Paul Casimir Marcinkus – Wikipedia

Paul Casimir Marcinkus (* 15. Januar 1922 in Cicero, Illinois; † 20. Februar 2006 in Sun City, Arizona) war ein US-amerikanischer katholischer Erzbischof und Direktor der Vatikanbank von 1971 bis 1989.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Paul Marcinkus, Sohn litauischer Einwanderer in den USA, wuchs in Cicero, einer Vorstadt Chicagos, auf. Er erhielt am 3. Mai 1947 in Chicago die Priesterweihe. Durch die Vermittlung Kardinal Stritchs bekam Marcinkus 1952 einen Posten im Vatikan. Am 21. Juni 1963 verlieh ihm Papst Paul VI. den Ehrentitel Überzähliger Geheimkämmerer Seiner Heiligkeit[1] (Monsignore) und am 8. Dezember 1964 den Titel Hausprälat Seiner Heiligkeit.[2] Am 24. Dezember 1968 wurde er von Paul VI. zum Titularerzbischof von Horta ernannt und von ihm am 6. Januar 1969 geweiht; Mitkonsekratoren waren die damaligen Kurienerzbischöfe Sergio Pignedoli und Ernesto Civardi. Zuvor war Marcinkus als Leibwächter Papst Pauls VI. tätig gewesen; in dieser Zeit erhielt er auch seinen Spitznamen „The Gorilla“. 1970 retteten er und Pasquale Macchi dem Papst bei einem Attentat auf den Philippinen das Leben.[3] Marcinkus war von 1971 bis 1989 Direktor des Istituto per le Opere di Religione, der „Vatikanbank“.[4] In diesen Zeitraum fällt der Zusammenbruch der Banco Ambrosiano 1982, die enge Geschäftsverbindungen mit der Vatikanbank unterhielt.

Der Präsident der Ambrosiano, Roberto Calvi, tauchte unter, aber am 18. Juni 1982 fand man ihn unter der Blackfriars Bridge in London hängend, die Taschen mit Ziegelsteinen gefüllt. Am selben Tag stürzte Calvis Sekretärin, Graziella Corrocher, aus einem Fenster der Bank in Mailand zu Tode. In beiden Fällen sprach man sowohl von Selbstmord als auch von Mord.[5] Der Rechtsanwalt Michele Sindona, enger Freund von Marcinkus und ebenfalls für die Ambrosiano tätig, starb am 22. März 1986 im Gefängnis an einer Zyanidvergiftung.

Während der Untersuchung der Unregelmäßigkeiten im Banco Ambrosiano fand man heraus, dass Calvi und seine Helfer mehr als 200 „Geisterbanken“ gegründet hatten, Geldinstitute, die nur in seinen Büchern existierten, aber ein Labyrinth der Verwirrung schufen für die, die versuchten, zum Kern dieser Verschwörung vorzudringen. Eine echte Bank, Cisalpina auf den Bahamas, von Calvi und Erzbischof Marcinkus verwaltet, war anscheinend tief darin verstrickt, Kokaingelder aus Lateinamerika mit Hilfe der World Finance Corporation in Miami zu waschen.

Zeitweise konnte Marcinkus den Vatikan nicht verlassen, da es einen Haftbefehl gegen ihn gab. Die Vatikanbank zahlte 241 Millionen US-Dollar als Entschädigung an 120 Gläubiger der bankrotten Privatbank – „in Anerkennung moralischer Mitbeteiligung“, wie der Heilige Stuhl verlauten ließ.[6]

Sabrina Minardi, die Ex-Geliebte von Mafia-Boss Renatino De Pedis, behauptet laut Presseberichten, De Pedis habe 1983 die 15-jährige Emanuela Orlandi im Auftrag von Erzbischof Marcinkus entführt.[7]

1990 trat Marcinkus als Pro-Präsident der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt zurück und zog sich in die Stadt Sun City, einer Vorstadt von Phoenix im US-Bundesstaat Arizona, zurück. Er arbeitete dort bis zu seinem Tode als Vikar in der Pfarrei St. Clemens und bewohnte ein Haus am Rande eines Golfplatzes.

Die Affäre wurde 2001 unter dem Titel I Banchieri Di Dio mit Rutger Hauer als Marcinkus verfilmt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

in der Reihenfolge des Erscheinens Sachbücher

  • John Cornwell: Wie ein Dieb in der Nacht. Der Tod von Papst Johannes Paul I. Zsolnay-Verlag, Wien und Darmstadt 1989, ISBN 3-552-04111-7.
  • Nick Tosches: Geschäfte mit dem Vatikan. Die Affaire Sindona. Droemer Knaur, München 1989, ISBN 3-426-03970-2 (englische Erstausgabe unter dem Titel Power on earth).
  • Nino Lo Bello: Vatikan im Zwielicht. Die unheiligen Geschäfte des Kirchenstaates. Heyne, München 1992, ISBN 3-453-03745-6.
  • Heribert Blondiau, Udo Guempel: Der Vatikan heiligt die Mittel. Mord am Bankier Gottes. Patmos Verlag, Düsseldorf 1999, ISBN 3-491-72417-1.
  • David A. Yallop: Im Namen Gottes? Der mysteriöse Tod des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. Tatsachen und Hintergründe. Rowohlt, Reinbek 2001, ISBN 3-499-61175-9 (Original „In God’s Name“).
  • Gianluigi Nuzzi: Vatikan AG. Ein Geheimarchiv enthüllt die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche. Ecowin, Salzburg 2009, ISBN 978-3-902404-89-3.
  • Gerald Posner: God’s Bankers. A History of Money and Power at the Vatican. Simon & Schuster, New York 2015, ISBN 978-1-4165-7657-0.

Belletristik

  • Roger Peyrefitte: Die rote Soutane. Goldmann, München 1986, ISBN 3-442-08470-9 (französische Erstausgabe unter dem Titel La Soutane Rouge, 1983).
  • Eckhard Henscheid: Hoch lebe Erzbischof Paul Casimir Marcinkus! (= Ausgewählte Satiren und Glossen, Bd. 2). Haffman, Zürich 1990, ISBN 3-251-01070-0.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Annuario Pontificio per l’anno 1964, Città del Vaticano 1964, S. 1261.
  2. Annuario Pontificio per l’anno 1968, Città del Vaticano 1968, S. 1659.
  3. ORF: Bankier Gottes gestorben (Memento des Originals vom 16. Mai 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/religion.orf.at 22. Juni 2006
  4. Gianluigi Nuzzi: Vatikan AG. Ecowin, Salzburg 2009, S. 346.
  5. spiegel.de 9. August 1982: Ein Stück aus dem Tollhaus
  6. spiegel.de 2. März 1987: Gott und Geld
  7. Dirk Schümer: Liegt eine zweite Leiche im Gangstergrab?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Juli 2008.
VorgängerAmtNachfolger
Alberto Kardinal di JorioPräsident des Governatorats der Vatikanstadt (geschäftsführend)
1981–1984
Sebastiano Kardinal Baggio