Friedrich Schorlemmer – Wikipedia

Friedrich Schorlemmer (während einer Lesung im September 2009)

Friedrich-Wilhelm Schorlemmer[1] (* 16. Mai 1944 in Wittenberge) ist ein deutscher evangelischer Theologe und Bürgerrechtler. Er war ein prominenter Protagonist der Opposition in der DDR und trat auch danach politisch in Erscheinung.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich Schorlemmer wurde als Sohn eines Pfarrers in Wittenberge (Prignitz) geboren und ist in Werben (Altmark) aufgewachsen. Aufgrund seiner Herkunft wurde ihm der Besuch der Erweiterten Oberschule verwehrt. Stattdessen erwarb er das Abitur an einer Volkshochschule und studierte danach von 1962 bis 1967 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Theologie. Von 1971 bis 1978 war er Studentenpfarrer in Merseburg, von 1978 bis 1992 lehrte er als Dozent am Evangelischen Predigerseminar und war Prediger an der Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg. Von 1992 bis 2007 war Schorlemmer Studienleiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt.

1968 beteiligte sich Schorlemmer an Aktionen gegen die neue Verfassung der DDR und die Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts. Von den 1970er Jahren an war er Mitglied der Friedens-, Menschenrechts- und Umweltbewegung.

Auf dem Kirchentag 1983 in Wittenberg fand auf dem Lutherhof unter seiner Verantwortung die symbolische Umschmiedung eines Schwerts zu einer Pflugschar in Anwesenheit von Richard von Weizsäcker statt. Die DDR-Behörden hatten vorher die öffentliche Benutzung des Slogans Schwerter zu Pflugscharen für illegal erklärt. Diese Aktion machte ihn international bekannt und wurde zu einem Hoffnungszeichen für die Friedensbewegung in der DDR. Stefan Nau, der Schmied, musste kurze Zeit später die DDR verlassen.[2]

Schorlemmer wirkte in Synoden der evangelischen Kirche in der DDR mit. 1988/1989 war er Berater der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR.

Schorlemmer spricht bei der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz

Friedrich Schorlemmer gehörte zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs „Für unser Land“ vom 26. November 1989.[3] Er war Mitbegründer der Partei Demokratischer Aufbruch (DA). Als der DA sich auf dem Parteitag am 16./17. Dezember 1989 politisch umorientierte und von linken Vorstellungen abwandte, trat Schorlemmer mit anderen Linken aus der Partei aus. Er wechselte zur Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) über. Nach deren Vereinigung mit der SPD am 26. September 1990 war Schorlemmer bis 1994 Fraktionsvorsitzender der SPD im Wittenberger Stadtparlament. Er gehörte zu den Gegnern des Einsatzes im Afghanistankrieg ab 2001 und des Irakkriegs 2003.

Schorlemmer ist Mitherausgeber der Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik und war zuvor Mitherausgeber der Wochenzeitung der Freitag. Schorlemmer ist Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission, Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland sowie Mitglied im Beirat der Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie. Seine politischen Prioritäten liegen weniger in der Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern mehr darin, auf die Gefahren der Globalisierung hinzuweisen. Er sprach sich gegen eine Ausgrenzung der PDS aus dem politischen Diskurs aus und unterzeichnete 1997 die Erfurter Erklärung,[4] die zu einem breiten Bündnis linker Parteien und Organisationen aufrief und auf Ausfüllung von Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes besteht, wonach Eigentum zugleich dem Gemeinwohl dienen muss. In einem Brief an Egon Krenz sprach er sich zum 9. Oktober 1999 für einen „juristischen Schlussstrich“ und „eine Amnestie für alle Straftaten“ aus, „die mit dem politischen System der DDR zu tun hatten“.[5]

Seit März 2009 ist Schorlemmer Mitglied im globalisierungs-kritischen Netzwerk Attac.[6] Die Alexanderplatz-Demonstration vom 4. November 1989 nannte er 2009 einen „Tag der Befreiung“.[7] 2010 war Schorlemmer eines der Gründungsmitglieder des Instituts Solidarische Moderne.[8]

Friedrich Schorlemmer wohnt in der Lutherstadt Wittenberg. Der am 4. Juli 2019 verstorbene Andreas Schorlemmer, Pfarrer in Groß Kiesow sowie Polizei- und Notfallseelsorger in Mecklenburg-Vorpommern, war sein jüngerer Bruder.[9]

Schorlemmer leidet nach eigenen Aussagen an Lewy-Körper-Demenz sowie Parkinson und tritt deswegen nicht mehr öffentlich auf.[10][11]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Träume und Alpträume. Berlin 1990 (Texte und Reden von 1982 bis 1990 aus der DDR).
  • Bis alle Mauern fallen. Berlin 1991. (Texte und Reden aus der DDR.)
  • Worte öffnen Fäuste. Die Rückkehr in ein schwieriges Vaterland. München 1992.
  • Freiheit als Einsicht – Bausteine für die Einheit. München 1993
  • Versöhnung in der Wahrheit – Vorschläge und Nachschläge eines Ostdeutschen. München 1992-
  • Zu seinem Wort stehen. Kindler Verlag, München 1994.
  • Das Buch der Werte – Wider die Orientierungslosigkeit unserer Zeit. Edition Stuttgart, VS Verlagshaus Stuttgart, 1995, o. ISBN, Buch Nr.: 032 / 016519.
  • Was ich denke. Goldmann Verlag, München 1995.
  • Einschärfungen zum Menschsein heute. Freiburg 1996.
  • Eisige Zeiten – Ein Pamphlet. Sammlung von aktuellen Texten und Reden. München 1996/1998.
  • Die Wende in Wittenberg – Persönlicher Rückblick. Drei Kastanien Verlag, 1997, ISBN 3-933028-01-9.
  • Zeitansagen. München 1999, ISBN 3-442-75540-9. (Sammlung von aktuellen Texten und Reden.)
  • Absturz in die Freiheit – Was uns die Demokratie abverlangt. Berlin 2000.
  • Nicht vom Brot allein. Leben in einer verletzbaren Welt. Berlin 2002.
  • Die Bibel für Eilige. 2003.
  • In der Freiheit bestehen. 2004.
  • Hier stehe ich, Martin Luther. 2003.
  • Den Frieden riskieren. Sätze und Grundsätze, Pamphlete und Predigten, Reden und Aussprüche aus zwanzig Jahren. Stuttgart 2003.
  • Einander achten – aufeinander achten. Jena 2004.
  • Gibt es Wahrheit im Plural? Frankfurt am Main 2005.
  • Lebenswege – Gespräche mit Zeitgenossen, von 1991–2006. Herausgegeben von Friedrich Schorlemmer. 6 Bände. Halle 1995–2006.
  • Lass es gut sein. Ermutigung zu einem gelingenden Leben. 2007.
  • Ich habe keinen Gott, aber Gott hat mich, Die Künstler und die Religion. Berlin 2007.
  • (als Herausgeber): Was protestantisch ist / Große Texte aus 500 Jahren. Freiburg i. B. 2008.
  • Wohl dem, der Heimat hat. Berlin 2009, ISBN 978-3-351-02679-0.
  • Albert Schweitzer. Genie der Menschlichkeit. Aufbau Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-335102712-4.
  • Die Wahrheit zu zweit, Eine Auswahl der besten Gespräche. Halle 2010.
  • Tritt fassen, 52 Wochensprüche. Freiburg 2010.
  • Da wird auch dein Herz sein, Engagiertes Christsein. Freiburg 2011.
  • Zorn und Zuwendung. (Co-Autor: Hans-Dieter Schütt) Berlin 2011, ISBN 978-3-360-02122-9.
  • Klar sehen und doch hoffen, Mein politisches Leben. Aufbau Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-351-02750-6.
  • Die Gier und das Glück. Wir zerstören, wonach wir uns sehnen. Herder, Freiburg im Breisgau 2014, ISBN 978-3-451-33515-0.
  • (mit Gregor Gysi) Was bleiben wird: Ein Gespräch über Herkunft und Zukunft. Aufbau Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-351-03599-0.
  • Luther : Leben und Wirkung. Aufbau Verlag, Berlin 2017, ISBN 3746632811.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Friedrich Schorlemmer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kuratorium, Website der Stiftung Friedliche Revolution, abgerufen am 18. September 2017.
  2. Skript eines SWR-Features
  3. Aufruf vom 26. November 1989 „Für unser Land“ Text mit den Namen der Erstunterzeichner (Memento vom 12. Oktober 2013 im Internet Archive)
  4. Erfurter Erklärung
  5. Barbara und Peter Gugisch: „Meine liebe! Sehr veehrter!“ 365 Briefe eines Jahrhunderts. Eine Sendereihe des Mitteldeutschen Rundfunks MDR Kultur. Rhino Verlag, Arnstadt / Weimar 1999, ISBN 978-3-93208136-1, S. 542.
  6. Attac-Pressemitteilung: Schorlemmer tritt Attac bei.
  7. S. 5
  8. ISM – Gründungsmitglieder. Abgerufen am 8. Juni 2016.
  9. Trauer um Andreas Schorlemmer.
  10. Willi Wild: Marathonläufer des Friedens. In Glaube und Heimat vom 17. April 2022, S. 5.
  11. Markus Ermert: Demenz: Friedrich Schorlemmer zieht sich zurück, insuedthueringen.de am 12. April 2022, abgerufen am 17. Juli 2023.
  12. https://web.archive.org/web/20130618171927/http://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media.php/1290/1993_schorlemmer.pdf
  13. Friedrich Schorlemmer erhält Ehrendoktorwürde der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina, in Informationsdienst Wissenschaft, (idw-online.de) vom 2. Oktober 2014.
  14. Kulturnachrichten. Friedrich Schorlemmer erhält Humboldt-Medaille. www.deutschlandradiokultur.de, 25. September 2014, abgerufen am 8. Juni 2016.
  15. Friedrich Schorlemmer wird Ehrenbürger von Wittenberg. In: Der Prignitzer 232/70, 6. Oktober 2015, S. 9.