Leonhardus Lessius – Wikipedia

Leonard Lessius
De iustitia et iure, 1632

Leonhardus Lessius (Lenaert Leys; * 1. Oktober 1554 in Brecht bei Antwerpen; † 15. Januar 1623 in Löwen) war ein jesuitischer Moraltheologe in der Zeit der Gegenreformation. Er gehört zu den scholastischen Vordenkern der Wirtschaftsethik.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1572 trat er den Jesuiten bei. Seit 1574 hatte er verschiedene Lehrämter inne. 1580 wurde er in Arras zum Priester geweiht. Nach theologischen Studien in Rom unter Francisco Suárez und Robert Bellarmin wurde er 1585 Professor an der Universität Löwen, wo er bis 1600 blieb.

Während seiner frühen Jahre als Professor engagierte er sich in der theologischen Debatte um Themen der Prädestination und Willensfreiheit, die 1587–88 in der Zensurierung 34 der in seinen „Theses theologicæ“ (Lovania, 1586) veröffentlichten Lehrsätze mündete. Dabei geriet er in Schwierigkeiten mit seiner Ordensleitung. Aus diesen Verwicklungen konnte er sich zeitlebens nicht mehr lösen.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch seine Arbeit De iustitia et jure von 1605 bekannt, die allein im 17. Jahrhundert mehr als 20 Auflagen erlebte. Hierbei handelt es sich um eine der ersten moraltheologischen Annäherungen an ökonomische Fragestellungen. Lessius ging hierfür nach Antwerpen, das sich in der Zeit zu einem der weltweit führenden Wirtschaftszentren entwickelte, um vor Ort zu erkunden, wie Bankwesen und Handel funktionieren. Seine dabei erworbenen Kenntnisse verliehen seinen moraltheologischen Ansätzen zu diesem Thema besonderes Gewicht.

Lessius ist in seinem Wirken und Werk stark mit Luis de Molina verbunden, dessen Haltung zur Willensfreiheit und Gnadenlehre er in seine Vorstellungen aufnahm. Betonten Wert legte er auf die Vereinbarkeit seiner theoretischen Begriffsarbeit mit der Relevanz für die fallgebundene Gestaltung in der Praxis.[2]

Bedeutung und Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lessius gilt als ein maßgeblicher Vertreter der seconda scolastica und zählte bis weit ins 18. Jahrhundert zu den moraltheologischen Autoritäten. Wie der katholisch-thomistische Naturrechtsdiskurs des 16. und 17. Jahrhunderts insgesamt, geriet die scholastische Theologie dieser Art (Quästionenordnung) dann aber stark in Vergessenheit.

Seine wirtschaftstheoretischen Ansätze wurden im 20. Jahrhundert rezipiert und gerieten nacheinander ins Blickfeld der Wirtschaftshistoriker, der Rechts- und Geschichtswissenschafter sowie der politischen Theoretiker. Lessius soll zu Börsenplätzen nach Antwerpen und anderswo gereist sein, um sich über Geld- und Termingeschäfte, die merkantilistischen Handelspraktiken und das Versicherungswesen informieren zu lassen.[2]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

De gratia efficaci

Ausgaben zu Lebzeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Theses theologicæ, Lovania 1586
  • De iustitia et iure caeterisque virtutibus cardinalibus libri IV, Lovania, 1605 (Antverpiae 1609, Parisiis 1606, 1618)
  • De bono statu eorum qui vovent..., Colonia 1615
  • De perfectionibus moribusque divinis, Amberes 1620

Wissenschaftliche Edition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • De iustitia et iure caeterisque virtutibus cardinalibus. Über die Gerechtigkeit und das Recht und die übrigen Kardinaltugenden
    • Teil 1: De prudentia. Über die Klugheit. De iustitia in genere eqs. Grundbegriffe. Übersetzt von Klaus Wille unter Mitarbeit von Konstantin Liebrand, herausgegeben von Nils Jansen. Frommann-Holzboog, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-7728-2901-7.
    • Teil 2: De restitutione. Über die Restitution. Übersetzt von Klaus Wille unter Mitarbeit von Konstantin Liebrand, herausgegeben von Nils Jansen. Frommann-Holzboog, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-7728-2902-4.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Buchberger: LThK 1930
  • James Franklin: The Science of Conjecture: Evidence and Probability Before Pascal (Johns Hopkins University Press, 2001), 244 f. and 287 f.
  • B. T. Gordon: Economic Analysis Before Adam Smith: Hesiod to Lessius (Macmillan, 1975).
  • Gerard Smith (Hrsg.): Jesuit Thinkers of the Renaissance, Milwaukee, Marquette Univ., 1939. S. 133–155.
  • T. van Houdt, W. Decock: Leonardus Lessius: traditie en vernieuwing (Antwerpen, Lessius Hogeschool, 2005)
  • Jesuitica - Personalia

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wim Decock: Le marché du mérite: penser le droit et l'économie avec Léonard Lessius. Zones Sensibles, Brüssel 2019, ISBN 978-2-930601-41-0 (zones-sensibles.org [abgerufen am 18. Juli 2020]).
  2. a b Nils Jansen, Einleitung zur „wissenschaftlichen Edition“ (siehe dort): De iustitia et iure caeterisque virtutibus cardinalibus. Über die Gerechtigkeit und das Recht und die übrigen Kardinaltugenden. (Einleitung: Lessius’ Lehren von der Klugheit (prudentia), von der Gerechtigkeit (iustitia) sowie vom Recht (ius) im Allgemeinen und vom dominium).