Joseph Zoderer – Wikipedia

Joseph Zoderer (* 25. November 1935 in Meran; † 1. Juni 2022 in Bruneck; Pseudonyme: Valentin Tichtl, Franz Arthur, Joseph Valentin, Rainer Son) war ein italienischer Schriftsteller deutscher Muttersprache aus Südtirol. Sein Werk ist geprägt durch die Reflexion über subjektive und Gruppenidentität im Zusammenhang mit Kulturkontakt.

Joseph Zoderer (2015)

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine ersten Lebensjahre verbrachte Zoderer in Südtirol. Im Zuge der Option in Südtirol zog die Familie 1940 nach Graz, wo Joseph Zoderer seine Kindheit erlebte. 1948 wurde er Schüler am Gymnasium in Widnau (Schweiz).

Als seine Familie 1949 in die Heimat zurückkehrte, begleitete Zoderer sie zunächst nicht. Bevor er nach Südtirol zurückzog, besuchte er das Widnauer Gymnasium weitere drei Jahre. Dann folgten Aufenthalte in verschiedenen Oberschulen. Schließlich maturierte Zoderer 1957 in Meran.

Von 1957 bis 1963 studierte Zoderer Jura, Philosophie, Theaterwissenschaften und Psychologie an der Universität in Wien, brach diese Studien jedoch ab. Zeitgleich war er als Journalist für den Kurier, die Kronen Zeitung und Die Presse tätig. Ende der 1950er Jahre erschienen erste Lyrik- und Kurzprosaveröffentlichungen Zoderers. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wurde dem Südtiroler erstmals 1974 durch eine Sammlung sozialkritischer Dialektdichtung zuteil.

Sein offizielles Debüt als Romanautor feierte er 1976 mit Das Glück beim Händewaschen, obwohl nach Angaben Zoderers Der andere Hügel (1995 veröffentlicht) sein erster Roman war[1]. Nach der Teilnahme an den Österreichischen Jugendkulturwochen 1965 und 1969 begann Zoderer sich verstärkt literarisch zu betätigen. 1970 bereiste er Kanada, die USA und Mexiko. 1971 wurde Zoderer Rundfunkredakteur beim Rai Sender Bozen, bevor er sich 1981 für ein Leben als freier Schriftsteller entschied.

1975 nahm er an den Rauriser Literaturtagen, 1981 beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt teil. Von 1981 bis 1982 war Zoderer mitbegründendes Mitglied der Südtiroler Autorenvereinigung, seither gehörte er der Grazer Autorenversammlung an. Außerdem war der Südtiroler Schriftsteller ab 1987 Ordentliches Mitglied der Accademia Roveretana degli Agiati und ab 1993 korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.

Joseph Zoderer lebte jahrelang in Terenten im Pustertal[2] und war zuletzt in Bruneck wohnhaft.[3] Er starb am 1. Juni 2022 den Angaben zufolge an den Folgen eines Haushaltsunfalls.[4]

Zoderer war seit 1972 mit der Malerin und Architektin Sandra Morello verheiratet.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zoderers literarisches Werk umfasst Prosa (Romane, Erzählungen) sowie Lyrik; es erstreckt sich über sechs Jahrzehnte und wurde vielfach ausgezeichnet.[5] Insgesamt wurden zu seinen Lebzeiten drei Erzählbände, fünf Gedichtbände und neun Romane veröffentlicht. Außerdem erschien 1996 das Kinderbuch Als Anja dem Christkind entgegenging, illustriert von Linda Wolfsgruber.

Der Autor, der sich selbst als „deutscher Autor mit österreichischer kultureller Prägung und italienischem Pass“ bezeichnete, widmete sich immer wieder der „Südtirolthematik“, einem Leben zwischen zwei Kulturen, das fast zwingend eine Identitätskrise nach sich zieht. Auch Zoderers bekanntester Roman Die Walsche, der in Italien den Status eines Bestsellers erreichte, setzt sich mit dieser Thematik auseinander, wobei speziell in diesem Werk die starren kulturellen Grenzen und die Unwilligkeit der Menschen, sich Fremder geistig anzunehmen, als Kritikpunkte dienen. Seit dem Erscheinen dieses Romans 1982 galt Zoderer als einer der bedeutendsten Autoren Südtirols; seine Bücher wurden ins Italienische, Französische, Slowenische, Chinesische, Russische und Japanische übersetzt. Die Romane Das Glück beim Händewaschen und Die Walsche wurden außerdem erfolgreich fürs Fernsehen verfilmt, Die Walsche ebenso erfolgreich als Theaterstück adaptiert.

Allgemein charakteristisch für das umfangreiche Prosawerk war die Tatsache, dass viele stoffliche Elemente der Texte Parallelen zu Zoderers Biographie aufweisen. Häufig behandelte er Themen wie Nachkriegszeit, Fremde, Südtirol und das Leben im Internat.

2007 erwarb das Land Südtirol Zoderers Vorlass für 250.000 Euro.[6] Die Materialien wurden daraufhin dem Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck zur Verwahrung anvertraut.[7] Seit 2015 erscheint eine Ausgabe der Gesammelten Werke Zoderers im Haymon Verlag, Innsbruck. Herausgeber sind Johann Holzner und das Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck.[8] Bislang erschienen, mit Material aus dem Vorlass des Autors angereicherten Einzelbänden: Das Schildkrötenfest (2015), Dauerhaftes Morgenrot (2015), Die Walsche (2016), Lontano (2017) und Der Schmerz der Gewöhnung (2020).[9]

Ende 2020 ging zum 85. Geburtstag von Joseph Zoderer „eine umfassende Datenbank“[10] online.

Preise, Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ruth Esterhammer: Joseph Zoderer im Spiegel der Literaturkritik. (= Innsbrucker Studien zur Alltagsrezeption. Band 2). LIT, Wien/Berlin/Münster 2006, ISBN 3-8258-8959-9 (Inhaltsverzeichnis).
  • Heinz-Rudolf Arnold u. a. (Hrsg.): Joseph Zoderer. edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag, München 2010 (Text und Kritik; 188), ISSN 0040-5329.
  • Günther A. Höfer und Sigurd Paul Scheichl (Hrsg.): Joseph Zoderer. Droschl, Graz/Wien 2010. (= Dossier. Band 29). ISBN 978-3-85420-776-4 (Inhaltsverzeichnis).
  • Giuditta Pedrazzoli: Joseph Zoderer. Die Rezeption in Italien. VDM Verlag Dr. Müller, Innsbruck 2010, ISBN 978-3-639-30081-9.
  • Bernhard Arnold Kruse: Wider den Nationalismus – oder von den Schwierigkeiten eines interkulturellen Lebens. Zu den Südtirolromanen von Joseph Zoderer. Aisthesis, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-89528-969-9 (Inhaltsverzeichnis).
  • Sieglinde Klettenhammer und Erika Wimmer (Hrsg.): Joseph Zoderer. Neue Perspektiven auf sein Werk. (= Edition Brenner-Forum. Band 13). StudienVerlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2017, ISBN 978-3-7065-5580-7 (Inhaltsverzeichnis).
  • Franco Bernard: Die literarische Tätigkeit Joseph Zoderers im Spiegel der Presse. Dissertation, Universität Padua 1981/82.
  • Verena Zankl / Irene Zanol (Hrsg.): Joseph Zoderer. Werk und Leben. Studien Verlag, Innsbruck 2022 (Edition Brenner-Forum; 18). ISBN 978-3-7065-5698-9.
Lexikoneinträge

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1.  Beatrice Simonsen: Joseph Zoderer (Interview). In: literaturhaus.at. September 2005, abgerufen am 25. Mai 2015.
  2. Hans Christian Kosler: Der Wächter der Eidechse. Der Südtiroler Joseph Zoderer arbeitet auf dem Berg am Wort. nzz.ch, 2. Mai 2001, abgerufen am 25. Mai 2015.
  3. Peter Pisa: Die Sehnsucht nach der Liebe könnte die Erfüllung sein. kurier.at, 6. Juni 2015;.
  4. Lutto in Alto Adige, è morto lo scrittore Joseph Zoderer. In: altoadige.it. 1. Juni 2022, abgerufen am 2. Juni 2022 (italienisch).
  5. Joseph Zoderer: Joseph Zoderer gestorben. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 26. Juni 2022]).
  6. Land Südtirol im Besitz des Vorlasses von Joseph Zoderer (Pressemitteilung).
  7. Information zum Vorlass Joseph Zoderers im Brenner-Archiv, Innsbruck.
  8. Präsentation des ersten Bandes der Werkausgabe Joseph Zoderers. In: uibk.ac.at. 9. April 2015, abgerufen am 22. Mai 2015.
  9. Joseph Zoderer. Haymon Verlag, abgerufen am 24. Oktober 2021.
  10. Ein umfassendes Werk. Seit vielen Jahren wird das Werk des Autors Joseph Zoderer an der Universität Innsbruck beforscht. Zum 85. Geburtstag des Autors ging Ende vergangenen Jahres eine umfassende Datenbank dazu online. In: uibk.ac.at. Universität Innsbruck, 19. Januar 2021, abgerufen am 24. Oktober 2021.
  11. Pressemitteilung der Uni Innsbruck (abgerufen am 3. November 2008).
  12. Lisa Maria Gasser: Grenzgänger als Ehrenbürger. salto.bz, 23. Oktober 2015, abgerufen am 20. April 2018.
  13. Amt der Tiroler Landesregierung: LH Platter dankt zwölf Persönlichkeiten: „Sie haben Tirol vorangebracht!“ Abgerufen am 21. Februar 2022.
  14. a b c Henning Klüver: Ein Erzähler aus Südtirol: Trilogie der Entfremdung. Joseph Zoderer und sein Romanwerk. In: zeit.de. 5. April 1985, abgerufen am 19. Dezember 2014.
  15. a b c Bernhard Arnold Kruse: Literarische Arbeit an Identitätsproblemen in Europa am Beispiel von Literatur aus Südtirol. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Nr. 17. März 2010, abgerufen am 18. August 2015.
  16. Beatrice von Matt: Der Fremdheit habhaft werden. Joseph Zoderers Roman „Der Schmerz der Gewöhnung“. In: nzz.ch. 2. März 2002, abgerufen am 19. Dezember 2014.
  17. Holger Dauer: Das Glück des kopfwehbewussten Unglücklichseins. Joseph Zoderers Roman „Der Schmerz der Gewöhnung“. In: tour-literatur.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Mai 2015; abgerufen am 22. Mai 2015.
  18. Südtiroler Grenzgänger, Rezension zu „Liebe auf den Kopf gestellt“. In: Deutschlandfunk, 11. Dezember 2007
  19. Beatrice von Matt: Die Messer der Sehnsucht. „Die Farben der Grausamkeit“ – Joseph Zoderers neuer Roman über Verführung und Geborgenheit. In: nzz.ch. 22. März 2011, abgerufen am 25. Mai 2015.