Luther Gulick (Mediziner) – Wikipedia

Luther Halsey Gulick

Luther Halsey Gulick Jr. (* 4. Dezember 1865 in Honolulu, Hawaii; † 13. August 1918 in Casco, Maine) war ein amerikanischer Arzt, Gesundheitslehrer, Sporthygieniker und -förderer. Er beauftragte 1891 James Naismith mit der Erfindung des Basketballspiels und begleitete die frühe Entwicklung des Spiels intensiv.

Biographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gulick war Sohn kongregationalistischer Missionare und das fünfte von sieben Kindern. Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr lebte er auf Hawaii, in Spanien, Italien und Japan. Ab 1880 besuchte er zwei Jahre lang das Oberlin College in Ohio, danach die Hanover High School in Hanover, New Hampshire, bevor er an das Oberlin College zurückkehrte, um Sporterziehung zu studieren. Nach einem Jahr verließ er die Schule aus Krankheitsgründen und wechselte an die Sargent School for Physical Education in Cambridge, Massachusetts, bevor er 1889 am City College von New York einen Abschluss in Medizin erwarb.[1]

Bereits als Student war Gulick Direktor für Leibeserziehung beim YMCA (Young Men’s Christian Association) und schloss sich der International YMCA Training School in Springfield, Massachusetts, die zu diesem Zeitpunkt freilich noch Schule für christliche Arbeiter hieß, als Vorsteher der Gymnastikabteilung an.[2][3]

Der YMCA sollte ursprünglich als Anlaufstation für junge Männer dienen, die im Zuge der Industrialisierung nach dem Bürgerkrieg in die Metropolen zogen, legte aber bald großen Wert auf Leibesübungen, um einer vermeintlichen oder tatsächlichen Verweichlichung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Gleichzeitig bewegten sich im Zeitalter des Fortschritts (Progressive Era, ca. 1890–1920) die Arbeitnehmer im Berufsleben immer weniger, so dass allgemein der Bedarf nach sportlichen Freizeitaktivitäten stieg. Der YMCA setzte deswegen auf Körperertüchtigung, um ganzheitlich eine Symmetrie aus Geist, Körper und Seele zu verfechten, die im von Gulick geschaffenen dreieckigen YMCA-Emblem ihren symbolischen Niederschlag fand.[4]

Das noch neue Thema faszinierte Gulick und er wurde zu einem Vorreiter dieser neuen Bewegungsbewegung. Sein Hauptaugenmerk legte er auf Spielinstinkt und Freizeitaktivitäten, was gleichzeitig Diskussionsthema des von ihm geleiteten Psychologieseminars war.[5] In diesem legte er im Winter 1891 den Fokus auf die Anregung eines neuen Wintersports, der die Energetik der Sommersportarten Football, Lacrosse oder Baseball besaß, aber die Monotonie der gymnastischen Wintersportarten vermied. Aus einem intellektuellen Gedankenspiel und Schlagabtausch resultierte der nicht ganz ernstgemeinte Auftrag Gulicks an seinen Studenten James Naismith, die diskutierten Überlegungen in die Tat umzusetzen.[6]

Dieser neue Wintersport wurde Basketball, der sich dank der Studenten der YMCA-Schule augenblicklich über die ganze Welt in die Gemeinden und Missionen ihrer neuen Posten als Sekretäre und Gemeindevorstände verbreitete. Nach Naismiths Abschied blieb Gulick als internationaler Geschäftsführer der Körperertüchtigungsabteilung des YMCA in Springfield. Er fungierte zwischen 1903 und 1906 als Präsident der American Physical Education Association (APEA), deren Geschäftsführer er bereits 1892 und 1893 unter dem Namen American Association for the Advancement of Physical Education (AAAPE) war.[Anm. 1][7] Ab 1895 wurde er sowohl Vorsitzender des Basketball-Komitees der Amateur Athletic Union als auch Vorstandsmitglied der Basketball Rules Organization.[8]

Das neue Jahrhundert begann Gulick 1900 als Schulleiter einer berufsbildenden Schule in Brooklyn, bis er 1903 zum ersten Direktor für die Leibeserziehung der städtischen Schulen ernannt wurde. In dieser Funktion gründete er die Public School Athletic League (PSAL) von New York City, die noch heute existiert.[9][10] Zwei Jahre später richtete er auch einen Zweig für Mädchen ein, für dessen Direktion er Elizabeth Burchenal auswählte, mit der er elf Jahre später die American Folk Dance Society gründen sollte.[11] Seine Expertise war mittlerweile so anerkannt, dass es ihn als Berater zu Weltausstellung und Olympischen Spielen nach St. Louis führte und er vom Nationalen Olympischen Komitee der USA berufen 1906 und 1908 als United-States-Olympic-Committee-Mitglied nach Athen und London reiste.[12]

Auch in seinen letzten Lebensjahren wurde er nicht müde zu unterrichten, zu lehren, zu forschen und zu fördern.[13] Neben der Autorenschaft von Referenzwerken zu Leibeserziehung und Hygiene war Gulick Mitgründer der Playground Association of America 1906, dem Vorläufer der National Recreation and Park Association, der er bis 1910 als Präsident vorstand und der American Folk Dance Society 1916. Nach seiner Arbeit im Organisationskomitee der Boy Scouts of America gründete er 1910 zusammen mit seiner Frau die Camp Fire Girls, die als weibliches Pendant der Boy Scouts angesehen wurden. Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Muscular Christianity verzichtete Gulick nämlich auf Angriffe gegen die Weiblichkeit, die er eher als eine Kraftquelle betrachtete.[14][15][16][17] Kurz vor seinem Tod reiste er 1918 nach Frankreich, um Soldaten zu Moral, geschlechtlicher Hygiene und körperlichem Wohlbefinden als Vorstand eines YMCA-Komitees zum Thema zu befragen.[18]

1959 wurde Luther Gulick als Förderer des Basketballs posthum in die Naismith Memorial Basketball Hall of Fame aufgenommen.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gulick hatte sechs Kinder und war verheiratet mit Charlotte Emily Vetter, die Mitbegründerin der Camp Fire Girls Organisation war.[19]

Seine ältere Schwester Sarah Frances Gulick Jewett schrieb ebenfalls Bücher über Hygiene und das öffentliche Gesundheitswesen.[20]

Seine im Jahr 1891 nach seiner Schwester benannte Tochter Frances Jewett Gulick arbeitete im Ersten Weltkrieg für den YWCA[21] und erhielt für ihre Tapferkeit im Jahr 1918 bei einem Bombenangriff in Frankreich eine ehrenvolle Erwähnung durch die United States Army.

Im Jahr 1892, ein Jahr nach dem Tod des Vaters Luther Halsey Gulick Sr., gab Gulicks älterer Bruder Sidney Gulick seinem neugeborenen Sohn und Gulicks Neffen ebenfalls den Namen des Vaters. Luther Gulick wurde ein bekannter Politologe und Experte für Fragen der US-Verwaltung. Onkel und Neffe teilen sich die Ehre einer gemeinsamen Namenspatenschaft für einen Park an der Delancey Street in der Lower East Side von Manhattan.[22] 2,5 Millionen Dollar wurden für die Renovierung des Parks bis zum Jahr 2018 bereitgestellt.[23] Durch den Ausstieg eines Auftragnehmers verzögert sich die Fertigstellung leider um mindestens zwei weitere Jahre.[24] Bei den im Bebauungsplan erwähnten Handball-Feldern handelt es sich freilich um American-Handball-Courts.[25]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Luther Gulick (physician) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Organisation operierte bislang unter acht Namen: 1885 als Association for the Advancement of Physical Education (AAPE) gegründet, benannte sie sich 1886 in American Association for the Advancement of Physical Education (AAAPE) und 1903, dem ersten Jahr von Gulicks dreijährigem Präsidium, in American Physical Education Association (APEA) um. Erst nach Gulicks Tod erfolgte 1937 die Umbenennung in American Association for Health and Physical Education (AAHPE), 1938 in American Association for Health, Physical Education and Recreation (AAHPER), 1974 in American Association of Health, Physical Education, Recreation and Dance (AAHPERD) und 1979 in American Alliance of Health, Physical Education, Recreation and Dance (AAHPERD). Seit 2014 heißt die Organisation Society of Health and Physical Educators und arbeitet unter der schlagwortartigen Abkürzung SHAPE America.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Douglas Stark: Wartime Basketball. The Emergence of a National Sport during World War II. Lincoln/London 2016: University of Nebraska Press. ISBN 978-0-8032-4528-0 (Seite 3f, in Englisch).
  2. Clifford Putney: Luther Gulick: His Contributions to Springfield College, the YMCA, and “Muscular Christianity”. (Memento vom 23. Oktober 2017 im Internet Archive) Aus: Historical Journal of Massachusetts. Vol. 39 (1 & 2), Summer 2011. Institute for Massachusetts Studies, Westfield State University; archiviert von und zitiert nach: Westfield State University—Website; Westfield, MA, Sommer 2011. Abgerufen am 21. März 2022 (in Englisch).
  3. Robert A. Reilly: Luther Gulick and the YMCA Training School Curriculum 1887–1903. Ohio State University, 1977; zitiert nach: Library.la84.org—Website. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  4. Miriam Roth, Jonathan Tilden, Sam Stout, Ian Bussan: For the Boys Over There. The 1918 United War Work Campaign. Auf: United War Work—Website, Juli 2015. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  5. Jane Shimon: Introduction to Teaching Physical Education. Cloth. N. N., 2011. ISBN 978-0-7360-8645-5, zitiert nach: Human Kinetics—Website. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  6. Douglas Stark: Wartime Basketball. The Emergence of a National Sport during World War II. Lincoln/London 2016: University of Nebraska Press. ISBN 978-0-8032-4528-0 (Seite 17, in Englisch).
  7. N. N.: A Brief History of the Midwest District. Auf: SHAPE America—Website; Reston, VA, ohne Datum. Abgerufen am 29. September 2018 (in Englisch).
  8. N. N.: Naismith Memorial Basketball Hall of Fame-Eintrag Auf: Hoophall—Website; Springfield, MA, 2018. Abgerufen am 29. September 2018 (in Englisch).
  9. Robert M. Malina: Overview. Aus: Sharon Shields, Elizabeth Gilbert: School Sports. Role in Student's Social and Emotional Development, zitiert nach: State University—Website. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  10. J. Thomas Jable: Interscholastic Athletics. Auf: Encyclopedia of Children and Childhood in History and Society—Website, 2004. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  11. Saket Raman Tiwari, Chhote Lal Rathor, Yogesh Kumar Singh: History of Physical Education. Neu-Delhi 2008: A P H Publishing. ISBN 978-81-313-0041-1 (Seite 236, in Englisch).
  12. John Lucas: The Great Gathering of Sport Scientists: The 1904 St. Louis Olympic Games Exposition Fair Physical Education Lectures. Aus: Journal of Olympic History. 12, 1, Januar 2004, zitiert nach: International Society of Olympic History—Website. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  13. Thomas Winter: Luther Halsey Gulick. Recreation, Physical Education and the YMCA. Auf: The Encyclopedia of Informal Education—Website des YMCA-George Williams Colleges, 2004. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  14. Ruth V. Russell: Leadership in recreation. Urbana, IL 2012: Sagamore Publishing. 4. Auflage. ISBN 978-1-57167-679-5 (Seite 6f, in Englisch).
  15. N. N.: Leaving Their Stamp on History. (Memento vom 8. Oktober 2016 im Internet Archive) Archiviert von National Women's History Museum—Website; Alexandria, VA, ohne Datum. Abgerufen am 29. April 2019 (in Englisch).
  16. Joe Frost: Evolution of American Playgrounds. Auf: Scholarpedia—Website, 20. November 2012. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  17. Ann James: The Conceptual Development of Recreational Therapy. Aus: Perspectives in Recreational Therapy: Issues of a Dynamic Profession, 1998 herausgegeben von F. Brasile, T. Skalko, J. Burlingame, zitiert nach: Idyll Arbor, Inc.—Website, 2016. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  18. N. N.: Dr. Luther Gulick, Educator, Is Dead. Aus: The New York Times, 14. August 1918, zitiert nach: Friends of Gulick Park—Website; New York, NY. Abgerufen am 18. April 2017 (in Englisch).
  19. N. N.: Camp Fire Girls. Aus: Dictionary of American History (2003), zitiert nach: Encyclopedia—Website. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  20. N. N.: Sarah Frances Gulick Jewett (1854–1937). Auf: Oberlin—Website; Ohio, ohne Datum. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  21. Miriam Roth, Jonathan Tilden, Sam Stout, Ian Bussan: For the Boys Over There. The 1918 United War Work Campaign. Auf: United War Work—Website, Juli 2015. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  22. N. N.: Luther Gulick Park. (Memento vom 23. Oktober 2017 im Internet Archive) Archiviert von: Official Website of the New York City Department of Parks & Recreation; New York, NY, ohne Datum. Abgerufen am 21. März 2022 (in Englisch).
  23. N. N.: Luther Gulick Park gets $2.5m in state grants. Auf: Strauss Media—Website; 21. Januar 2014 in der korrigierten Fassung vom 17. Februar 2015. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).
  24. N. N.: Luther Gulick Playground is at Least Another 2 Years from Rehabilitation. Auf: Bowery Boogie—Website; New York, NY, 23. August 2018. Abgerufen am 30. September 2018 (in Englisch).
  25. N. N.: The New Design. Auf: Friends of Gulick Park—Website; New York, NY, 2016. Abgerufen am 19. Mai 2017 (in Englisch).