Nullenergiehaus – Wikipedia
Nullenergiehaus ist ein Energiestandard für Gebäude, welcher erreicht ist, wenn der externe Energiebezug des Gebäudes als Bilanz über einen Zeitraum von einem Jahr durch den auf der Liegenschaft des Gebäudes umgesetzten, eigenen Energiegewinn (z. B. durch Solaranlagen etc.) aufgewogen ist. Technisch ist das Nullenergiehaus häufig eine Fortführung der Idee des Passivhauses, welches typischerweise neben der passiven Wärmerückgewinnung aus der Abluft zudem mit solartechnischen Anlagen für die Warmwasser- und Stromgewinnung ausgestattet ist und damit bilanziell externe Energielieferungen im Jahresverlauf ausgleicht[1]. Wird mehr Energie erzeugt, als das Haus selbst verbraucht, spricht man von einem Plusenergiehaus. Gebäude, welche über keinen Anschluss für Energie und auch zum Sicherstellen der Versorgungssicherheit in allen Witterungslagen und über alle Nutzungsprofile hinaus keine externe Energie wie z. B. Festbrennstoffe beziehen und sich somit selbst versorgen, nennt man energieautark.
Nicht berücksichtigt wird beim Nullenergiestandard die Energie, die zur Erstellung des Hauses benötigt wird. Für das im Jahr 1992 fertiggestellte Solarhaus in Freiburg[2] wird beispielsweise eine energetische Amortisation als Energierücklaufzeit von etwa 12 Jahren angegeben, was bedeutet, dass es etwa 12 Jahre dauert, bis die Energie, die beim Bau des Hauses eingesetzt wurde, durch die spezielle Bauweise des Nullenergiehauses wieder eingespart wurde. Energie, die bei der Herstellung, dem Transport, dem Einbau und der Entsorgung der verwendeten Baumaterialien verbraucht wird, wird auch als „Graue Energie“ bezeichnet.[3]
Gemäß Industrieausschuss des Europäischen Parlaments sollen alle öffentlichen Gebäude, die nach dem 31. Dezember 2018 errichtet werden, ihren Energiebedarf in der Bilanz von einem Jahr auch auf der Liegenschaft des jeweiligen Gebäudes vor Ort erzeugen können.[4]
Grundsätzliche Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grundsätzliche Eigenschaften bzw. Elemente eines Nullenergiehauses sind
- Verzicht auf einen Gas- oder Fernwärme-Anschluss, sowie der Verzicht auf Holzöfen
- große Fensterflächen nach Süden, die auch im Winter, bei tiefstehender Sonne, unverschattet sind
- geringes Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis
- Gebäude-Außenflächen (Fassaden, Dach, Fenster, Türen) mit geringem Wärmedurchgangskoeffizient (= Wärmedämmwert, U-Wert, früher k-Wert)
- weitgehende Luftdichtheit
Sehr unterschiedlich greifen dabei die verschiedenen Baustoffe und Bautechniken ineinander, können aber in Musteraufbauten bereits im Voraus berechnet und sogar getestet werden. Hier engagieren sich neben Herstellern inzwischen auch Berufsschulen mit umfangreichen Laborinstallationen.[5]
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem Boutiquehotel Stadthalle wurde im November 2009 im 15. Wiener Gemeindebezirk das weltweit erste Nullenergiehotel eröffnet.[6][7] Die Energiegewinnung erfolgt mittels Photovoltaik- und Solaranlage, vertikalen Windrädern und einer Wärmepumpenheizung.
Das erste Nullenergie-Gästehaus in Deutschland wurde im Januar 2016 in Wildberg (Reichshof) in der Gemeinde Reichshof eröffnet.[8][7] Die Energiegewinnung erfolgt mittels Blockheizkraftwerk, Photovoltaikanlage, und Wärmepumpenheizung.
In Brütten in der Schweiz stellte der Energiepionier Walter Schmid im 2016 ein Mehrfamilienhaus fertig, welches als Erstes weltweit keine Anschlüsse an andere Netze aufweist.[9]
Auf dem Gelände einer ehemaligen Militärbasis entsteht in Bad Aibling derzeit die Nullenergiestadt Mietraching.
Weltweit sind seit den frühen 1990er Jahren mehrere hundert Gebäudeprojekte verwirklicht worden, deren Zielvorgabe darin bestand, eine ausgeglichene Energie- oder Emissionsjahresbilanz zu erreichen. Viele dieser Projekte sind im Forschungsprogramm „Towards Net Zero Energy Solar Buildings“ erfasst worden.[10]
2013 errichtet das Umweltbundesamt (UBA) das erste Null-Energie-Dienstgebäude des Bundes am Standort Berlin-Marienfelde.[11]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bettina Rühm: Energieplushäuser: nachhaltiges Bauen für die Zukunft. DVA, München 2013, ISBN 978-3-421-03891-3.
- Manfred Schmidt: Auf dem Weg zum Nullemissionsgebäude: Grundlagen, Lösungsansätze, Beispiele. Springer Vieweg, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-8348-1746-4.
- Karsten Voss, Eike Musall: Nullenergiegebäude – Internationale Projekte zum klimaneutralen Wohnen und Arbeiten. Detail, München 2011, ISBN 978-3-920034-50-8.
- Andreas Athienitis: Modeling, design, and optimization of net-zero energy buildings. 5. Auflage. (Solar Heating and Cooling Series) Verlag W. Ernst & Sohn, Berlin 2014, ISBN 978-3-433-03083-7.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nullenergie, Plusenergie – Klimaneutrale Gebäude im Stromnetz 2.0. In: enob.info. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 2. Juli 2011 .
- Ziel solaren Bauens ist die Nullenergiebilanz von Gebäuden. In: das-energieportal.de. 29. September 2008, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 12. Oktober 2008 .
- Net Zero Energy Solar Buildings. In: iea-shc.org. (englisch, gemeinsames Forschungsprogramm „Towards Net Zero Energy Solar Buildings“ des Energy Conservation in Buildings and Community Systems (ECBCS, Annex 52) und Solar Heating and Cooling Program (SHC, Task 40)).
- HAUS 2019: Wie plant man ein Null-Energie-Haus? auf YouTube, abgerufen am 24. Oktober 2020.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Infos zum Passivhaus und Niedrigenergiehaus. In: passivhaus.net. 27. Mai 2011, abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Energieautarkes Solarhaus Freiburg. In: siedlungen.eu. 16. August 2016, abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Autarkes Wohnen. (PDF) HTW Chur, Hochschule für Technik und Wirtschaft, ehemals im ; abgerufen am 24. Oktober 2020. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
Autarkes Wohnen. (PDF) HTW Chur, Hochschule für Technik und Wirtschaft, S. 18, Abschnitt „Graue Energie. Verwendung einheimischer Baustoffe“, ehemals im (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 24. Oktober 2020. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) - ↑ Doris Holler: EU-Industrieausschuss: Ab 2019 neue Gebäude nur noch in Nullenergiestandard! In: oekonews.at. 3. April 2009, abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Zentrum für energieeffiziente Bau- und Gebäudetechnik. Abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Roman David-Freihsl: Erstes Null-Energie-Hotel in Wien eröffnet – 15., Rudolfsheim-Fünfhaus. In: derStandard.at. 28. Oktober 2009, abgerufen am 24. Oktober 2020.
Wiens erstes Null-Energie-Hotel eröffnet. In: orf.at. 27. November 2009, abgerufen am 24. Oktober 2020. - ↑ a b Viel Energie für Null-Energie. In: wieninternational.at. 1. Oktober 2008, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 21. März 2009; abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Daniel Brückner: Villa Ruth – Ihr Gästehaus im Bergischen. 24. Mai 2016, abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Susanne Bucher: Ein Haus ohne Stromanschluss. In: energie-experten.ch. 15. Juni 2016, abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Net Zero Energy Buildings. In: batchgeo.com. Abgerufen am 24. Oktober 2020 (Karte mit Standorten von Nullenergiehäusern).
- ↑ 50 Jahre Umweltbundesamt: Für Mensch und Umwelt. 2010 – 2014: Abschied von Kernenergie, Fracking und Ressourcenverschwendung. In: umweltbundesamt.de. Umweltbundesamt (UBA), 2024, abgerufen am 28. Juni 2024.