Nitroaniline – Wikipedia

Die Nitroaniline (selten: Nitraniline, Aminonitrobenzole) sind aromatische Verbindungen, die sich sowohl vom Anilin als auch vom Nitrobenzol ableiten. Durch unterschiedliche Anordnung (ortho, meta oder para) der Substituenten ergeben sich drei Konstitutionsisomere mit der Summenformel C6H6N2O2.

Nitroaniline
Name 2-Nitroanilin 3-Nitroanilin 4-Nitroanilin
Andere Namen o-Nitroanilin,
1-Amino-2-nitrobenzol
 
m-Nitroanilin,
1-Amino-3-nitrobenzol,
C.I. 37030
p-Nitroanilin,
1-Amino-4-nitrobenzol
 
Strukturformel Struktur von o-Nitroanilin Struktur von m-Nitroanilin Struktur von p-Nitroanilin
CAS-Nummer 88-74-4 99-09-2 100-01-6
PubChem 6946 7423 7475
Summenformel C6H6N2O2
Molare Masse 138,13 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Kurzbeschreibung gelbe bzw. orange, fast geruchlose, kristalline Pulver
Schmelzpunkt 71 °C[1] 114 °C[2] 147 °C[3]
Siedepunkt 284 °C[1] Zers.[2] 336 °C[3]
Dampfdruck[4] 0,26 Pa (30 °C) 0,15 Pa (30 °C) 0,02 Pa (30 °C)
1,89 Pa (50 °C) 0,31 Pa (50 °C) 0,05 Pa (50 °C)
pKS-Wert[5]
der konjugierten
Säure BH+
−0,26 2,466 1,00
Löslichkeit 1,1 g/l (20 °C)[1] 1,2 g/l (24 °C)[2] 0,5 g/l (20 °C)[3]
schwerlöslich in Wasser, löslich in Ethanol, Ether und Chloroform
GHS-
Kennzeichnung
Gefahrensymbol Gefahrensymbol
Gefahr[1][2][3]
H- und P-Sätze 301+311+331​‐​373​‐​412
keine EUH-Sätze
273​‐​280​‐​301+310
302+352+312​‐​304+340+311​‐​314
273​‐​280​‐​301+310+330
302+352+312​‐​304+340+311​‐​314
273​‐​280​‐​304+340
302+352​‐​308+310

3-Nitroanilin kann gewonnen werden durch:

2-Nitroanilin kann zusammen mit 4-Nitroanilin gewonnen werden durch:[6]

Synthese von 2-Nitroanilin bzw. 4-Nitroanilin:
Die NH2-Gruppe des Anilins (1) wird mittels Essigsäureanhydrid geschützt, dabei entsteht Acetanilid (2). Dieses wird unter Einwirken von Schwefelsäure, Salpetersäure sowie Essigsäure zu 2-Nitroacetanilid (3a) bzw. 4-Nitroacetanilid (3b) nitriert. Schließlich erfolgt die säurekatalysierte Abspaltung der Schutzgruppe, so dass man 2-Nitroanilin (4a) bzw. 4-Nitroanilin (4b) erhält.

Die weltweite Produktion beträgt etwa 20.000 bis 25.000 Tonnen pro Jahr.

Sich bildende Kristalle von p-Nitroanilin

Die Nitroaniline bilden gelbe bzw. orange kristalline Pulver. Sie sind schwerlöslich in Wasser, löslich in Ethanol, Ether und Chloroform.

2-Nitroanilin mit intramolekularer Wasserstoffbrücke

Die Nitroaniline sind im Vergleich zum Anilin deutlich weniger basisch, was sich in den in der Tabelle angegebenen kleineren pKS-Werte der konjugierten Säuren BH+ ausdrückt. Der Grund hierfür ist die elektronenziehende Wirkung der Nitrogruppe (−M- und −I-Effekt), die die Elektronendichte am Stickstoff der Aminogruppe reduziert und so die Aufnahme eines Protons erschwert.

Die Schmelzpunkte zeigen deutliche Unterschiede. Das 2-Nitroanilin besitzt den niedrigsten Schmelzpunkt, da es eine intramolekulare Wasserstoffbrücke ausbilden kann. Die beiden anderen Isomere bilden im Gegensatz dazu intermolekulare Wasserstoffbrücken aus. Das 4-Nitroanilin besitzt aufgrund seiner Symmetrie den höchsten Schmelzpunkt.

Die Nitroaniline werden fast ausschließlich als Zwischenprodukte zur Herstellung anderer organischer Verbindungen eingesetzt. So entstehen z. B. durch Hydrierung der Nitrogruppe die Phenylendiamine und durch Diazotierung Nitrobenzonitrile.

4-Nitroanilin ist z. B. Ausgangspunkt zur Synthese des Azofarbstoffs Pararot:[8]

Synthese von Pararot ausgehend von 4-Nitroanilin (1). Dieses reagiert nach Einwirken von Schwefelsäure und Natriumnitrit zu einem Diazoniumsalz (2), welches mit 2-Naphthol zum Pararot (3) gekuppelt wird.

4-Nitroanilin wurde als Echtrot GG Base und 2-Nitroanilin als Echtorange GR Base mit Naphthol AS für Entwicklungsfarbstoffe verwendet[9] und die entsprechenden stabilisierten Diazoniumsalze als Echtrot GG Salz[10], bzw. Echtorange GR Salz[11] vermarktet.

Einige Derivate des 3-Nitroanilins schmecken sehr süß. Das 1-Propoxy-2-amino-4-nitrobenzol hat eine Süßkraft von 4.100 in Bezug auf Saccharose und wurde einige Zeit unter dem Namen Ultrasüß P-4000 als Süßstoff verwendet, hat aber aus toxikologischen Gründen keine Bedeutung mehr.[12]

Sicherheitshinweise

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Nitroaniline sind giftig. Bei Kontakt von Nitroanilinen mit organischen Stoffen und Einwirkung von Feuchtigkeit kann eine spontane Entzündung erfolgen.

Commons: Nitroaniline – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d Eintrag zu o-Nitroanilin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 28. Januar 2024. (JavaScript erforderlich)
  2. a b c d Eintrag zu m-Nitroanilin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 28. Januar 2024. (JavaScript erforderlich)
  3. a b c d Eintrag zu p-Nitroanilin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 28. Januar 2024. (JavaScript erforderlich)
  4. H: Félix-Rivera, M.L. Ramírez-Cedeño, R.A. Sánchez-Cuprill, S.P. Hernández-Rivera: Triacetone triperoxide thermogravimetric study of vapor pressure and enthalpy of sublimation in 303–338 K temperature range, in: Thermochim. Acta, 514, 2011. S. 37–43 (doi:10.1016/j.tca.2010.11.034).
  5. CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification, Third Edition, 1984, ISBN 0-8493-0303-6.
  6. Beyer/Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie, 19. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1981, ISBN 3-7776-0356-2, S. 533, 535–536.
  7. Louis Ehrenfeld, Milton Puterbaugh: o-Nitroaniline In: Organic Syntheses. 9, 1929, S. 64, doi:10.15227/orgsyn.009.0064; Coll. Vol. 1, 1941, S. 388 (PDF).
  8. J. R. Mohrig, T. C. Morrill, C. N. Hammond, D. C. Neckers: Synthesis 5: Synthesis of the Dye Para Red from Aniline (Memento vom 15. September 2020 im Internet Archive); in: Experimental Organic Chemistry Freeman: New York, NY, 1997; S. 456–467.
  9. M. Satake, Y. Mido: Chemistry of Colour. Discovery Publishing House, New Delhi 1995, ISBN 81-7141-276-9, S. 69 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Datenblatt 4-Nitrobenzenediazonium tetrafluoroborate bei Alfa Aesar, abgerufen am 29. Januar 2019 (Seite nicht mehr abrufbar).
  11. Datenblatt Fast Orange GR Salt bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 29. Januar 2019 (PDF).
  12. H.-D. Belitz et al.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 5. Aufl., Springer, Berlin u. a., 2001. S. 432.