Initiative Schwarze Menschen in Deutschland – Wikipedia

Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund
(ISD)
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1986
Gründer May Ayim, John A. Kantara
Sitz Lausitzerstraße 10
10999 Berlin
Vorsitz Bafta Sarbo, Vivian Fogain, Raphael Dernbach, Anab Awale, Paul Arzten
Geschäftsführung Carla de Andrade Hurst
Beschäftigte 10
Mitglieder 250
Website isdonline.de

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V. (ISD) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin, der sich als Interessenvertretung Schwarzer Menschen in Deutschland versteht. Zusammen mit ADEFRA e. V. – Schwarze Frauen in Deutschland gehörte der Verein in den 1980er Jahren zu den ersten Organisationen der afrodeutschen Minderheit in Deutschland.[1][2]

Gründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1985 lud eine Gruppe Schwarzer Frauen um Christiana Ampedu, Helga Emde und Eleonore Wiedenroth-Coulibaly zum ersten Bundestreffen Schwarzer Deutscher nach Wiesbaden ein, das am 2. November stattfand und an dem zwischen 30 und 100 Schwarze Deutsche teilnahmen. Je nach Quelle wird die Gründung der ISD (anfangs: „Initiative Schwarze Deutsche“) auf das Treffen 1985 oder auf 1986 datiert.[3] Kurz vor dem Treffen in Wiesbaden war bereits das Buch Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, das Katharina Oguntoye, May Ayim und Dagmar Schultz herausgaben und in dem Schwarze Frauen „generationsübergreifend ihre Geschichte und Gegenwart in der deutschen Gesellschaft dokumentierten“,[4] veröffentlicht worden, das für die afrodeutsche Bewegung ebenfalls eine große Rolle spielte.[5] Esther Andradi schreibt in May Ayim. Radikale Dichterin, sanfte Rebellin dass Farbe bekennen zur Gründung des ISD beitrug.[6] Christel Priemers Dokumentation Deutsche sind weiß, Neger können keine Deutschen sein spielte wie auch die Besuche Audre Lordes in Berlin für die Organisation innerhalb der Schwarzen Bewegung eine größere Rolle.[3] Die Initiative entstand nahezu zeitgleich mit der Berliner Bewegung ADEFRA e. V. – Schwarze Frauen in Deutschland.[7][8] Nach dem bundesweiten Treffen in Wiesbaden gründeten sich die ersten Ortsgruppen, so eine Gruppe im Rhein-Main-Gebiet (1986), in Köln-Düsseldorf (1987/87) und in anderen westdeutschen Städten. Anfang 1987 hatte die Berliner Ortsgruppe etwa 50 Mitglieder, eine Mitgliederliste von 1988 zählt 96 Mitglieder. Die Gruppen war unabhängig und unterschiedlich organisiert, nahmen aber alle den Namen ISD an. Nach dem Fall der Mauer wurden auch in ostdeutschen Städten Gruppen gegründet.[3]

Der Verein hat nach eigenen Angaben mehr als 200 aktive Mitglieder.[9] Lokalgruppen bestehen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Main), Hamburg, Hanau, Hannover, Köln, Leipzig, der Region Mainz/Wiesbaden/Saarbrücken, München, Stuttgart und Thüringen.[9] Jeden Sommer findet ein Bundestreffen statt.

Finanzierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über das Förderprogramm Demokratie leben der Bundesregierung erhielt der Verein 2021 188.959,37 Euro, 2022 350.012,21 Euro, 2023 561.598,74 Euro und 2024 117.273,18 Euro vom Staat.[10][11]

Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, „rassistische Diskriminierung, Benachteiligung und Ausbeutung aufzuzeigen und zu bekämpfen, schwarzen Kindern und Jugendlichen Aktivitäten und Räume anzubieten, politische Projekte für Schwarze zu fördern und für eine antirassistische Haltung in allen gesellschaftlichen Bereichen“ einzutreten.[12] Die Initiative setzt sich für die Vernetzung Schwarzer Menschen und ihrer Organisationen ein und fördert diese.[13] Mit ihrer Arbeit möchte die ISD laut eigener Aussage „ein Verständnis von Intersektionalität, das Mehrfachdiskriminierungen wie Geschlecht, Klasse, Behinderung, sexuelle Orientierung oder religiöse Zugehörigkeit im Blick hat, die auch in der Community eine Rolle spielen“, vermitteln.[14]

Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit den 90er Jahren organisierten verschiedene Ortsgruppen, angeregt durch die Berliner Gruppe Feiern und Veranstaltungen zum Black History Month.[3] Der Verein gab anlässlich seines 30-jährigen Bestehens im Jahr 2015 beim Orlanda Verlag den Sammelband Spiegelblicke – Perspektiven Schwarzer Bewegung in Deutschland heraus.[15] Ferner kuratierte der Verein die Wanderausstellung „Homestory Deutschland“, die ab 2006 in verschiedenen afrikanischen Ländern gezeigt wurde, darunter im Senegal, Malawi, Südafrika und Uganda, und anschließend in deutschen Städten.[16] Sie wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung im Rahmen des Projekts Africom gefördert und 2018 im Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet.[17]

Die ISD repräsentiert die Interessen Schwarzer Menschen und unterstützt und fördert Netzwerke mit wissenschaftlicher Forschung über Schwarze Belange und rassismuskritische Bildungsarbeit. Sie bietet Anlaufstellen im Bereich Schule und professionelle Beratung zu Anti-Schwarzem Rassismus im Bereich Pädagogik/Schule an. Mit dem Kompetenznetzwerk, das von dem Verein Each One Teach One koordiniert wird, ist die ISD zusammen mit anderen Initiativen wie dem Zentralrat der afrikanischen Gemeinde in Deutschland e.V. vertreten.[18] Seit der Gründung 1986 wurden zahlreiche Empowerment-Veranstaltungen durchgeführt, Menschenrechtskampagnen organisiert sowie ein umfangreiches Netzwerk aus Partnerorganisationen aufgebaut.[9]

Ende 2012 reichte die ISD beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gegen die Praxis rassistischer Personenkontrollen (Racial Profiling), zu denen die Bundespolizei berechtigt ist, eine Petition ein, die von mehr als 13.000 Menschen gezeichnet wurde.[19]

ISD Hannover initiierte 2020 das Projekt „Power-Koffer“, um für Eltern, Erzieher und Kinder ein Angebot an Kinderbüchern und Spielmaterialien zu schaffen, „die eine vielfältige und rassismussensible Ausrichtung haben“. Nach Ansicht des Vereins beginnt vorurteilsbewusste Erziehung bereits im Kindergartenalter.[12]

In Zusammenarbeit mit dem Künstlerkollektiv Peng! entwickelte der Verein eine interaktive Karte (tearthisdown.com), die auf unterschwelligen Kolonialismus in Straßennamen und Denkmälern aufmerksam macht, zum Beispiel solche, die nach ehemaligen Kolonien benannt sind.[20] In Berlin bewirkte die Initiative in Zusammenarbeit mit den Berliner Grünen die Umbenennung einer Straße in Berlin nach Audre Lorde.[8]

Die ISD kritisierte den rassistischen Angriff gegen den Fußballspieler Aaron Opoku während des Drittliga-Spiels zwischen dem MSV Duisburg und dem VfL Osnabrück im Jahr 2021 und rief zum Kampf gegen Alltagsrassismus auf: „Der Vorfall macht auf drastische Art und Weise deutlich, wie sehr Rassismus noch immer fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist und wie sehr er den Alltag von schwarzen Menschen bestimmt.“[21]

Mediale Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wanderausstellung „Homestory Deutschland“, kuratiert von der ISD, die 2012 in Köln zu sehen war, wurde in der Deutschen Welle besprochen. Sie wolle vor allem deutlich machen, dass schwarze Menschen nicht nur in Deutschland leben, sondern dass sie auch Deutsche sind. Im Zentrum der Ausstellung stellte die „Wall of Fame“ Lebensgeschichten von 27 Schwarzen dar, die in den vergangenen 300 Jahren in Deutschland gelebt haben.[16] Die taz berichtete 2020 über die Ausstellung in Hamburg, die im Rahmen des „Black History Month“ zusammen mit der Fotoreihe „Schwarzes Hamburg“ und dem Video „Millis Erwachen“ über schwarze Künstlerinnen in Deutschland im Altonaer Museum gezeigt wurde.[22][23]

Unter dem Motto „Weil Sichtbarkeit das Wichtigste ist“ stellte die deutsche Vogue 2019 die ISD als eine der wichtigsten Anlaufstellen vor, die People of Color in Deutschland unterstützen. Der Verein stehe „für Gerechtigkeit in der Migrationsgesellschaft ein“.[24]

Bekannte Mitglieder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Homestory Deutschland. Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart (Ausstellungskatalog). Hrsg. von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und Bundeszentrale für Politische Bildung, 2006.
  • Nicola Lauré Al-Samarai, Nadine Golly, Sarah Bergh: Homestory Deutschland. Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart: der Jugendreader. Hrsg. von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, 2012.
  • Denise Bergold-Caldwell, Laura Digoh, Hadija Haruna-Oelker, Christelle Nkwendja-Ngnoubamdjum, Camilla Ridha, Eleonore Wiedenroth-Coulibaly: Spiegelblicke – Perspektiven Schwarzer Bewegung in Deutschland. Orlanda Frauenverlag 2016, ISBN 978-3-944666-23-5.
  • Ika Hügel-Marshall, Nivedita Prasad und Dagmar Schultz: May Ayim. Radikale Dichterin, sanfte Rebellin. Unrast Verlag, Münster 2021, ISBN 978-3-89771-094-8. (Anthologie mit Texten verschiedener Autorinnen und mit unveröffentlichten Gedichten und Texten von May Ayim)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sascha Zinflou: Schwarze Organisierung in Deutschland. Geschichte und Politik der Initiative Schwarze Deutsche. In: Marianne Bechhaus-Gerst; Reinhard Klein-Arendt: AfrikanerInnen in Deutschland und schwarze Deutsche. Geschichte und Gegenwart. Beiträge zur gleichnamigen Konferenz vom 13.–15. Juni 2003 im NS-Dokumentationszentrum (EL-DE-Haus) Köln. LIT Verlag, Münster 2004, ISBN 978-3-8258-6824-6, S. 227 ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Annette Mbombi: Schwarze Deutsche und ihre sozialen Identitäten. Eine empirische Studie zur Lebensrealität von Afrodeutschen und deren Bedeutung für die Entwicklung einer schwarzen und einer deutschen Identität, Cuvillier Verlag, München 2011, ISBN 978-3-86955-602-4, S. 111
  2. Sara Lennox: Introduction. In: Sara Lennox (Hrsg.): Remapping Black Germany : New Perspectives on Afro-German History, Politics, and Culture. University of Massachusetts Press, Boston 2016, ISBN 978-1-61376-465-7, S. 1–32, hier: S. 7.
  3. a b c d Tiffany Nicole Florvil: Mobilizing Black Germany : Afro-German women and the making of a transnational movement. Urbana 2020, ISBN 0-252-05239-0, hier insb. Kapitel 2.
  4. Laura Freisberg: Mit „Farbe bekennen“ machten May Ayim und Katharina Oguntoye die Lebensrealität afrodeutscher Frauen zum Thema. In: Bayern-2-Sendung „Zündfunk“. 21. April 2020, abgerufen am 2. April 2024.
  5. Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). (mp4-Video; 28 MB; 5:11 Minuten) In: bpb.de. 21. August 2014, abgerufen am 2. April 2024.
  6. Esther Andradi: Berlin Blues May Ayims Poesie auf Spanisch In: Ika Hügel-Marshall, Nivedita Prasad, Dagmar Schultz: May Ayim. Radikale Dichterin, sanfte Rebellin. Unrast Verlag, Münster 2021. ISBN 978-3-89771-094-8, S. 286.
  7. Maria Höhn, Martin Klimke: Ein Hauch von Freiheit? Afroamerikanische Soldaten, die US-Bürgerrechtsbewegung und Deutschland. transcript Verlag, 2016, ISBN 978-3-8394-3492-5, S. 309.
  8. a b Charly Wilder: Audre Lorde’s Berlin. In: nytimes.com. 19. Juli 2019, archiviert vom Original am 29. Februar 2024; abgerufen am 2. April 2024 (englisch).
  9. a b c Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V. In: HelpDirect.org. Abgerufen am 2. April 2024.
  10. "Projekte & Expertise: Projekte finden: Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund)" demokratie-leben.de, gesichtet am 10. März 2024
  11. [https://www.focus.de/politik/deutschland/wir-haben-vieles-durchgewunken-182-millionen-fliessen-in-gruenes-anti-rechts-programm-jetzt-packt-insiderin-aus_id_259813999.html Hubertus Knabe
    "182 Millionen fließen in grünes Anti-Rechts-Programm - jetzt packt Insiderin aus"] Focus.de vom 1. April 2024
  12. a b Projekt „Power-Koffer“: Wie ein kleiner Koffer für weniger Rassismus sorgen soll. In: Stern. 26/2020, 20. Juni 2020, abgerufen am 2. April 2024.
  13. Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. In: Deutsch-Plus.de. 6. Mai 2016, abgerufen am 22. Februar 2022.
  14. Über uns. In: isdonline.de. Abgerufen am 22. Februar 2022.
  15. Jean Pierre Ziegler, Michael Götting, Roy Adoma: Wie Schwarze Menschen in Deutschland leben. Vier Geschichten von 1925 bis heute. In: Vice. 15. Februar 2015, abgerufen am 2. April 2024.
  16. a b Helen Whittle: Homestory Deutschland. In: Deutsche Welle. 13. November 2012, abgerufen am 2. April 2024.
  17. Homestory Deutschland. In: buendnis-toleranz.de. Archiviert vom Original am 22. Februar 2022; abgerufen am 2. April 2024.
  18. Kompetenznetzwerk im Themenfeld Rassismus gegen Schwarze Menschen. Abgerufen am 2. April 2024.
  19. Henrik Cremer: Racial Profiling: Eine menschenrechtswidrige Praxis am Beispiel anlassloser Personenkontrollen. In: Karim Fereidooni, Meral El (Hrsg.): Rassismuskritik und Widerstandsformen, Springer VS, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-14720-4, S. 406.
  20. Martin Zeyn: Meinung: Wir brauchen noch viel mehr Umbenennungen! In: BR KulturBühne. 16. August 2021, archiviert vom Original am 2. Juli 2020; abgerufen am 2. April 2024.
  21. Fußball: Initiative Schwarze Menschen: Rassismus konsequent bekämpfen. In: Zeit Online. 21. Dezember 2021, abgerufen am 22. Februar 2022.
  22. Petra Schellen: Ausstellung zu Schwarzen in Deutschland: Das Stigma ist geblieben. In: taz.de. 12. Februar 2020, abgerufen am 2. April 2024.
  23. Kolja Unger: Black History Month – Empowerment in Deutschland: Tahir Della im Gespräch. (mp3-Audio; 4,2 MB; 4:37 Minuten) In: Deutschlandfunk-Sendung „Corso“. 6. Februar 2020, abgerufen am 2. April 2024 (Zusammenfassung).
  24. Kemi Fatoba: Das sind die wichtigsten Anlaufstellen für People of Color in Deutschland. In: Vogue.de. 27. Mai 2019, abgerufen am 2. April 2024.
  25. Alexander Isele: Nichtbetroffene bestimmen, was Rassismus ist. Tahir Della im Gespräch über Racial Profiling und die alltägliche strukturelle Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. In: neues-deutschland.de. 5. Januar 2017, abgerufen am 10. April 2024.