions i bei anderer Temperatur (T2) gilt mit Bezugstemperatur 18 °C also:[54]

Der Temperaturkoeffizient eines Ions ist nicht zu verwechseln mit dem Temperaturkoeffizienten k[55] des gesamten Elektrolyten (mit mindestens zwei verschiedenen enthaltenen Ionen). Beide Werte können aber ineinander umgerechnet werden.

Allgemeine Formel der Temperaturabhängigkeit der Änderung der Überführungszahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Subtrahiert man formell die Definitionsgleichungen der Überführungszahlen eines Ions -für zwei verschiedene Temperaturen- in einem binären Elektrolyten voneinander und führt die Temperaturkoeffizienten der beiden Ionenarten in diese ein, so erhält man nach Umformung und Kürzen für das Kation:

und für das Anion:

In beiden Formeln unterscheidet sich nur die Differenz der Alphawerte im Vorzeichen. ist die neue Temperatur und die Bezugstemperatur mit den zugehörigen (Grenz-)Äquivalentleitfähigkeitswerten und den auf diese Temperatur bezogenen Alphawerten der Ionen.

Der Zahlenwert für A berechnet sich folgendermaßen (für beide Ionen ein gemeinsamer Zahlenwert):

Die Gültigkeit der Formel lässt sich an idealverdünnten Elektrolyten mit deren Grenzleitfähigkeiten überprüfen. Der A-Wert für idealverdünnte Kaliumchlorid-Lösung mit Bezugstemperatur 18 °C für alle Leitfähigkeitswerte, Alphawerte und die Bezugs-Überführungszahl ist: . Von 25 °C auf 18 °C ändert sich daher die Überführungszahl des Kaliumions in Kaliumchloridlösung um 0,490-0,496 = -0,006. Die des Chlorids daher um 0,5097-0,5038 = +0,006.

Beispiel Kaliumion in Kaliumchlorid, Bezugstemperatur ist 18 °C, ist 25 °C:

und in Zahlenwerten:

Die Gültigkeit dieser Formeln ist aber nur gegeben, wenn angenommen wird, dass die Alphawerte Konstanten sind. Sie gelten also nur für nicht allzu große Temperaturdifferenzen.

Beispielrechnungen für Idealverdünnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundlage der nachfolgend genannten Werte ist das Heft „Tabellen zur Chemie“ (Hübschmann, 1991).[56] Die Grenzleitfähigkeiten für 90 °C wurden aus den Werten für 18 °C und 25 °C und dem daraus berechneten Temperaturkoeffizienten (bezogen auf den Wert von 18 °C) berechnet. Achtung: die Temperaturkoeffizienten bei Hübschmann beziehen sich auf verschiedene (nicht genannte) Temperaturen und sind daher unbrauchbar.

Überführungszahlen von reinem neutralem Wasser bei 18, 25 und 90 °C[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Elektrolyt Formel Kation Anion Temperatur [°C] lambda+ [Scm2/mol] lambda- [Scm2/mol] n(+) n(-)
Wasser Hydroniumion Hydroxidion 18 315 173 0,645 0,355
Wasser Hydroniumion Hydroxidion 25 350 198 0,639 0,361
Wasser Hydroniumion Hydroxidion 90 ca. 675,6 (berechnet) ca. 429,6 (berechnet) ca. 0,611 (berechnet) ca. 0,389 (berechnet)

Da das Hydroxidion einen größeren Temperaturkoeffizienten (2,06%/K bezogen auf den Wert der Grenzleitfähigkeit von 18 °C, also 173 Scm2/mol) hat als das Hydroniumion (1,59%/K) steigt mit der Temperatur die Überführungszahl des Hydroxidions an, während die des Hydroniumions sinkt.

Überführungszahlen von Aluminiumchlorid bei 18, 25 und 90 °C[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aluminiumchlorid besitzt offenbar eine der größten möglichen Temperaturabhängigkeiten der Überführungszahlen eines Salzes, da die Temperaturkoeffizienten von Aluminium(III)-Ion (8,21%/K bezogen auf die Grenzleitfähigkeit von 18 °C) und Chloridion (2,25%/K) sich stark unterscheiden.

Elektrolyt Formel Kation Anion Temperatur [°C] lambda+ [Scm2/mol] lambda- [Scm2/mol] n(+) n(-)
Aluminiumchlorid Aluminium-Ion Chloridion 18 40 66 0,377 0,623
Aluminiumchlorid Aluminium-Ion Chloridion 25 63 76,4 0,452 0,548
Aluminiumchlorid Aluminium-Ion Chloridion 90 ca. 276,4 (berechnet) ca. 172,9 (berechnet) ca. 0,615 (berechnet) ca. 0,385 (berechnet)

Der vom Aluminiumion transportierte Stromanteil steigt mit der Temperatur stark an, während der des Chloridions absinkt, da die Temperaturkoeffizienten entsprechend unterschiedlich sind (Al: 8,21%/K; Cl: 2,25%/K).

Überführungszahlen von Kaliumnitrit bei 18, 25 und 90 °C[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Elektrolyt Formel Kation Anion Temperatur [°C] lambda+ [Scm2/mol] lambda- [Scm2/mol] n(+) n(-)
Kaliumnitrit Kaliumion Nitrition 18 65 59 0,529 0,471
Kaliumnitrit Kaliumion Nitrition 25 73,5 72 0,505 0,495
Kaliumnitrit Kaliumion Nitrition 90 ca. 152,5 (berechnet) ca. 192,8 (berechnet) ca. 0,442 (berechnet) ca. 0,558 (berechnet)

In diesem Beispiel zeigt sich was passiert, wenn die Äquivalentleitfähigkeit des einen Ions erst geringer ist (hier beim Nitrit-Anion), aber dann wegen eines größeren Temperaturkoeffizienten (Nitrit: 3,15%/K; Kalium: 1,87%/K) bei Temperatursteigerung stärker je Kelvin steigt und schließlich den Wert des Gegenions (hier Kalium) erreicht und letztlich übersteigt. Die Äquivalentleitfähigkeit und Überführungszahl des Nitrits ist bei 18 °C erst kleiner als die Äquivalentleitfähigkeit und Überführungszahl des Kaliums, erreicht bei einer (berechenbaren) Temperatur Tx den gleichen Wert des Kaliums (Überführungszahlen=0,5 für Kation und Anion, gleiche Äquivalentleitfähigkeiten beider Ionen) um letztlich größere Werte als die des Kaliums anzunehmen.

Die Temperatur, bei der die Überführungszahlen gleich groß, also 0,5 werden, berechnet sich in diesem Falle:

Elektrolyt Formel Kation Anion Temperatur [°C] lambda+ [Scm2/mol] lambda- [Scm2/mol] n(+) n(-)
Kaliumnitrit Kaliumion K+ Nitrition ca. 27,33 ca. 76,30 ca. 76,28 ca. 0,500 ca. 0,500

Abhängigkeit von der Viskosität des Lösemittels[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit steigender Temperatur sinkt die dynamische Viskosität jedes Lösemittels. Daher steigt die Wanderungsgeschwindigkeit/Ionenbeweglichkeit aller Ionen mit steigender Temperatur an. Die Überführungszahlen ändern sich nur wenn die Anstiege der Wanderungsgeschwindigkeiten von Kation und Anion unterschiedlich groß sind. Dies ist meist zu erwarten. Siehe Temperaturabhängigkeit.

Einfluss von Komplexbildnern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liegen Komplexbildner und die in den Komplex einbaubaren Ionen in den nötigen Konzentrationen vor, so bilden mindestens zwei Ionen zusammen ein Komplexion mit neuer Wertigkeit und anderem hydratisiertem Ionendurchmesser (meist einem kleineren). Komplexionen besitzen bessere Ionenbeweglichkeit/Äquivalentleitfähigkeit. Ihre Bildung oder ihr Zerfall verändern jeweils die Überführungszahlen aller anderen Ionen in der Lösung (soweit die anderen Ionen auch entladen werden können). Die Überführungszahlen aller entladbaren Ionen (bei den herrschenden Stromdichten und Elektrodenpotentialen) sind bei Vorliegen von Komplexbildnern (komplex-bildende Ionen) Funktionen der Konzentrationen aller Ionen die an der Bildung der Komplexionen beteiligt sind. Das Kohlrausch-Gesetz (Quadratwurzel-Gesetz) ist in diesem Falle für die Abhängigkeit der Äquivalentleitfähigkeit eines Ions von dessen Konzentration in der Lösung nicht mehr gültig. Somit kann es auch nicht mehr für die Umrechnung von Überführungszahlen (idealverdünnter und realverdünnter Lösungen) benutzt werden.

Abhängigkeit von gelösten nichtionogenen Stoffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liegen gleichzeitig nichtionische Stoffe in der Lösung vor, so kann dies dann die einzelnen Äquivalentleitfähigkeiten oder Überführungszahlen verändern, wenn die Wanderungsgeschwindigkeiten einzelner Ionenarten (mit großem Ionendurchmesser) durch Behinderung/Reibung reduziert werden (bei hohen Konzentrationen des Nichtelektrolyten), oder wenn dieser Nichtelektrolyt mit den vorhandenen Ionen Komplexionen bilden kann. Letzteres gilt laut Milazzo beispielsweise in Schwefelsäure bei Anwesenheit von Aceton oder Zucker.[48] Verändert der gelöste nichtionische Stoff hingegen nur die Viskosität des Lösemittels, so wird er sich gleichzeitig gleichmäßig reduzierend auf die Wanderungsgeschwindigkeiten aller Ionenarten auswirken, was den Elektrolysestrom (die Leitfähigkeit) sinken lässt, die Überführungszahlen aber nicht verändert.

Abhängigkeit von Ionenradius und Ladungszahl des Ions[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entsprechend der Definition des Stokesschen Gesetzes werden Ionen als Kugeln mit einem Kugelradius (Ionenradius) r angesehen, die mit einer, der elektrischen Feldstärke E proportionalen, Geschwindigkeit (Ionengeschwindigkeit ) – hier ist nicht die Ionenbeweglichkeit gemeint – durch das Lösemittel diffundieren.[57] Dabei müssen sie aufgrund der dynamischen Viskosität des Lösemittels bei Temperatur entgegen einer Reibungskraft Fr anwandern, die mit der Wanderungsgeschwindigkeit ansteigt. Daher stellt sich letztlich – praktisch sofort – eine konstante Wanderungsgeschwindigkeit (zu jeder Feldstärke oder Spannung ) ein. Das Produkt aus Wanderungsgeschwindigkeit und Ladungszahl (Wertigkeit) bestimmt die transportierte Ladung je Zeitspanne, also den vom Ion zum Gesamtstrom (Elektrolysestrom) beigebrachten Teilstrom. Die Wanderungsgeschwindigkeit steigt also mit der Ladungszahl (Wertigkeit des Ions), mit der Feldstärke (Spannung je Elektrodenabstand), mit steigender Temperatur (wegen sinkender Viskosität des Lösemittels), sowie mit sinkendem (hydratisiertem) Ionenradius . Hier muss darauf hingewiesen werden, dass der Ionenradius eine eher virtuelle Größe ist,[58] die per Röntgenbeugung für Kristalle ermittelt wird. In Lösungen wird von diesen nun gelöst vorliegenden Ionen Lösemittel angelagert. Durch diese „Hydrathülle“ steigt der „reale“ Ionenradius im Lösemittel an. Es ist bekannt, dass kleine Atome (Elemente mit kleiner Ordnungszahl) bei der Hydratisierung ihren Kristall-Ionenradius stark vergrößern, während große Atome (Elemente größerer Ordnungszahlen) bei der Hydratisierung ihren Kristall-Ionenradius nur noch wenig vergrößern. In Salzschmelzen kann es mangels Lösemittels keine Hydrathülle geben, aber es wäre die Anlagerung von ungeladenen Molekülen mit Dipolelement denkbar.

Die das Ion im elektrischen Feld beschleunigende Kraft ist:

Die Reibungskraft des Ions hängt von seiner Wanderungsgeschwindigkeit und der dynamischen Viskosität des Lösemittels ab:[59]

ist hier die Wertigkeit (Ladung) des Ions . ist die Elementarladung eines Elektrons. Dynamische Viskosität des Lösemittels: . Spannung , Elektrodenabstand (in cm).

Durch Gleichsetzen der Kräfte und umstellen nach der Wanderungsgeschwindigkeit des Ions i erhält man:

Dies führt durch Einsetzen in die Definitionsgleichung der Überführungszahl (Verhältnis der Wanderungsgeschwindigkeit des betrachteten Ions zur Summe aller Wanderungsgeschwindigkeiten) zu:

und

Die Überführungszahlen setzen sich also aus den Quotienten von Ionenwertigkeiten und Ionenradien zusammen. Bei den Ionenradien ist natürlich der hydratisierte Ionenradius gemeint.

Der effektive (hydratisierte) Ionenradius eines Ions zur jeweiligen Temperatur kann aus oben genannter Gleichung der Wanderungsgeschwindigkeit durch Umstellen berechnet werden, wenn die dynamische Viskosität des Lösemittels bekannt ist und die Wanderungsgeschwindigkeit oder Ionenbeweglichkeit oder die Äquivalentleitfähigkeit/Grenzleitfähigkeit bekannt ist: