Hubertine Auclert – Wikipedia

Hubertine Auclert, 1910

Hubertine Auclert (vollständiger Name Marie-Anne-Hubertine Auclert; * 10. April 1848 in Tilly[1] bei Saint-Priest-en-Murat im Département Allier in der Auvergne; † 4. August 1914 in Paris) war eine der ersten Aktivistinnen der französischen Frauenwahlrechtsbewegung und die erste Frau, die sich 1882 selbst als Feministin (französisch féministe) bezeichnete.[2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hubertine Auclert wuchs als fünftes von sieben Kindern in einem kleinbürgerlichen, ländlichen Milieu in Zentralfrankreich auf. Ihr Vater Jean-Baptiste Auclert war bis 1852 Gemeindepräsident des Ortes. Mit dreizehn Jahren wurde sie Halbwaise. Ihre Mutter schickte sie in ein Klosterinternat, das sie nach acht Jahren verließ.[1] Inspiriert von den Aktivistinnen der Pariser Commune wie Louise Michel und von der Sozialistin und feministischen Pionierin Jeanne Deroin (1805–1894) zog sie im Alter von 25 nach Paris, um an der wachsenden und nun legalen Frauenbewegung teilzunehmen.

Grab auf dem Friedhof Père-Lachaise

Vierzig Jahre lang bis zu ihrem Lebensende kämpfte sie für die Rechte der Frauen. Sie wohnte zeitlebens bescheiden in Armeleutevierteln von Paris. Das Erbe ihres Vaters ermöglichte ihr ein relativ unabhängiges Leben. 1888 heiratete sie einen langjährigen Freund, den Juristen Antonin Lévrier (1849–1892),[3] um mit ihm nach Algerien gehen zu können, wo sie bis zu seinem Tod lebten.

Hubertine Auclert ist auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris beigesetzt. Eine Skulptur auf ihrem Grab trägt die Inschrift „Le Suffrage des Femmes“ (dt. Das Frauenwahlrecht). Im 11. Pariser Arrondissement an der Rue de la Roquette, ihrem letzten Wohnort, wurde 2013 ein kleiner Platz nach ihr „Place Hubertine-Auclert“ benannt.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Originalausgabe
Originalausgabe

Auclert gründete 1876 in Paris den ersten Frauenstimmrechtsverein Frankreichs, die Société le Droit des Femmes, der 1883 in Société de Suffrage des Femmes umbenannt wurde, da dieser Name das zentrale Anliegen besser ausdrückte. Die Gruppe hatte das Motto „Keine Pflichten ohne Rechte, keine Rechte ohne Pflichten“.[4] Auclert propagierte ein Bündnis von Sozialismus und Feminismus. Sie vertrat eine antiklerikale Haltung. Nach ihrer Auffassung hätten Männer ihre „despotische Feigheit hinter der Eva-Legende versteckt“ und mithilfe ihres Priestermonopols die Frau für minderwertig erklärt.[5] 1881 gründete sie die Zeitung La Citoyenne,[6] die zwischen 1881 und 1891 das bevorzugte Sprachrohr der Frauenwahlrechtsbewegung in Frankreich war.[7] Auclert stand mit der amerikanischen Frauenrechtlerin Susan B. Anthony im regelmäßigen Austausch.[8]

Mit Artikeln sowie mit hunderten Petitionen und in öffentlichen Reden trat sie für die vollen Bürgerrechte von Frauen auf allen Gebieten ein, wie das Recht zu wählen, sich auszubilden, über eigenes Einkommen zu verfügen und sich scheiden zu lassen. In Diskussionen soll sie kampflustig und schlagfertig gewesen sein. Auclerts Methoden, um Aufmerksamkeit zu erregen, trafen bei der überwiegend konservativen Bevölkerung nicht auf Zustimmung. Unter anderem versuchte sie, bei standesamtlichen Trauungen auf das Unrecht aufmerksam zu machen, das Frauen angetan wurde, indem sie den Bräuten Vorträge über die Unzulänglichkeiten des Eherechts hielt.[9] Auclert richtete an die Abgeordnetenkammer eine Petition mit der Forderung, ihren Namen auf die Wählerliste bei ihrer Stadtverwaltung zu setzen und startete eine Protestaktion, bei der Frauen ihre Steuern so lange zurückhalten wollten, bis sie rechtlich den Männern gleichgestellt wären; doch all das schlug fehl.[9] Die Abgeordnetenkammer würdigte Auclerts Petition zwar keiner Antwort, aber die Eingabe war 1885 Anlass für eine Debatte. Der Staat versuchte, von Auclert die verweigerten Steuern mit Hilfe des Gerichtsvollziehers einzuziehen, und so erregte die Angelegenheit das Interesse der Presse.[9] 1904 unterbrach sie mit einer Gruppe Unterstützerinnen eine Sitzung der Abgeordnetenkammer und zerriss ein Exemplar des Code civil, um darauf aufmerksam zu machen, dass das Gesetzbuch seit 100 Jahren in Kraft war, das Frauenwahlrecht aber immer noch in den Sternen stünde.[10] Als am 3. Mai 1908 in Paris Kommunalwahlen stattfanden, bei der wieder nur Männer wählen durften, protestierte Hubertine Auclert, indem sie in einem Wahllokal eine Wahlurne umwarf und auf den Wahlzetteln herumtrat. Sie wurde verhaftet und die Presse berichtete über die aufsehenerregende Aktion.[11]

Vier Jahre, von 1888 bis 1892, lebte Hubertine Auclert in Algerien, damals französische Kolonie, wo ihr Ehemann als Friedensrichter arbeitete. Sie setzte sich für Mädchenschulen und die Abschaffung der Vielehe ein. In ihrem Buch Les Femmes arabes en Algérie (1900) beschrieb sie die doppelte Unterdrückung algerischer Frauen durch die Traditionen und den Kolonialismus.[12]

Den Erfolg ihres Kampfes für das Frauenwahlrecht erlebte Hubertine Auclert nicht mehr. Französinnen gestand man landesweit das Wahlrecht erst nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 zu.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • La Citoyenne (1881 bis 1891), Edition Syros 1982
  • Les femmes arabes en Algerie. 1900. (Reprint: Editions L’Harmattan, 2009, ISBN 978-2-296-10756-4)
  • Le Nom de la femme. Société du Livre à l’auteur, Paris 1905.
  • Le Vote Des Femmes. 1908. (Reprint: Kessinger Publishing, 2010, ISBN 978-1-166-74460-1)
  • Hubertine Auclert, pionnière du féminisme. Gesammelte Schriften, herausgegeben von Steven C. Hause, Vorwort von Geneviève Fraisse, Bleu autour, Saint-Pourçain-sur-Sioule 2007, ISBN 978-2-912019-62-2

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jean Rabaut: Hubertine Auclert. Das schwierige Bündnis zwischen Sozialismus und Feminismus. In: Marieluise Christadler (Hrsg.): Die geteilte Utopie. Sozialisten in Frankreich und Deutschland: biographische Vergleiche zur politischen Kultur, Leske und Budrich, Opladen 1985, ISBN 978-3-8100-0457-4, S. 55–64
  • Steven C. Hause: Hubertine Auclert: The French Suffragette. Yale University Press, 1987, ISBN 0-300-03845-3.
  • Joan Wallach Scott: The Rights of the "The Social": Hubertine Auclert and the Third Republic. In: dies.: Only Paradoxes to Offer: French Feminists and the Rights of Man. Harvard University Press, 1997, ISBN 0-674-63931-6, S. 90ff.
  • Geneviève Fraisse: Hubertine Auclert: Pionnière du féminisme. Editions Bleu autour, 2007, ISBN 978-2-912019-62-2.
  • Charles Sowerwine: Sisters or Citizens? Women and Socialism in France since 1876. Cambridge University Press, 2009, ISBN 978-0-521-08990-6 (teilweise einsehbar bei Google Books)
  • Christine Bard: Les Filles de Marianne: Histoire des féminismes. 1914–1940. Paris : Fayard, 1995

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Hubertine Auclert – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Biografie auf der Website des Centre Hubertine Auclert, Paris. (französisch)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Yannick Ripa: Femmes d'exception – les raisons de l'oubli: Hubertine Auclert, la première suffragette aux oubliettes de l'histoire. Éditions Le Chevalier Bleu, Paris 2018, ISBN 979-1-03180273-2, S. 113–122.
  2. Christiane Streubel: Radikale Nationalistinnen. Agitation und Programmatik rechter Frauen in der Weimarer Republik. Campus Verlag, Frankfurt 2006, ISBN 3-593-38210-5, S. 63. (Reihe Geschichte und Geschlechter, Band 55)
  3. Antonin Lévrier (1849-1892), in: BnF Data (Bibliothèque nationale de France)
  4. Charles Sowerwine: Sisters or Citizens? Women and Socialism in France since 1876. Cambridge University Press, 2009, ISBN 978-0-521-08990-6, S. 23 f.
  5. Jean Rabaut: Hubertine Auclert. Das schwierige Bündnis zwischen Sozialismus und Feminismus. In: Marieluise Christadler (Hrsg.): Die geteilte Utopie. Sozialisten in Frankreich und Deutschland: biographische Vergleiche zur politischen Kultur, Leske und Budrich, Opladen 1985, ISBN 978-3-8100-0457-4, S. 59
  6. Kirstin Olsen: Chronology of Women's History. Greenwood Publishing, 1994, ISBN 0-313-28803-8.
  7. James F. McMillan: France and Women. 1789-1914. Gender, Society and Politics. London, Routledge 2000, S. 189, zitiert nach: Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 294.
  8. Jean Rabaut: Hubertine Auclert. Das schwierige Bündnis zwischen Sozialismus und Feminismus. In: Marieluise Christadler (Hrsg.): Die geteilte Utopie. Sozialisten in Frankreich und Deutschland: biographische Vergleiche zur politischen Kultur, Leske und Budrich, Opladen 1985, ISBN 978-3-8100-0457-4, S. 61
  9. a b c Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 294.
  10. Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 295.
  11. Xaver Frühbeis: Hubertine Auclert wirft Wahlurne um, BR2, Das Kalenderblatt 3. Mai 1908
  12. Quelques mots sur Hubertine Auclert (1848 – 1914)