Dabru Emet – Wikipedia

Dabru Emet (hebräisch דברו אמת ‚Redet Wahrheit‘, nach Sach 8,16 EU) ist ein Dokument, das sich aus jüdischer Perspektive mit dem Christentum beschäftigt und so zum interreligiösen Dialog Stellung bezieht. Es wurde von US-amerikanischen Juden verfasst und von über 220 Rabbinern und jüdischen Intellektuellen unterzeichnet, die verschiedensten Strömungen des modernen Judentums anhangen, versteht sich aber nicht als offizielle Erklärung irgendeiner jüdischen Organisation oder Strömung. Dabru Emet wurde erstmals am 10. September 2000 in der New York Times und der Baltimore Sun veröffentlicht.

In dem Dokument wird trotz theologischer Differenzen eine gemeinsame Glaubensgrundlage von Juden und Christen herausgearbeitet. In acht Punkten befasst es sich auch mit der Geschichte der beiden Religionen, den gemeinsamen Werten, dem christlichen und dem nationalsozialistischen Antijudaismus und dem Existenzrecht Israels. Hintergrund ist der u. a. durch das Zweite Vatikanische Konzil (Erklärung Nostra Aetate) stärker in Gang gekommene interreligiöse Dialog.

Die Thesen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dabru Emet erkennt an, dass das Judentum von Christen reflektierter gewürdigt und nicht mehr als bloße „Vorläuferreligion“ abgewertet wird, und möchte darauf antworten. Die acht Thesen lauten (Zitate nach der Übersetzung von Christoph Münz):[1]

  1. „Juden und Christen beten den gleichen Gott an.“ Dies ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Schöpfer des Alls.
  2. „Juden und Christen stützen sich auf die Autorität ein und desselben Buches“, nämlich der Tanach bzw. das Alte Testament, wenngleich sie diese Schrift in manchen Punkten unterschiedlich auslegen.
  3. „Christen können den Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel respektieren.“ Der Staat Israel wird von Christen anerkannt in der Bedeutung, welcher dieser für viele Juden hat; die Juden verpflichten sich auch in Israel zu Gerechtigkeit gegenüber allen dortigen Nichtjuden.
  4. „Juden und Christen anerkennen die moralischen Prinzipien der Tora.“ Dazu zählt insbesondere die unantastbare Menschenwürde, die der Mensch als Abbild Gottes verliehen ist; diese Heiligkeit des Menschen können beide Religionen gemeinsam in der Welt bezeugen.
  5. „Der Nazismus war kein christliches Phänomen.“ In der langen Geschichte des christlichen Antijudaismus wird eine – aber nicht die einzige – Quelle für den Nationalsozialismus gesehen; gleichwohl werden christliche NS-Gegner gewürdigt. Angesichts der Anstrengungen in der christlichen Theologie, eine Verachtung des Judentums klar zurückzuweisen, klagen Juden heute nicht Christen für die Verfehlungen ihrer Vorfahren an.
  6. „Der nach menschlichem Ermessen unüberwindbare Unterschied zwischen Juden und Christen wird nicht eher ausgeräumt werden, bis Gott die gesamte Welt erlösen wird, wie es die Schrift prophezeit.“ Beide Religionen sehen sich in Treue zu ihrer Offenbarung und Tradition und respektieren die jeweils andere.
  7. „Ein neues Verhältnis zwischen Juden und Christen wird die jüdische Praxis nicht schwächen.“ Vielmehr vertieft der Dialog auch die eigenen jüdischen Wurzeln, er beschleunigt nicht die zu Recht befürchtete Assimilierung von Juden in ihrer Umwelt.
  8. „Juden und Christen müssen sich gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.“

Jüdische Reaktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Rabbinern, die Dabru Emet positiv aufnahmen, gehörte David Rosen, Vertreter einer modernen Orthodoxie und Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ). Auch das orthodox-rabbinische Dokument To Do the Will of Our Father in Heaven. Toward a Partnership between Jews and Christians weist in eine ähnliche Richtung.[2]

Radikale Ablehnung erfuhr das Dokument von dem jüdischen Theologen Jon D. Levenson, der darin eine „Gefahr für die jüdische Praxis und Identität“ sieht und keinen interreligiösen Dialog anstrebt.[3] Auch andere Vertreter des ultraorthodoxen Judentums übten Kritik, etwa Jacob Neusner und Hillel Goldberg.[4]

Christliche Reaktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum (LEKKJ), in der 25 lutherische Kirchen in Europa vertreten sind, würdigte Dabru Emet vor dem Hintergrund der protestantischen Aufarbeitung des Antijudaismus in einer Stellungnahme von 2003.[5] 2005 folgte ein längerer Diskussionsbeitrag durch deutsche evangelische Gremien.[6] Auch die katholische Kirche würdigte das Dokument als Meilenstein.

Verfasser[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entsprechend der New York Times wurde der Text veröffentlicht von (National Jewish Scholars Project):[7]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Deutsche Übersetzung: National Jewish Scholars Project. DABRU EMET*. Eine jüdische Stellungnahme zu Christen und Christentum. In: jcrelations.net. 15. Juli 2002, abgerufen am 6. September 2023 (* Redet Wahrheit. Aus dem Englischen übersetzt von Christoph Münz); auch Frankfurter Rundschau. 12. Dezember 2000.
  2. Orthodox Rabbinic Statement on Christianity – To Do the Will of Our Father in Heaven – Toward a Partnership between Jews and Christians. Center for Jewish-Christian Understanding and Cooperation, 3. Dezember 2015, abgerufen am 6. September 2023.
  3. Jon D. Levenson: How Not to Conduct Jewish-Christian Dialogue. In: Commentary. Dezember 2001, S. 31–37. Deutsche Übersetzung von Rudolf Weckerling: Wie der Jüdisch-Christliche Dialog nicht geführt werden soll. In: Begegnungen. Zeitschrift für Kirche und Judentum. Hrsg. vom Evangelisch-lutherischen Zentralverein für Begegnung von Christen und Juden. Heft 3, 2002, ISSN 1612-4340 (jcrelations.net, abgerufen am 10. August 2018).
  4. Hannah Holtschneider: Dabru Emet und jüdische Interpretationen des Christentums. In: Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit (Hrsg.): Dialog. Christlich-jüdische Informationen = Du-śiaḥ. (Dialog-DuSiach). Band 62, Januar 2006, ISSN 1816-6431, S. 18–41 (christenundjuden.org; Memento im Internet Archive vom 10. Oktober 2015 [abgerufen am 10. August 2018] Vortrag bei einem Colloquium zu Dabru Emet am Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte der Universität Salzburg [undatiert; 2003 oder später]; mit Bibliographie zur Rezeption bis 2004, hauptsächlich bis 2002).
  5. Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum (LEKKJ): Eine Antwort auf dabru emet. Graz/Österreich, 12. Mai 2003 (jcrelations.net, 1. Juni 2003, abgerufen am 10. August 2018) (Memento vom 11. April 2010 im Internet Archive).
  6. Gemeinsamer Beitrag der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Gemeinsamer Ausschuss „Kirche und Judentum“: „Eine jüdische Stellungnahme zu Christen und Christentum“ des National Jewish Scholars Project (USA) (Memento vom 15. Februar 2017 im Internet Archive). Diskussionsbeitrag zur Thesenreihe: „Dabru emet (Redet Wahrheit)“. In: ekd.de. 2005, abgerufen am 10. August 2018.
  7. Scan der New York Times. In: icjs.org. Institute for Islamic • Christian • Jewish Studies, Baltimore, MD, abgerufen am 10. August 2018 (icjs.org (Memento vom 22. Oktober 2015 im Internet Archive) [PDF; 148 kB]).