Grüne Männchen – Wikipedia

Vor dem Flughafen Simferopol (Februar 2014)

„Grüne Männchen“ (russisch зелёные человечки; ukrainisch зелені чоловічки), in Russland als „Höfliche Menschen“ (russisch вежливые люди) bezeichnet, waren militärische Spezialkräfte der russischen Streitkräfte in grünen Uniformen ohne Hoheitszeichen, die zur Besetzung und Annexion der Krim eingesetzt wurden. Die Soldaten trugen grüne Ratnik-Uniformen, Sturmhauben und waren mit russischem Kriegsgerät ausgerüstet. Sie drangen als verdeckte Einheiten im Auftrag der Russischen Föderation auf der Krim ein, blockierten und besetzten Verwaltungsgebäude und ukrainische Kasernen und hinderten die ukrainischen Streitkräfte an Maßnahmen gegen die Besetzung der Krim, das Referendum über den Status der Krim und die Annexion der Krim 2014.

Operationen auf ukrainischem Staatsgebiet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor einer ukrainischen Kaserne (März 2014)
Soldaten in einem GAZ-2975 Tigr des russischen Heeres

Die ersten grün uniformierten Soldaten ohne Hoheitsabzeichen erschienen Ende Februar 2014 auf der Krim.[1] Sie trugen Ratnik-Kampfanzüge der russischen Infanterie.[2] Die Soldaten gehörten zum Teil der in Toljatti stationierten 3. Garde-Spezialaufklärungsbrigade an, die zuvor im Tschetschenien- und Georgienkrieg eingesetzt wurde, und dem 45. Garderegiment der Luftlandetruppen für besondere Aufgaben.[3][2] Auf der Krim stellten sie die Vorhut[4] und waren Teil von insgesamt 11.000 bis 30.000 Soldaten, die an der russischen Militärintervention in der Ukraine beteiligt waren.[2]

Im März 2014 besetzten die russischen Soldaten Verwaltungsgebäude, Polizeistationen, militärische Einrichtungen, Verkehrsknotenpunkte und den internationalen Flughafen Simferopol.[2][5] Sie übernahmen die Kontrolle über ukrainische Regierungseinrichtungen und besetzten am 27. Februar das Gebäude des Obersten Rats der Krim.[6][7] Aufgrund der Farbe ihrer Uniformen wurden sie als „grüne Männchen“ bezeichnet.[8] Diese Bezeichnung wurde erstmals von der Krim-Bevölkerung verwendet in Anspielung darauf, dass die Truppen scheinbar aus dem Nichts kamen.[9][3]

Die russischen Soldaten wurden seit Anfang April 2014 auch in der Ostukraine eingesetzt, vor allem in der Oblast Donezk und der Oblast Luhansk.[2][10] Sie gingen dabei nach denselben Mustern vor wie bei der Besetzung und Annexion der Krim im Februar und März 2014.[2] Im Donezbecken organisierten sie Gefolgsleute, die für ein Handgeld von bis zu 500 US-Dollar Angriffe auf ukrainische Einrichtungen ausführten.[4] Unterstützt wurden sie zudem durch russische Freiwillige und Soldaten des Bataillons Wostok aus Tschetschenien. Waffennachschub erfolgte über die lange und von der ukrainischen Armee praktisch nicht zu kontrollierende Grenze der beiden Bezirke zu Russland.[2]

Russische Herkunftsangaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Russland bestritt zunächst jede Verbindung zu den „grünen Männchen“ und bezeichnete anfangs die Soldaten als örtliche „Selbstverteidigungsgruppen“, die ihre Uniformen und Waffen in örtlichen Geschäften gekauft hätten.[6] Nach Berichten internationaler Medien waren die Truppen mit Waffen ausgerüstet, die von der russischen Armee verwendet werden, ihre Kraftfahrzeuge hatten russische Nummernschilder und die Männer sprachen in einem zentral-russischen Dialekt, der sich von der auf der Krim heimischen südrussischen Mundart unterscheidet.[3][11] Dafür, dass diese Gruppen russische Berufssoldaten waren, sprechen nach Otto Luchterhandt unter anderem die einheitlich russische und hochmoderne Uniformierung und Ausrüstung, die gut koordinierte militärische Führung der Verbände, die Großräumigkeit und Koordination der militärischen Aktionen, insbesondere die flächendeckende Einkesselung und Besetzung der ukrainischen Militärstandorte, sowie die Kaperung der ukrainischen Kriegsschiffe und die strikte Weigerung, Auskunft über Herkunft und Auftrag zu geben.[3] In einigen Fällen konnten GRU-Soldaten, die Fotos auf ihren sozialen Netzwerken eingestellt hatten und mit ihren Namensschildern nachlässig umgegangen waren, über Facebook identifiziert werden.[3]

Im März 2015 gab der russische General Igor Kassatonow in einem Interview mit RIA Novosti bekannt, dass die Soldaten der GRU Speznas angehörten.[12] Laut Kassatonow wurde der Einsatz von Spezialeinheiten des russischen militärischen Nachrichtendienstes GRU durch Täuschungs- und Verschleierungsmaßnahmen und Desinformation begleitet.[12][13] Die Schwarzmeerflotte habe die russische Machtübernahme auf der Krim ab dem 23. Februar ermöglicht. Offiziere seien in die Pläne eingeweiht gewesen und hätten militärische Stellungen auf der Krim für den Transport der russischen Soldaten vorbereitet. Militärgerät sei auf Schiffen aus Noworossijsk auf die Krim gebracht worden, und während des Transports sei Funkstille eingehalten worden. Die Truppenverlegung auf die Krim erfolgte nach Kassatonows Angaben über die Luft, in Katscha bei Sewastopol landeten sechs Helikopter und drei Il-76-Flugzeuge.[12]

In einer Fernsehfragestunde am 17. April 2014 räumte Präsident Putin auf die Frage, wer die „grünen Männchen“ auf der Krim waren, ein, dass es sich um russische Soldaten handelte, die auf der Krim eingesetzt wurden.[6][11][14]

Teil der hybriden Kriegsführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Einsatz der russischen Soldaten in der Ukraine hat eine verstärkte Debatte über hybride Kriegsführung angeregt.[15] Bei einem Hybridkrieg wird anstelle einer offenen militärischen Invasion eine Kombination aus geheimdienstlichen Operationen, Unterstützung von Aufständischen, Desinformation und anderen Methoden verwendet, um den Gegner anzugreifen. Entscheidend ist, dass der Aggressor diese Handlungen gegenüber der örtlichen und internationalen Gemeinschaft glaubhaft abstreitet.[16] Russlands anfängliche Leugnung einer Beteiligung schuf Verwirrung und sorgte dafür, dass die Ukraine und westliche Verbündete nicht vollständig sicher sein konnten, ob es sich um russische Truppen handelte. Diese als „Maskirowka“ bekannte Täuschungs- und Verschleierungsstrategie gab den russischen Truppen genug Zeit, um die Kontrolle über die Halbinsel zu übernehmen.[17] In Teilen der Ostukraine waren die Bedingungen für einen russischen Hybridkrieg besonders günstig: eine große militärische und nachrichtendienstliche Präsenz Russlands, Dominanz russischer Medien und Entfremdung der Bevölkerung von der neuen Regierung in Kiew. Auf der Krim und in der Ostukraine wurden die Elemente der hybriden Kriegsführung so erfolgreich eingesetzt, dass einige Menschen sogar nach Präsident Putins Eingeständnis glauben, die Soldaten seien örtliche Kräfte gewesen.[16]

Denkmal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Denkmal in Simferopol (2022)

Im Juni 2016 wurde im annektierten Simferopol ein Denkmal für die russischen Soldaten enthüllt.[18] Die Komposition bilden drei Skulpturen: ein Militärangehöriger (mit einer Höhe von 2,5 m), ein kleines Mädchen, das ihm einen Blumenstrauß reicht, sowie ein Kater als Symbol für ein friedliches, ruhiges Leben. Der Bildhauer ist Salawat Schtscherbakow.[19]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Niels Annen: Russia: Dealing with an awkward partner (PDF). Friedrich-Ebert-Stiftung, Juli 2015.
  2. a b c d e f g Hannes Adomeit: Russische Militärstrategie: Die Lehren der russischen Generäle. In: NZZ, 18. Juli 2014.
  3. a b c d e Otto Luchterhandt: Der Anschluss der Krim an Russland aus völkerrechtlicher Sicht. In: Archiv des Völkerrechts 52, Nr. 2, Juni 2014, S. 137–174.
  4. a b Josef Joffe: Der Krieg der kleinen grünen Männchen. In: Zeit Online, 17. April 2014.
  5. Stefanie Bolzen, Christoph B. Schiltz: Operation grüne Männchen. In: Welt Online, 31. Januar 2016.
  6. a b c Veronika Bílková: The Use of Force by the Russian Federation in Crimea (PDF). In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. 75, Nr. 1, 2015, S. 27–50.
  7. Als Putin die grünen Männchen rief. In: N-tv, 2. März 2015.
  8. Kleine grüne Männchen, ein Hybridkrieg und die Probleme der Nato. Welt Online, 25. Juni 2014; abgerufen am 19. Oktober 2016.
  9. Peter Hilpold: Ukraine, Crimea and New International Law: Balancing International Law with Arguments Drawn from History. In: Chinese Journal of International Law, 14, Nr. 2, 2015, S. 237–270.
  10. Iulian Chifu, Andreea Ibănescu: The frozen conflicts seem to melt down. In: Iulian Chifu, Simona Țuțuianu: Torn Between East and West: Europe’s Border States. Routledge, New York 2017, ISBN 978-1-4724-7579-4, S. 148.
  11. a b Antonello Tancredi: The Russian annexation of the Crimea: questions relating to the use of force (PDF; 268 kB). In: Questions in International Law. 1, 2014, S. 3–34.
  12. a b c Адмирал Касатонов: Севастополь готовится к базированию „Мистраля“ (Memento des Originals vom 25. Oktober 2016 im Internet Archive) In: RIA Novosti, 13. März 2015 
  13. Keir Giles: Russia’s ‘New’ Tools for Confronting the West: Continuity and Innovation in Moscow’s Execise of Power (Memento vom 8. November 2016 im Internet Archive). Chatham House, März 2016, S. 54.
  14. Putin und die Ukraine: „Auf der Krim standen auch unsere Truppen.“ In: Der Tagesspiegel, 17. April 2014, abgerufen am 19. Oktober 2016.
  15. Bastian Geigerisch: Hybrid Warfare and the Changing Character of Conflict (PDF; 509 kB). In: Connections: The Quarterly Journal. 15, Nr. 2, 2016, S. 65–72.
  16. a b Nico Popescu: Hybrid tactics: neither new nor only Russian. In: European Union Institute for Security Studies, Januar 2015.
  17. Mark Galeotti: Hybrid War and Little Green Men: How It Works and How It Doesn’t (Memento vom 27. November 2016 im Internet Archive). In: Agnieszka Pikulicka-Wilczewska, Richard Sakwa: Ukraine and Russia: People, Politics, Propaganda and Perspectives. E-International Relations, Bristol 2015, ISBN 978-1-910814-00-0, S. 156–164.
  18. «Вежливые люди» из бронзы появились в Симферополе. In: BBC, 11. Juni 2016, abgerufen am 19. Oktober 2016 (russisch).
  19. В Крыму открыли памятник „вежливым людям“. RIA Novosti, 11. Juni 2016.