Friedrich von Matthisson – Wikipedia

Friedrich von Matthisson, Gemälde von Christian Ferdinand Hartmann, 1794, Gleimhaus Halberstadt
Das Pfarrhaus in Hohendodeleben, Matthisons Geburtshaus
Gedenktafel am Geburtshaus
Grabstelle in Wörlitz

Friedrich von Matthisson (* 23. Januar 1761 in Hohendodeleben bei Magdeburg; † 12. März 1831 in Wörlitz bei Dessau) war ein deutscher Lyriker, Bibliothekar und Prosaschriftsteller.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sein Vater Johann Friedrich Matthisson war seit 1758 Pfarrer und starb wenige Wochen vor der im Pfarrhaus der Sankt-Peter-Kirche stattfindenden Geburt seines Sohnes Friedrich. Um 1770 hielt er sich länger bei seinem Großvater Pfarrer Matthias Matthisson in Cracau auf.[1] Ab 1770 fand Friedrich im Haus seines Onkels Aufnahme und besuchte mit ihm die literarische Mittwochsgesellschaft in Magdeburg. Ab 1773 besuchte er die Schule im Kloster Berge. 1778 wurde er Mitglied der Freimaurerloge „Zu den drei Kleeblättern“ in Magdeburg. 1778–1780 studierte er in Halle Theologie, Philologie und Literatur.

Seit 1781 arbeitete er als Lehrer am Philanthropin in Dessau, ging dann aber 1784 mit dem jungen Grafen Carl Gustav von Sievers aus Livland auf Reisen, u. a. nach Altona, Hamburg, Eutin, Heidelberg und Mannheim. Dabei lernte er Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Heinrich Voß und Matthias Claudius kennen. Nach zweijährigem Aufenthalt bei seinem Freund Karl Viktor von Bonstetten in Nyon am Genfersee nahm er 1790 die Stelle eines Erziehers bei einem reichen Kaufmann in Lyon an. 1794 wurde er zum Vorleser und Reisebegleiter der Fürstin Luise von Anhalt-Dessau berufen, bereiste mit ihr in den folgenden Jahren Italien, die Schweiz und Tirol. Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg ernannte ihn 1794 zum Hofrat. Matthisson hielt sich zu diesem Zeitpunkt für einige Monate wieder in Cracau, einem Ort seiner Jugendzeit, auf.[2] Markgraf Karl Friedrich von Baden ernannte ihn 1801 zum Legationsrat.

Von König Friedrich I. von Württemberg 1812 nach Stuttgart berufen, war er dort als Theaterintendant und Oberbibliothekar tätig, wurde geadelt, trat 1828 außer Dienst und zog sich 1829 nach Wörlitz zurück.

Matthisson wurde von seinen Zeitgenossen, u. a. auch von Friedrich Schiller, hoch geschätzt, nach seinem Tode aber bald weitgehend vergessen. An seinem Sturz hatten die Romantiker einigen Anteil. August Wilhelm Schlegel polemisierte gegen die viel gepriesene Lyrik Matthissons mit einem bösen Epigramm:

Stolz prangt mein Lied als Marmorgruppe,
und täuschet fern den Blick, als lebs.

August Thieme hingegen schrieb über ihn:

Auch sah ich Matthison. Im Stromgetose
Wallt er, mit offnem Haar und offnem Sinn,
Durch Klostertrümmer tief im Gräbermoose,
Und mit der Gems’ in Gletscherspiegeln hin;
Pflückt jetzt die Enzian’ und Alpenrose,
Lauscht dort dem Lied der Traubenleserin,
Und sehnt sich rührend aus dem Weltgewühle
Zum Veilchenthale seiner Knabenspiele.

Viele der Gedichte und Lieder Friedrich von Matthissons wurden von Ludwig van Beethoven und Franz Schubert vertont, z. B. Adelaide. Beethoven bedankte sich am 4. August 1800 bei Matthisson, „für das Seelige Vergnügen, was mir ihre poesie überhaupt immer machte und noch machen wird“.[3]

Ein Teilnachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach, ein weiterer in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau. Sein Grab befindet sich auf dem Christlichen Friedhof in Wörlitz.

Bedeutung Matthissons für Friedrich Hölderlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 27. Juni 1793 besuchte der Freimaurer Friedrich Matthisson zusammen mit Hölderlins Dichterfreunden Gotthold Friedrich Stäudlin und Christian Ludwig Neuffer, dem Verlobten von Stäudlins Schwester Rosine, das Evangelische Stift Tübingen.[4] Matthisson traf dort mit dem für die Französische Revolution schwärmenden Stiftler Friedrich Hölderlin zusammen.[5] Hölderlins Idol, der Jurist Gotthold Friedrich Stäudlin – „wahrhaft ein herrlicher Mann“[6] war er von dem jungen Dichter genannt worden –, hatte die Ehre, sich selbst im Stammbuch des Freimaurers zu verewigen:[7]

Du, mit der magischen Gewalt,
zu herrschen über Herzen, über Thränen,
der fühlt, so oft er singt, und fühlend uns mit Tönen
die Reize der Natur und Menschenwürde malt –
Leb wohl und küsse mir den Edeln,[8] dessen Lied
Wie deins, Begeisterung durchglüht.
            Stäudlin.
Tübingen
27. Jun[ii] 1793.

Hölderlin dachte in seinem Brief, den er aus der dritten Juliwoche des Jahres 1793 an Neuffer richtete, an jenes unvergessliche Zusammentreffen zurück:

„Ich schicke meinen Hymnus unsrem Stäudlin. Das zaubrische Licht, in dem ich in ansah, da ich mit ihm zu Ende war, u. noch mer, da ich ihn euch mitgeteilt hatte an dem unvergeßlichen Nachmittage, ist nun so ganz verschwunden, daß ich mich nur mit der Hoffnung eines baldigen bessern Gesangs über seine Mängel trösten kann. – Wie stehts dann eigentlich mit dem Journale? Hast Du schon an Matthison geschrieben? – Ich noch nicht. Hier mein Hesiod.“[9]

Der Hölderlinforscher Adolf Beck bringt dazu einen wichtigen Hinweis auf eine biographische Mitteilung von Hölderlins Freund Rudolf Friedrich Heinrich Magenau:

„Rudolf Magenau berichtet – wohl auf Grund von Hölderlins Erzählung bei dessen Besuch in Vaihingen [an der Enz] am 21. November 1793 – von dem ‚unvergeßlichen Nachmittage‘ in seinem Lebensabriß: ‚Mathison, wohl der liebenswürdigste von unsern Dichtern knüpfte zwischen sich u. H. ein enges Band. H. hatte ihm zu Tübingen im Beisein Neuffers u. Stäudlins eine Hymne an die Kühnheit .. vorgelesen, Mathison entglühte von sympathetischem Feuer, warf sich in H. Arme, u. der Bund der Frdschaft ward geschlossen.‘“[10]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedichte, Zürich 1815 (Titelseite)
  • Gedichte, Breslau 1787.
  • Friedrich Mathissons Gedichte. Herausgegeben von Joh. Heinr. Füßli. Vermehrte Auflage. Zürich. Bey Orell, Geßner, Füßli und Compagnie. 1792. (Digitalisat in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern)
  • Erinnerungen, Zürich 1810–16, 5 Bände
  • Gedichte von Friedrich von Matthisson - Erster und Zweiter Theil. 1815, Wien, Komm. Gräffer/Härter Verlag
  • Gedichte. Ausgabe letzter Hand, Zürich 1821.
  • Schriften. Ausgabe letzter Hand, Zürich 1825–1829, 8 Bände (Bd. 1: Gedichte, Bd. 2–8: Erinnerungen)

Neuere Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gedichte. Mit Einleitung und Anmerkungen hrsg. von Ernst Kelchner. Brockhaus, Leipzig 1874.
  • An den Abendstern. Gedichte, hrsg. von Christian Eger, Halle 2002, ISBN 3-89923-016-7.
  • Wörlitzer Blätter. Gedichte, Prosa, Briefe, hrsg. von Christian Eger, Halle 2005, ISBN 3-939335-01-0.
  • Das Stammbuch Friedrich von Matthissons. [Bonstettiana, Sonderband.]
    • [Teil 1.] [Faksimile des Stammbuchs.]
    • [Teil 2.] Transkription und Kommentar zum Faksimile. Hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Erich Wege, Doris und Peter Walser-Wilhelm sowie Christine Holliger in Zusammenarbeit mit Bonstettiana, Archiv und Edition sowie der Anhaltischen Landesbücherei Dessau. Wallstein-Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0002-6
    • Das in der Anhaltischen Landesbibliothek Dessau aufbewahrte Stammbuch enthält 336 handschriftliche und bildnerische Einträge vom 10. Oktober 1782 bis 28. Juni 1830 zu Persönlichkeiten der deutschen und schweizerischen Geistesgeschichte.[11]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Christian Eger: Friedrich von Matthisson. Ein Lebensbild aus Anlass seines 250. Geburtstages. In: Dessauer Kalender. 2011, ISSN 0420-1264, S. 2 ff.
  • Otto Fuhlrott: Matthisson, Friedrich von. In: Guido Heinrich, Gunter Schandera (Hrsg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert. Biographisches Lexikon für die Landeshauptstadt Magdeburg und die Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis und Schönebeck. Scriptum, Magdeburg 2002, ISBN 3-933046-49-1.
  • Wilhelm Hosäus: Matthisson, Friedrich von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 20, Duncker & Humblot, Leipzig 1884, S. 675–681.
  • Otto Hachtmann: Friedrich von Matthisson. In: Historische Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt (Hrsg.): Mitteldeutsche Lebensbilder. 3. Band Lebensbilder des 18. und 19. Jahrhunderts. Selbstverlag, Magdeburg 1928, S. 228–241.
  • Erdmut Jost, Christian Eger (Hrsg.): Friedrich von Matthisson (1761–1831). Dichter im Zeitalter der Freundschaft. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2014, ISBN 978-3-95462-022-7.
  • Herbert Meyer: Matthisson, Friedrich von. Dichter, Schriftsteller. 1761–1831. In: Hermann Haering / Otto Hohenstatt (Hrsg.): Schwäbischer Lebensbilder. Bd. 3. Kohlhammer, Stuttgart 1942, S. 394–405.
  • Werner Wilhelm Schnabel: Das Album als „Westminster=Abtey“. Beobachtungen am Stammbuch Friedrich Matthissons. In: Wilhelm Haefs (Hrsg.): Bücherwelten im Gartenreich Dessau-Wörlitz. Hannover 2009, S. 91–112.
  • Martin Wiehle: Magdeburger Persönlichkeiten. Hrsg. durch den Magistrat der Stadt Magdeburg, Dezernat Kultur. imPuls Verlag, Magdeburg 1993, ISBN 3-910146-06-6.
  • Martin Wiehle: Bördepersönlichkeiten. Biografisches Lexikon der Magdeburger Börde (= Beiträge zur Kulturgeschichte der Magdeburger Börde und ihrer Randgebiete. Bd. 6). Dr. ziethen verlag, Oschersleben 2001, ISBN 3-935358-20-2.
  • Julia Sedda: Friedrich von Matthisson und Luise Duttenhofer. Der Dichter und die Scherenschneiderin – eine Freundschaft. In: Schwäbische Heimat. Bd. 63 (2012), Nr. 1, S. 51–55 (https://doi.org/10.53458/sh.v63i1.2874).
  • Adalbert Elschenbroich: Matthisson, Friedrich von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, ISBN 3-428-00197-4, S. 414–416 (Digitalisat).
  • Andreas Bürgi: Matthisson, Friedrich von. In: Historisches Lexikon der Schweiz.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Friedrich von Matthisson – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Friedrich von Matthisson – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Willy Otto Riecke, Chronik Prester-Cracau, Selbstverlag, Magdeburg 1932, Seite 32
  2. Willy Otto Riecke, Chronik Prester-Cracau, Selbstverlag, Magdeburg 1932, Seite 32
  3. Ludwig van Beethoven: Briefwechsel. Gesamtausgabe, hrsg. von Sieghard Brandenburg, Band 1, München 1996, Nr. 47
  4. Vgl. dazu Reinhard Breymayer: Freimaurer vor den Toren des Tübinger Stifts. Masonischer Einfluss auf Hölderlin? In: Tubingensia: Impulse zur Stadt- und Universitätsgeschichte. Ostfildern 2008, S. 355–395, hier besonders S. 355 f.
  5. Vgl. Hölderlins Brief an Neuffer aus der dritten Juliwoche 1793. In: Hölderlins sämtliche Werke. Stuttgarter Ausgabe (St. A.), Band 6, 1, S. 85–88: Nr. 60, hier S. 88, 82–89; dazu den Kommentar von Adolf Beck. In: St. A., Band 6, 2, S. 620–627, hier S. 626 f., besonders S. 627, 6–23 zu Matthisson. Vgl. auch Beck, ebenda, S. 615, 13–16.
  6. Vgl. Gotthold Friedrich Stäudlin: Gotthold Friedrich Stäudlin. „… warlich ein herrlicher Mann …“ Lebensdokumente und Briefe, hrsg. von Werner Volke. Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft. 41, Stuttgart 1999. – Zur Familie Stäudlin vgl. ebenda, S. 94, 190, 325, 370, 421, 429 und 432.
  7. Siehe Stäudlins Eintrag unter Nr. 222 in: Das Stammbuch Friedrich von Matthissons (2007). [Teil 1], S. [271]; [Teil 2], S. 320; dazu die Erläuterungen zusammen mit denen zu Stäudlins früherem Eintrag Nr. 109: [Teil 2], S. 160–162.
  8. Gemeint ist Hölderlin, vgl. die Anmerkung a) der Herausgeber in: Stammbuch (2007), S. 320, Z. 13.
  9. Hölderlin in: St. A., Band 6, 1, S. 88, 82–87
  10. In: St. A., Band 6, 6, 2, S. 626, 22–28. Wie zwei Äußerungen Matthissons an Friedrich Haug aus dem Jahr 1805 zeigen (vgl. St. A., Band 7, 3, S. 555, Nr. 342 a; dazu Adolf Beck: „Erläuterungen“, ebenda, S. 556, 7–26), vermag Matthisson allerdings die reife Dichtung Hölderlins nicht mehr angemessen zu würdigen.
  11. Als zentrale Quelle wurde Matthissons Stammbuch in folgender Veröffentlichung ausgewertet: Reinhard Breymayer: Freimaurer vor den Toren des Tübinger Stifts: Masonischer Einfluss auf Hölderlin? In: Tubingensia: Impulse zur Stadt- und Universitätsgeschichte. Festschrift für Wilfried Setzler zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Sönke Lorenz und Volker [Karl] Schäfer in Verbindung mit dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen. Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte, 10, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2008, ISBN 978-3-7995-5510-4, S. 355–395.