Etel Adnan – Wikipedia

Etel Adnan (2008)

Etel Adnan (geboren 24. Februar 1925 in Beirut; gestorben 14. November 2021 in Paris[1]) war eine libanesisch-US-amerikanische Schriftstellerin und Malerin. Ihre Kunst bewegt sich zwischen arabischer und westlicher Welt und verbindet verschiedene Kunstformen, Medien, Sprachen und Kulturen.[2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etel Adnan war die Tochter einer Griechin und eines Syrers, der Offizier in der Osmanischen Armee in Smyrna gewesen war, und wuchs mit griechischer und türkischer Muttersprache in einer arabisch sprechenden Umwelt auf. In dem seinerzeit französisch kontrollierten Libanon besuchte sie die katholische französische Mädchenschule, und ihre erste literarische Sprache war das Französische. Später schrieb sie auch auf Englisch. Im sprachlichen Widerstreit fand sie in der abstrakten Malerei eine weitere Ausdrucksform.

Adnan verließ mit sechzehn Jahren die Schule und arbeitete als Hilfskraft bei der französischen Armee.[3] Ihr Bürochef war Jean Gaulmier, der es ihr ermöglichte, nebenher das Baccalauréat abzulegen. Sie begann 1945 ein Literaturstudium bei Gabriel Bounoure[4] an der neugegründeten „École Supérieure des Lettres de Beyrouth“, an der auch Georges Schehadé tätig war, arbeitete als Lehrerin und ging dann dank eines Stipendiums 1949 nach Paris an die Sorbonne, wo sie einen ersten Abschluss in Philosophie machte. Ihr Studium setzte sie 1955 an der University of California, Berkeley und an der Harvard University fort und lehrte anschließend Geisteswissenschaften und Philosophie an der Dominican University of California in San Rafael. Sie wurde an weitere US-amerikanische Colleges als Gastdozentin eingeladen.

Nach siebzehn Jahren kehrte sie 1972 in den Libanon zurück, um in Beirut als Feuilletonredakteurin der französischsprachigen Zeitungen Al Safa und L’Orient-Le Jour zu arbeiten. Sie lernte dort 1972 die Künstlerin und Kunstkritikerin Simone Fattal kennen und ging mit ihr eine Beziehung ein, die bis zu ihren Lebensende Bestand hatte.[2] Adnan musste den Libanon jedoch wegen des Bürgerkriegs 1976 erneut verlassen. Sie ging nach Paris, wo sie 1978 ihren Antikriegsroman Sitt Marie Rose veröffentlichte, in dem sie das Schicksal einer durch die Kata’ib ermordeten Freundin aufgriff. Von Frankreich ging sie wieder nach Kalifornien, wo sie sich in Sausalito niederließ, kehrte später jedoch wieder nach Paris zurück. Anfang der 1980er-Jahre war sie am Libretto von Robert Wilsons Oper The CIVIL warS beteiligt. In dieser Zeit entstand auch eine Freundschaft zu der Schauspielerin und Feministin Delphine Seyrig, mit der Adnan an einem Filmprojekt über Calamity Jane arbeitete.[5] Nach der Zusammenarbeit mit Wilson verfasste sie eine Reihe von Theaterstücken. Das Stück Irgendwann in der Nacht hatte 2013 seine Uraufführung am Badischen Staatstheater Karlsruhe.[6]

2009 wurde das Hörspiel Schiff im Sturm Berg Mond Meer ganz und gar schwerelos – Etel Adnans Reisen durch Leben und Länder (Autorin: Klaudia Ruschkowski, Regie: Jean-Claude Kuner) bei Deutschlandradio Kultur erstgesendet. 2013 folgte ebenfalls bei Deutschlandradio Kultur das Hörstück Etel Adnan – Arabische Apokalypse, realisiert von Ulrike Brinkmann und Klaudia Ruschkowski, mit der Komposition von 48nord. 2014 haben RBB, NDR und Deutschlandradio Kultur das gemeinsam produzierte Radio-Feature Express Beirut – Die Schriftstellerin Etel Adnan von Jean Claude Kuner ausgestrahlt.

Sie lebte zuletzt mit ihrer Lebenspartnerin, der Künstlerin Simone Fattal, in Paris und im Küstendorf Erquy in der Bretagne.[7]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außerdem wurde ihr vom Radius of Arab-American Writers der RAWI Lifetime Achievement Award verliehen.

Ausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etel Adnan Mount Tamalpais 2015
  • 2010 zeigte die Galerie Sfeir-Semler in Beirut die erste große Retrospektive von Etel Adnan "Paintings and Drawings", ergänzt 2012 in Hamburg durch die Ausstellung "Works 1965 - 2012".
  • Im Jahr 2012 wurde Adnan zur dOCUMENTA (13) eingeladen,[13] wo sie neben ihrem Beitrag in dem Documenta-Buch eine Retrospektive erhielt.[14] Von Adnan wurden dort 87 Werke, zwei Tapeten, ein Buch und ihr erster Film gezeigt.
  • 2013: Etel Adnan, Galleria continua, San Gimignano, Toskana, Italien.
  • 2014/15: Etel Adnan. Berge schreiben,[15] Museum der Moderne Salzburg[16]
  • 2015 Galerie Lelong, Paris[17]
  • 2015 Galerie Lelong, New York.
  • 2015: Etel Adnan – La joie de vivre, Haus Konstruktiv, Zürich.
  • 2018: Etel Adnan, Zentrum Paul Klee, Bern.
  • 2021: Etel Adnan, Van Gogh Museum Amsterdam
  • 2022: Etel Adnan, Lenbachhaus, München – die erste umfassende Retrospektive in Deutschland mit Werken aus allen Schaffensphasen und Medien[18]
  • 2023: Etel Adnan, Poesie der Farben, K 20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf und Lenbachhaus, München[19]
  • 2023: Etel Adnan & Simone Fattal. Voices without borders, KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Berlin[20]

Bibliografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sitt Marie-Rose, eine libanesische Geschichte. mit einem autobiographischen Nachwort. Aus dem Französisch von Eva Moldenhauer, Umschlagmotiv Etel Adnan. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-38051-6.
  • mit Gavin Bryars (Komponist): The Adnan songbook: for soprano and ensemble. Schott, Mainz 1996, ISBN 978-0-220-11811-2.
  • Paris, Paris. Aus dem Englisch von Nicolaus Bornhorn, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-39484-3.
  • An Einar denkend. In: Einar Schleef: Arbeitsbuch. Theater der Zeit: Arbeitsbuch 11, 2002, ISBN 3-934344-12-7, S. 170.
  • Die Sonne zergeht auf der Zunge (= Drucksache N.F. Band 7), herausgegeben von Wolfgang Storch im Auftrag der Internationalen Heiner Müller Gesellschaft, Edition Nautilus, Hamburg 2004, ISBN 3-89401-450-4.
  • Im Herzen des Herzens eines anderen Landes. Übersetzerin: Christel Dormagen, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-41649-9.
  • Von Frauen und Städten. übersetzt und mit einem Nachwort von Klaudia Ruschkowski, Edition Nautilus, Hamburg 2006, ISBN 3-89401-477-6.
  • Reise zum Mount Tamalpais. Aus dem Englisch übersetzt und mit einem Nachwort von Klaudia Ruschkowski, Edition Nautilus, Hamburg 2008, ISBN 978-3-89401-572-5.
  • Das deutsche Wunder. In: Theater der Zeit, Heft 7/8, 2009, S. 174–177 ISSN 0040-5418
  • Der Herr der Finsternis: Erzählungen. Aus dem Englisch von Christel Dormagen, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-518-42073-7.
  • The cost for love we are not willing to pay. Übersetzt von Christel Dormagen, 100 notes – 100 thoughts; No. 006; Hatje Cantz, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-7757-2855-3.
  • Jahreszeiten. Herausgegeben und aus dem Englisch übersetzt von Klaudia Ruschkowski, Edition Nautilus, Hamburg 2012, ISBN 978-3-89401-753-8.
  • Arabische Apokalypse. Übersetzt von Ulrike Stoltz, Suhrkamp, Berlin 2012, ISBN 978-3-518-42276-2.
  • Gespräche mit meiner Seele. Übersetzt von Klaudia Ruschkowski (Hrsg.), Edition Nautilus, Hamburg 2015, ISBN 978-3-89401-815-3.
  • Schreiben in einer fremden Sprache. SUKULTUR, Berlin 2016. ISBN 978-3-95566-127-4.
  • Nacht. Edition Nautilus, Hamburg 2016. ISBN 978-3-96054-022-9.
  • Wir wurden kosmisch. Herausgegeben von Joshua Groß und Moritz Müller-Schwefe in Zusammenarbeit mit dem Institut für moderne Kunst Nürnberg. starfruit publications, Fürth 2019 ISBN 978-3-922895-36-7.
  • Etel Adnan . Sturm ohne Wind: Gedichte | Prosa | Essays | Gespräche. Herausgegeben von Hanna Mittelstädt und Klaudia Ruschkowski. Edition Nautilus, Hamburg 2019, ISBN 978-3-96054-212-4.
  • Reise, Krieg und Exil. SUKULTUR, Berlin 2020. ISBN 978-3-95566-127-4.
  • Zeit. Übersetzt und mit einem Nachwort von Klaudia Ruschkowski, Edition Nautilus, Hamburg 2021, ISBN 978-3-96054-244-5.

Hörspiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 2008: Schiff im Sturm Berg Mond Meer ganz und gar schwerelosKlaudia Ruschkowski / Jean-Claude Kuner (Hörspiel – DKultur) – auch Sprecherin
  • 2013: Arabische Apokalypse – Realisation: 48nord / Ulrike Brinkmann / Klaudia Ruschkowski (Hörspiel – DKultur/HR) – auch Sprecherin
  • 2017: Nacht – Klaudia Ruschkowski / Giuseppe Maio (Hörspiel – DKultur) – auch Sprecherin | Hörspiel des Monats
  • 2019: A Funeral March For The First Cosmonaut – Etel Adnan / Ulrike Haage – übersetzt und dramaturgische Beratung Klaudia Ruschkowski (Hörspiel – DKultur) – auch Sprecherin
  • 2020: Überweben – Etel Adnan / Ulrike Haage / Klaudia Ruschkowski (Hörspiel – DKultur)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lisa Suhair Majaj, Amal Amireh (Hrsg.): Etel Adnan: critical essays on the Arab-American writer and artist. McFarland & Co., Jefferson, N.C. 2002, ISBN 0-7864-1072-8. (englisch)
  • Karin Lüdi: Torn between two worlds: Arab-American poetry: ethnicity in „The Beirut-Hell-Express“ by Etel Adnan. Lizenziatsarbeit. Universität Bern, 2003, OCLC 603826666. (englisch)
  • Sébastien Delot, Susanne Gaensheimer, Matthias Mühling (Hrsg.): Etel Adnan, Hirmer Verlag, München 2022, ISBN 978-3-7774-4056-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Etel Adnan – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Etel Adnan. Nachruf auf buchmarkt.de, 15. November 2021. Abgerufen am 15. November 2021.
  2. a b Etel Adnan. Lenbachhaus München, abgerufen am 12. November 2022.
  3. Etel Adnan: Aufwachsen im Libanon, Schriftstellerin werden, Vortrag 1986, als Nachwort zu Sitt Marie-Rose. S. 97–123, Aus dem Amerik. Hans-Ulrich Müller-Schwefe
  4. Gabriel Bounoure, siehe französischsprachige Wikipedia fr:Gabriel Bounoure
  5. Sébastien Delot, Matthias Mühling, Susanne Gaensheimer (Hrsg.): Etel Adnan. Hirmer, 2022, ISBN 978-3-7774-4056-9, S. 79–83.
  6. Irgendwann in der Nacht (Memento des Originals vom 26. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/spielzeit13-14.staatstheater.karlsruhe.de 2013/14 am Badischen Staatstheater Karlsruhe
  7. Judith Benhamou Huet: Etel Adnan and Simone Fattal: “we have to tell governments to stop the madness of economic growth at all costs”. In: judithbenhamouhuet.com. Judith Benhamou Huet, abgerufen am 25. Dezember 2021.
  8. Etel Adnan, abgerufen am 19. Juli 2018.
  9. 2010 Arab American Book Award Winners (Memento vom 28. Juni 2010 im Internet Archive), abgerufen am 19. Juli 2018
  10. California Book Awards (Memento vom 31. Juli 2013 im Internet Archive)
  11. Etel Adnan Chevalier des Arts et des Lettres (Memento vom 25. September 2015 im Internet Archive) Agenda Culturel, 28. Januar 2014.
  12. Etel Adnan erhält Lichtwark-Preis (Memento vom 9. Juli 2021 im Internet Archive), deutschlandfunkkultur.de, erschienen und abgerufen am 7. Juli 2021.
  13. Etel Adnan bei documenta
  14. 100 days, 100 notes, 100 thoughts. (Memento des Originals vom 7. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dailystar.com.lb In: The Daily Star. Lebanon, 24. April 2012.
  15. Etel Adnan. Berge schreiben, 2014/15 im Museum der Moderne Salzburg
  16. Annabelle Hirsch: Das Leuchten der Zukunft. In: FAZ. 17. November 2014, S. 13.
  17. Etel Adnan. Peintures. (Memento vom 13. Januar 2015 im Internet Archive), Galerie Lelong, Paris 2015
  18. Etel Adnan. Lenbachhaus München, abgerufen am 12. November 2022.
  19. Etel Adnan. Poesie der Farben. Lenbachhaus & Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, abgerufen am 30. März 2023.
  20. Etel Adnan & Simone Fattal Voices without borders. Kindl, Berlin, 2023, abgerufen am 7. August 2023.