Kloster St-Léonard-des-Chaumes – Wikipedia

Zisterzienserabtei St-Léonard-des-Chaumes
Lage Frankreich Frankreich
Region Nouvelle-Aquitaine
Département Charente-Maritime
Koordinaten: 46° 10′ 12,1″ N, 1° 4′ 27,4″ WKoordinaten: 46° 10′ 12,1″ N, 1° 4′ 27,4″ W
Ordnungsnummer
nach Janauschek
400
Gründungsjahr 1036? durch Benediktiner?
zisterziensisch seit 1168
Jahr der Auflösung/
Aufhebung
1791
Mutterkloster Kloster Bœuil
Primarabtei Kloster Pontigny

Tochterklöster

keine

Saint-Léonard-des-Chaumes (lat. Sanctus Leonardus de Calmis, von afr. chaume, lat. calma, „Heide“, „Brachland“) war eine Zisterzienserabtei rund sieben Kilometer östlich von La Rochelle im heutigen Gebiet der Gemeinde Dompierre-sur-Mer im Département Charente-Maritime, Region Nouvelle-Aquitaine, Frankreich.

Über die Gründung des Klosters haben sich keine Dokumente erhalten. Nach Jean Besly (1572–1644) wurde es bereits 1036 von Odo von Aquitanien gegründet.[1] Nach einer anderen Tradition, die jedoch aus chronologischen Gründen ausscheidet, soll erst Otto von Braunschweig, seit 1196 Graf von Poitou und Herzog von Aquitanien, der Gründer gewesen sein.[2] Einer dritten Tradition zufolge, die auf eine Erklärung der Mönche von 1497 zurückgeht, sollen die Herren von Dompierre Gründer und Schutzherren des Klosters gewesen sein.[3][4]

1168 schloss sich das Kloster jedenfalls dem Zisterzienserorden an, indem es sich dem Kloster Bœuil unterstellte.[5] Kloster Bœuil gehörte selbst über sein Mutterkloster Dalon der Filiation der Primarabtei Pontigny an.

Trockenlegung der Marais

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Klöster, die auf den Inseln oder, wie St-Léonard, am Rand der Feucht- und Marschgebiete (frz. Marais) des Sèvre-Beckens angesiedelt waren, spielten im Mittelalter, zum Teil schon seit dem 11. Jahrhundert, eine führende Rolle bei der Trockenlegung und Nutzbarmachung dieser Gebiete durch Entwässerungs- und Deichanlagen.[6] Nachdem Geoffroi Ostorius, Herr von Marans, 1192 den drei Klöstern La Grâce-Dieu, La Grâce-Notre Dame de Charron und St Léonard den Marais des Alouettes zur Trockenlegung und Nutzung überlassen hatte, beteiligte sich auch St-Léonard daran, zum Schutz gegen Überflutung dieses Gebietes eine Art Deich, den später (belegt seit 1273) so genannten Bot de l'Alouette, anzulegen.[7] Im Verbund mit den Templern von Bernay (Île de Marans) beteiligte St Léonard sich außerdem an der Trockenlegung des Marais de la Brune, durch Errichtung des mit einem Kanal verbundenen Bot de l'Angle (belegt 1246), der nach 1249 noch mit dem Bot de Brie zusammengeführt wurde.[8] 1270 schloss St Léonard einen Bund mit den Benediktinern von Saint-Michel-en-l’Herm und von Maillezais und den Templern von La Rochelle, um weitere Maßnahmen durchzuführen, darunter einen später Vielles Brunes genannten Kanal von der Brücke von La Brune bis zu einem Ort namens Port des Pècheurs[9].

Während der Hugenottenkriege wurden die Klostergebäude 1568 nahezu vollständig zerstört, bis auf Teile des Refektoriums, die zu einer Kapelle umgebaut wurden.[10]

Die Abtei wurde außerdem umgewandelt in eine Kommende der französischen Krone. Der Abt einer solchen Kommende wurde vom König ernannt und vom Papst bestätigt, und die Einkünfte wurden zu dem Anspruch nach gleichen, in der Realität oft ungleichen Teilen in der Weise gedrittelt, dass ein Teil dem Abt als Inhaber der Kommende zustand, ein zweiter Teil der Klostergemeinschaft unter Führung eines Priors und ein dritter Teil für die allgemeinen Ausgaben vorgesehen war.[11]

Der erste namentlich bekannte Empfänger der Kommende St Léonard war, wie es in der Diözese Saintes häufiger vorkam, ein Protestant: Gabriel de Lamet, Seigneur de Coudon et de Cheusse, Schöffe von La Rochelle, wurde am 22. Februar 1583 mit königlichem Brevet ernannt und behielt die Kommende bis 1609,[12] gefolgt von Paul Hurault de l'Hôpital, Erzbischof von Aix (1599–1624), der sie seinerseits 1610 Vincent de Paul überließ. In dem am 14. Mai 1610 geschlossenen Vertrag mit seinem Vorgänger musste Vincent sich verpflichten, diesem zur Abgeltung eine jährliche Pension von 1.200 Livres zu zahlen, was einem Drittel der Gesamteinkünfte entsprach.[13] Am 17. Mai unterzeichnete Hurault seinen Verzicht[14], am 10. Juni folgte die Ernennung durch den Dauphin[15] und im September die Bestätigung durch Paul V.[16] Bei der amtlichen Inbesitznahme am 16. Oktober fand er dann eine desolate Lage und die Klosteranlage in Trümmern vor, außerdem rechtliche Konflikte, die ihn in der Folgezeit mit Prozessen beschäftigten.[17] Er führte zwar den Titel eines Abbé commendataire, wohnte jedoch in Paris und übernahm als Pfarrer von Clichy und Erzieher im Haus der Gondi andere Aufgaben. Am 29. Oktober 1616 unterzeichnete er den Verzicht auf seine Kommende.[18]

Um 1650 trat das Kloster dem reformierten Zweig des Ordens bei, der als erste Äbte aus dem Umkreis von Charles Bourgeois zunächst Denis de Chastillon und dann Claude Petit einsetzte.[19] Das Kloster zählte um diese Zeit allerdings nur noch drei Mönche.[20] 1663 sind Arbeiten zur baulichen Wiederherstellung bezeugt, und als Jacques Boyer kurz vor 1714 das Kloster besuchte, fand er einen „angenehmen Klosterbezirk“ und eine „adrette Kirche“ vor.[21]

Die wirtschaftliche Lage ist besonders für die 1720er-Jahre dokumentiert. Das Kloster bestand zu dieser Zeit aus „Kapelle, Gebäuden, Gemäuern, Hof, Garten und Vorbezirk (préclauture)“, außerdem einer angrenzenden Weide und einem Stück Brachland, insgesamt ungefähr fünf Hufen Nutzfläche zur Verfügung der Gemeinschaft.[22] Die Einkünfte aus Abgaben, Verpachtungen und anderen Rechtstiteln ergaben 1723 ohne Naturalleistungen einen Gesamtertrag von rund 1.860 Livres, denen Verpflichtungen in Höhe von 1.913 Livres gegenüberstanden.[23] Der Gesamtertrag muss dennoch höher gewesen sein, denn aus einer Beschwerde der Mönche von 1726 ergibt sich, dass zu dieser Zeit 2.863 L. zu verteilen waren: nach einer schon 1663 festgelegten Teilung standen hiervon dem Abt 1.175 L. zu, den Mönchen 631 L., während 1.057 L. vom Abt für allgemeine Ausgaben zu verwenden waren, von denen er jedoch 300 L. den Mönchen für die Zahlung solcher Ausgaben überließ, 206 L. für Abgaben verwendete und den Rest von 551 L. für sich behielt.[24]

In der Französischen Revolution wurde das Kloster 1791 ein weiteres Mal und diesmal vollständig zerstört, die Gemeinschaft aufgelöst und der letzte Abt zum Treueid auf die Revolution genötigt.

Bauten und Anlage

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von den Gebäuden des Klosters ist nichts mehr erhalten,[25] auch detaillierte Beschreibungen oder zeitgenössische Abbildungen scheinen nicht bekannt geworden zu sein. Auf dem Gebiet der ehemaligen Klosteranlage befindet sich heute als Ortsteil von Dompierre der Weiler L'Abbaye, der mit seinem Namen noch an die frühere Abtei erinnert.

Bekannte Personen aus der Geschichte des Klosters

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Gausbert de Poicibot, Trobador (um 1210–1230), war in seiner Jugend zunächst Mönch von St Léonard und trat dann um einer Frau willen („per voluntat de femna“) aus dem Kloster aus, um als Joglar am Hof von Savaric de Mauléon sein Glück zu suchen.[26]
  • Vinzenz von Paul, Kommendatarabt 1610–1616

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Jean Besly: Histoire des comtes de Poictu et ducs de Guyenne, Paris/Niort 1840, S. 140f.
  2. Leopold Janauschek: Originum Cisterciensium Tomus I, Wien 1877, S. 156f., Nr. CCCC
  3. Louis-Étienne Arcère: Histoire de la ville de La Rochelle et du pays d'Aulnis, Band II, La Rochelle 1757, S. 656f., Dokument XVI
  4. Cécile Treffort (Hrsg.): Mémoires d'hommes: traditions funéraires et monuments commémoratifs en Poitou-Charentes, de la préhistoire à nos jours, ARCADD, La Rochelle 1997, S. 115 Anm. 10 bezeichnet den Gründer als Guillaume de Dompierre und gibt als Gründungsdatum 1168 an. Die Urkunde von 1497 gibt keinen Namen und kein Gründungsdatum an.
  5. Bernard Peugniez: Routier cistercien, Editions Gaud, Moisenay 2001, S. 393, ISBN 2-84080-044-6. Die Angabe der Webseite der Certosa di Firenze, dass die Mutter das Kloster Buillon, selbst eine Tochter von Kloster Balerne aus der Filiation von Kloster Clairvaux, gewesen sei [1], beruht vermutlich auf einem Missverständnis des lateinischen Namens Bulium.
  6. Étienne Clouzot, Les marais de la Sèvre Niortaise et du Lay du Xe à la fin du XVIe siècle, in: Bulletin et mémoires de la société des antiquaires de l'Ovest, Serie II, Band 27 (1903), S. 1–282
  7. Clouzot, Les marais (1903), S. 30f.
  8. Clouzot, Les marais (1903), S. 39ff.
  9. Clouzot, Les marais (1903), S. 41f., Abdruck des Dokuments bei Daniel Massiou, Histoire politique civile et religieuse de la Saintonge et de l'Aunis, depuis les premiers temps historiques jusqu'à nos jours, 2. Ausg., Band II, Saintes 1846, S. 461f., Dokument XIV
  10. Jacques-Paul Migne: Troisième et dernière Encyclopédie théologique, Band XVI, Paris 1856, Sp. 445f.
  11. Bernard Pujo: Vincent de Paul: le précurseur, Michel, Paris 1998, S. 322, Anm. 26 geht für 1610 von gleichen Dritteln aus.
  12. Louis Audiat u. a., Le diocèse de Saintes au XVIIIe siècle, Paris / Saintes 1894 (= Archives historiques de la Saintonge et de l'Aunis, 23), S. 181, Anm. 1
  13. Pujo, Vincent de Paul (1998), S. 60f., dazu S. 321, Anm. 14
  14. Audiat u. a., Le diocèse de Saintes (1894), S. 180ff., Nr. XXIX-A
  15. Audiat u. a., Le diocèse de Saintes (1894), S. 185, Nr. XXIX-D
  16. Pujo, Vincent de Paul (1998), S. 62
  17. Pujo, Vincent de Paul (1998), S. 62ff.
  18. Pujo, Vincent de Paul (1998), S. 78
  19. Louis Julius Lekai: The rise of the Cistercian strict observance in seventeenth century France, Catholic University of America Press, 1968, S. 203
  20. Nach Louis Pérouas, Le diocèse de La Rochelle de 1648 à 1724: sociologie et pastorale, SEVPEN, Paris 1964 (= Bibliothèque générale de l'École Pratique des Hautes Études, 6), S. 190, ist die Zahl von drei Mönchen für den 25. Juni 1652 bezeugt, Lekai, The rise of the Cistercian strict observance (1968), S. 203 nennt die gleiche Zahl für das Jahr 1660.
  21. Jacques Boyer, Journal de voyage (1710-1714), in: Mémoires de l'Académie des sciences, belles lettres et arts de Clermont-Ferrand 26 (1884), S. 65ff., hier S. 426f.: «L’eglise est proprette et l'enclos fort agréable. Il y a quantité de titres, dont j’ai fait la liste des abbés; mais il n’y a rien de curieux.»
  22. Audiat u. a., Le diocèse de Saintes (1894), Dokument XXX-B, S. 187f.
  23. Audiat u. a., Le diocèse de Saintes (1894), Dokument XXX-B, S. 188–193; Dokument XXX-C, S. 193f.
  24. Audiat u. a., Le diocèse de Saintes (1894), Dokument XXX-A, S. 186ff.
  25. Nach der Darstellung von L. Augier, Les restes de l'abbaye de saint-Léonard-des-Chaumes, in: Recueil de la Commission des arts et monuments historiques de la Charente-Inférieure et Société d'archéologie de Saintes, Serie III, Band I, Saintes 1886, S. 342f. war schon zu seiner Zeit kaum noch eine Spur zu finden, lediglich der ehemalige Brunnen des Klosters soll noch in Benutzung gewesen sein.
  26. Jean Boutière / Alexander Herman Schutz, Biographies des troubadours: textes provençaux des XIIIe et XIVe siècles, Franklin, New York 1972, S. 128–130, Nr. XL; die Ortsangabe „Saint Lunart“ hat man auch auf Saint-Léonard-de-Noblat beziehen wollen, aber aufgrund der Beziehung zu Savaric de Mauléon, der zu den Förderern von St Léonard-des-Chaumes gehörte, geht die Forschung heute zumeist von dem letzteren Ort aus.
  • Jean-Claude Bonnin: Les abbayes cisterciennes du pays d'Aunis: notice historique sur les abbayes de la Grâce-Dieu de Benon, Notre-Dame de Ré, Saint-Léonard-des-Chaumes et Notre-Dame de Charron. Im Selbstverlag, La Rochelle 1979 (= Études monastiques, templières et hospitalières du pays d'Aunis et provinces voisines, 1) [Diese Arbeit wurde für den Artikel noch nicht herangezogen]