Pius IX. – Wikipedia

Pius IX. (1875) von Adolphe Braun.
Unterschrift Pius’ IX.
Unterschrift Pius’ IX.

Pius IX. (* 13. Mai 1792 in Senigallia (Kirchenstaat) als Giovanni Maria Mastai Ferretti; † 7. Februar 1878 in Rom) war von 1846 bis 1878 der 255. Papst. In sein Pontifikat – mit 31 Jahren und 8 Monaten das längste nachweisbare – fallen die Verkündung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, das Erste Vatikanische Konzil mit der Propagierung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats und der päpstlichen Unfehlbarkeit sowie der Verlust des Kirchenstaates an das Königreich Italien. Im Jahr 2000 wurde Pius IX. von Johannes Paul II. seliggesprochen.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft und Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Giovanni Maria Mastai Ferretti stammte aus einer als fromm geltenden Adelsfamilie. In seiner Jugend durch Epilepsie beeinträchtigt, die aber völlig ausheilte, spürte er nach einem Besuch in Rom 1816 die Berufung zum Priester und schrieb sich am Collegio Romano ein. Im Jahr 1819 empfing Mastai Ferretti in der Kirche Santa Maria in Cappella die Priesterweihe. Anschließend widmete er sich einem römischen Waisenhaus, S. Michele, nach dem Gründer Tata Giovanni genannt. Im Jahr 1823 vertraute ihm der Papst die Teilnahme an einer diplomatischen Mission nach Chile an. Die Reise war ebenso risikoreich wie erfolglos, sodass er 1825 nach Rom zurückkehrte und Leiter des Waisenhauses S. Michele wurde. Er wurde 1827 Erzbischof von Spoleto, 1832 Bischof von Imola und 1840 Kardinal mit der Titelkirche Santi Pietro e Marcellino. In Imola, das damals von zahlreichen Konflikten geprägt war, genoss der spätere Papst auch bei liberalen Kräften Sympathien. Obwohl er deren Ansichten nicht teilte, verurteilte er den Fanatismus einiger romtreuer Katholiken.

Pontifikat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pius IX. in der ersten Hälfte seines Pontifikats

Am 16. Juni 1846 wurde Kardinal Mastai Ferretti, unterstützt von der gemäßigten Fraktion unter Kardinal Paolo Polidori, nach nur zweitägigem Konklave im vierten Wahlgang als Nachfolger Gregors XVI. zum Papst gewählt. Überrascht von dieser unerwarteten Entscheidung nahm er die Wahl an, wählte sich den Papstnamen Pius IX. und wurde am 21. Juni 1846 mit der Tiara gekrönt. Er war der letzte Papa Rè (Papst-König), der zugleich mit dem Petrusamt eine weltliche Herrschaft über den traditionellen Kirchenstaat ausübte. Zum Zeitpunkt seiner Wahl galt er als Seelsorger von tiefer Frömmigkeit, jedoch fehlten ihm politische Erfahrungen.

Er begann seine Herrschaft mit einigen liberalen Reformen, zu denen unter anderem eine vorsichtige Ausweitung der Pressefreiheit im März 1847 sowie die Einrichtung eines römischen Stadtrates im November desselben Jahres gehörte, wandte sich aber gegen den Republikanismus und die italienische Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Während der europaweiten und auch im Kirchenstaat stattfindenden revolutionären Erhebungen von 1848 floh er, nachdem sein Ministerpräsident Pellegrino Rossi am 15. November ermordet worden war, am 24. November mit den Kardinälen nach Gaeta an der Küste Neapel-Siziliens. Nach der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung wurde am 9. Februar 1849 die kurzlebige Römische Republik ausgerufen, die durch ein Triumvirat unter Mitwirkung des radikaldemokratischen Revolutionärs Giuseppe Mazzini geleitet wurde. Bereits am 3. Juli 1849 wurde die Republik von französischen und spanischen Interventionstruppen militärisch niedergeschlagen. Pius IX. kehrte erst im Frühjahr 1850 nach Rom zurück und verlegte seine römische Residenz vom Quirinalspalast in den Vatikan, der seit damals der Sitz der Päpste ist.[1]

Im Dezember 1868 ließ er mehrere Spione hinrichten. Es war dies der letztmalige Vollzug der Todesstrafe im Vatikan.[2] Sein langjähriger Scharfrichter war Giovanni Battista Bugatti.

Er verfolgte nun eine konservativ ausgelegte Politik, die besonders durch seinen bis 1876 amtierenden Kardinalstaatssekretär Giacomo Antonelli geprägt wurde. Er wandte sich zunächst auch gegen den seit 1848 regierenden österreichischen Kaiser Franz Joseph I., der in den ersten Jahren seiner Regierungszeit eine liberale Politik verfolgte.

Pius IX. ließ ab 1850 das Judenghetto in Rom ausbauen und setzte den Talmud auf die Liste verbotener Bücher. Europaweite Proteste gegen die 1858 durch die päpstliche Polizei vorgenommene Entführung des angeblich getauften jüdischen Kindes Edgardo Mortara ignorierte er, da es sich um eine schon vorher geübte Praxis des Kirchenstaates handelte.

Der Päpstliche Legat kreiert im Namen Pius’ IX. Erzbischof John McCloskey zum ersten amerikanischen Kardinal, Lithografie von 1875

Als 1870 nach dem Beginn des Deutsch-Französischen Krieges die französischen Schutztruppen aus Rom abgezogen worden waren, lösten italienische Truppen den Kirchenstaat nach der Einnahme Roms auf. Der Papst zog sich in den Vatikanpalast zurück. Der Vatikan sowie der Lateran und die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo blieben weiterhin unter der (bis 1929 vom italienischen Staat nur faktisch geduldeten) Oberhoheit des Papsttums, das seit 1929 die staatliche Souveränität innehat. Das Garantiegesetz, das Pius IX. 1871 von der italienischen Regierung geboten wurde, lehnte er ebenso ab wie den neuen Nationalstaat Italien, sein Protest gipfelte in der Enzyklika Ubi nos vom 15. Mai 1871 (vgl. auch Römische Frage, Lateranverträge). Er betrachtete sich selbst als Gefangener im Vatikan.

Nach der Auflösung des Kirchenstaates änderte sich durch neue Kardinalskreierungen Pius’ IX. auch die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums. Unter den neuen Kardinälen stammten weniger aus den kleinen Städten des früheren Kirchenstaates, hingegen wurde mit dem Erzbischof von New York John McCloskey 1875 erstmals ein Nicht-Europäer Kardinal. Pius IX. pflegte zudem enge Verbindungen zum Episkopat Lateinamerikas, das er in diesem Austausch regelmäßig zu strengem Gehorsam gegenüber Rom aufforderte und das ohne die Unterstützung des Papstes handlungsunfähig gewesen wäre.

Fotografie seines Leichnams (8. Februar 1878)

Pius IX. starb am 7. Februar 1878 nach kurzer Krankheit in der Vatikanstadt. Zunächst wurde er in St. Peter beigesetzt. Am 13. Juli 1881 wurde der Leichnam nach Sankt Laurentius vor den Mauern überführt,[3] wo er nun beigesetzt ist. Auf die Beisetzung in der Kathedrale hatte er testamentarisch verzichtet.[4] „Der von Pius IX. gewählte Ort für seine Grablege besitzt bei aller Unscheinbarkeit große und vielfältige Signifikanz: zuallererst war er durch die Sitte des frühen Christentums legitimiert und durch die Überlieferung der Grabstätten dreier Päpste des 5. Jahrhunderts geheiligt; dabei bot vor allem Sixtus III. eine ganze Reihe von Identifikationsmöglichkeiten.“[5] Jedoch, wenn man das Grab in seiner Ganzheit betrachte, ziele es darauf ab, eine Pilgerstätte zu werden, was keineswegs die Bescheiden- und Zurückgezogenheit ausdrücke, „sondern vielmehr Konsequenz der politischen Strategie Pius IX.“ ist, „der wegen des totalen Verlustes weltlicher Macht damit ein letztes Mal vollständig auf massenpsychologische Wirkung setzt.“[6]

Seine Pontifikatsdauer von fast 32 Jahren ist bis heute die längste historisch nachgewiesene Amtszeit in der Geschichte des Papsttums. Bereits anlässlich des 25-jährigen Amtsjubiläums wurde für ihn oberhalb der Petrusfigur am nordöstlichen Vierungspfeiler im Petersdom eine Gedenktafel mit einem von zwei Engelsfiguren gehaltenen Porträt angebracht.[7] Seit seiner Seligsprechung im Jahr 2000 durch Papst Johannes Paul II. befindet sich dort ein gläserner Reliquienschrein.

Lehramt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wappen Pius’ IX.

Erstes Vatikanisches Konzil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den Höhepunkt seiner Amtszeit bildete das Erste Vatikanische Konzil von 1869 bis 1870, das er am 29. Juni 1868 durch die Bulle Aeterni Patris[8] ausgeschrieben hatte. Es verkündete im Sommer 1870 die Dogmen zum päpstlichen Jurisdiktionsprimat und zur Unfehlbarkeit des Papstes „bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren“.[9] Im Dissens darüber reisten zahlreiche Bischöfe vor der Abstimmung ab. Die Verkündung der Dogmen führte zur Abspaltung der Christkatholiken und der Altkatholiken in Deutschland und in Kombination mit innenpolitischen Konflikten unter Bismarck zum Kulturkampf im Deutschen Reich.

Syllabus errorum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Syllabus errorum ist eine Liste von 80 Aussagen, die von der Kirche als falsch verurteilt wurden. Die Freiheit des Gewissens leugnete Pius IX. und bezeichnete sie als verwegen und Wahnsinn.[10] Diese Zusammenstellung wurde zugleich mit der Enzyklika Quanta cura am 8. Dezember 1864 veröffentlicht. Der Syllabus errorum ist im Wesentlichen ein Exzerpt aus vorangegangenen Enzykliken, Ansprachen, Briefen und apostolischen Schreiben. In der päpstlichen Bulle Non expedit vom 10. September 1874 verbot Pius IX. Katholiken unter Androhung des Entzugs kirchlicher Privilegien sowohl die aktive als auch passive Teilnahme an den Wahlen in Italien.

Andere Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Papst Pius IX. veröffentlichte zahlreiche theologische Schriften und Erklärungen, u. a. wurde mit der Enzyklika Ubi primum die Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis vorbereitet, es folgte dann am 8. Dezember 1854,[11] nun das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis, die Definition des Dogmas mit der päpstlichen Bulle Ineffabilis Deus. 1864 erschien die Enzyklika Quanta Cura mit dem Anhang Syllabus errorum. Mit der Enzyklika Cum sancta mater ecclesia rief der Papst im Jahr 1859 zum öffentlichen Gebet für den Frieden auf.

Deckengemälde in der Stadtpfarrkirche St. Josef, Reinhausen: Papst Pius IX. (der den hl. Josef zum Schutzpatron der katholischen Kirche erklärte) mit Fahnen der Regensburger Studenten- und anderer kirchlicher Vereine, dem „Arbeiterbischof“ Wilhelm Emmanuel von Ketteler von Mainz und dem Vorsitzenden der Zentrumspartei Ludwig Windthorst

Würdigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Heiligsprechungsprozess wurde bereits 1907 eingeleitet, aber erst am 3. September 2000 wurde Pius IX. seliggesprochen, trotz zahlreicher Proteste von Evangelischen, Orthodoxen, Juden[12] sowie katholischer Kirchenhistoriker.[13][14] So wurde denn – auch wegen des inzwischen zwangsläufig geringeren Bekanntheitsgrades Pius’ IX. – seine Seligsprechung von den Gläubigen auf dem Petersplatz nicht so stark bejubelt wie die gleichzeitige Seligsprechung von Johannes XXIII. (Papst von 1958 bis 1963). Papst Johannes Paul II. hatte jedoch entschieden, die Konzilpäpste des I. Vatikanums und des II. Vatikanums zugleich zur Ehre der Altäre zu erheben, um die Kontinuität des Katholizismus zu betonen.

Pius IX. unterstützte Don Bosco bei der Gründung seiner Salesianer, weshalb man Pius IX. auch „Don Boscos Papst“ nennt.[15] Ebenso unterstützte Pius IX. die Gründung der Ordensgemeinschaft der Oblaten des hl. Franz von Sales durch den französischen Priester Louis Brisson, die er 1875 anerkannte.

Da Pius IX. den hl. Josef zum Schutzpatron der katholischen Kirche erklärte, wird er in vielen dem hl. Josef geweihten Kirchengebäuden dargestellt.

Unter anderem trägt das Pius-Hospital Oldenburg seinen Namen.

Literarische Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alejo Carpentier erzählt im ersten Teil seines Romans Die Harfe und der Schatten von der Südamerikareise Ferrettis als Mitglied einer Delegation und von seinem Vorschlag als Papst, Christoph Kolumbus selig zu sprechen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pius IX. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Josef Schmidlin: Papstgeschichte. Kösel-Pusztet, München, S. 45.
  2. Bericht von Andreas Englisch im Hamburger Abendblatt, abgerufen am 5. April 2021.
  3. Michael Grobelowski: San Lorenzo fuori le mura und Pius IX. In: Titus Heydenreich: Pius IX. und der Kirchenstaat 1860–1870. Erlangen 1995, S. 95–135, S. 96, Anm. 5.
  4. Michael Grobelowski: San Lorenzo fuori le mura und Pius IX. In: Titus Heydenreich: Pius IX. und der Kirchenstaat 1860–1870. Erlangen 1995, S. 95–135, S. 100.
  5. Michael Grobelowski: San Lorenzo fuori le mura und Pius IX. In: Titus Heydenreich: Pius IX. und der Kirchenstaat 1860–1870. Erlangen 1995, S. 95–135, S. 114.
  6. Michael Grobelowski: San Lorenzo fuori le mura und Pius IX. In: Titus Heydenreich: Pius IX. und der Kirchenstaat 1860–1870. Erlangen 1995, S. 95–135, S. 117.
  7. Heiligenlexikon. Abgerufen am 30. Juli 2018.
  8. Konrad Kirch: Vatikanisches Konzil. In: Michael Buchberger (Hrsg.): Kirchliches Handlexikon. Ein Nachschlagebuch über das Gesamtgebiet der Theologie und ihrer Hilfswissenschaften. 2 Bände. Herausgegeben in Verbindung mit Karl Hilgenreiner, Johann Baptisti Nisius, Joseph Schlecht und Andreas Seider. Allgemeine Verlags-Gesellschaft, München 1907–1912, Band 2, Sp. 2553–2556, hier: Sp. 2553.
  9. Siehe Glaubenssatz 388 auf den Seiten 234 und 235 in: Josef Neuner S.J. und Heinrich Roos S.J.: Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung. Vierte verbesserte Auflage, herausgegeben von Karl Rahner S.J. – Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 1954. Imprimatur 27. Juni 1949.
  10. Oskar Panizza: Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner. Mit einem Geleitwort von M. G. Conrad. Neuausgabe (Auswahl aus den „666 Thesen und Zitaten“). Nordland-Verlag, Berlin 1940, S. 14 und 210.
  11. Michael Sachs: ‘Fürstbischof und Vagabund’. Geschichte einer Freundschaft zwischen dem Fürstbischof von Breslau Heinrich Förster (1799–1881) und dem Schriftsteller und Schauspieler Karl von Holtei (1798–1880). Nach dem Originalmanuskript Holteis textkritisch herausgegeben. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 35, 2016 (2018), S. 223–291, hier: S. 276.
  12. Ansgar Koschel: Katholische Kirche und Judentum im 20. Jahrhundert (= Religion – Geschichte – Gesellschaft, Band 26). LIT, Münster 2002, ISBN 3-8258-5507-4, S. 154.
  13. Historiker gegen die Seligsprechung Pius IX. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 146 vom 27. Juni 2000.
  14. Papst eckt an: Proteste gegen Seligsprechung, Der Spiegel, 3. September 2000
  15. Piusz IX.: Don Bosco pápája. In: Don Bosco Kalendárium 2011. Szalézi Szent Ferenc Társasága, Budapest 2010, S. 8.
VorgängerAmtNachfolger
Mario AncaianiErzbischof von Spoleto
1827–1832
Ignazio Giovanni Cadolini
Gregor XVI. Papst
1846–1878
Leo XIII.