Rheinisch-Deutsches Kaltblut – Wikipedia

Rheinisch-Deutsches Kaltblut
Rheinisch-Deutsche Kaltblutstute

Rheinisch-Deutsche Kaltblutstute

Wichtige Daten
Ursprung: Nordrhein-Westfalen
Hauptzuchtgebiet: Westfalen
Verbreitung: vereinzelt
Stockmaß: 158–170 cm
Farben: Braune, Füchse, Rapp-, Braun- und Fuchsschimmel
Haupteinsatzgebiet: Zug- und Arbeitspferd

Das Rheinisch-Deutsche Kaltblut, fälschlich oft als Rheinisch-Westfälisches Kaltblut bezeichnet, ist ein kräftiges, breit gebautes Zug- und Arbeitspferd aus Nordrhein-Westfalen. Es ist heute vom Aussterben bedroht und steht auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutztierrassen in Deutschland.

Hintergrundinformationen zur Pferdebewertung und -zucht finden sich unter: Exterieur, Interieur und Pferdezucht.

Im Allgemeinen sind Rheinisch-Deutsche Kaltblüter mittelgroße, praktische Kaltblüter, die gewisse Ähnlichkeiten zum Brabanter aufweisen. Ihr Körperbau ist mächtig, dabei tief und breit. Aufgrund ihrer großen Körperkraft und hohen Zugstärke gelten Rheinisch-Deutsche Kaltblüter als Schwerathleten unter den deutschen Zugpferderassen.[1][2]

Das Rheinisch-Deutsche Kaltblut weist einen relativ schweren, dabei großen Kopf mit geradem Profil und ansprechendem, trockenem Gesichtsausdruck auf, der mit kleinen, gutmütigen und ausdrucksvollen Augen sowie eher kleinen, breit angesetzten Ohren versehen ist. Der sehr stark bemuskelte Hals von kurzer Länge, aber hoher Breite, ist wohlangesetzt, -geformt und -getragen und entspringt einer muskelbepackten, langen Schulter, die schräg gelagert ist. Die Brust zeigt eine hohe Breite und Tiefe, der Rumpf ist tonnig gerundet. Der knappe Widerrist erscheint gänzlich in die starke Bemuskelung eingebettet und geht in einen breiten, teils etwas matten Rücken, eine normalerweise geringe, selten auch zu hohe Länge aufweisend, mit stark ausgeprägter Muskulatur über. Die gewölbte, kurze Nierenpartie schließt sich gut an eine kompakte Hinterhand an. Diese weist eine rund, abfallend und breit geformte, stets leichte Spaltkruppe auf, welche günstige Winkelungen und eine enorme Bemuskelung zeigt. Das stämmige und starke, dabei korrekt gestellte Fundament von trockener Textur, einen kräftigen Behang besitzend, ist mit breiten, derben Gelenken, kräftigen Sehnen sowie kurzen und starken Röhrbeinen versehen. Die Hufe sind hart, von guter Gesundheit, mittlerer Größe und runder Form. Die reichlich ausgebildete Mähne fällt in der Regel beidseitig (Doppelmähne), während der tief angesetzte Schweif dicht behaart ist und buschig wirkt. Früher stets kupiert, wird er heute lang gelassen.[1][2][3]

Im Rassestandard wird eine Widerristhöhe von mindestens 158 cm gefordert.[4] Die Durchschnittswerte für das Stockmaß belaufen sich sowohl bei Stuten als auch bei Hengsten auf rund 165 cm.[5] Ferner legt der Rassestandard einen Mindeströhrbeinumfang von 24 cm für Stuten und 25 cm für Hengste fest,[4] wobei die Werte beider Geschlechter in der Regel von 25 bis 29 cm reichen. Die Körpermasse eines Rheinisch-Deutschen Kaltbluts beträgt meist zwischen 720 und 850 Kilogramm.[6]

Bezüglich der Farbgebung finden sich in der Population Braun-, Fuchs- und Rappschimmel sowie Braune, Füchse und Rappen,[1][2] wobei helle Braune in letzter Zeit den höchsten Anteil des Bestands stellen.[6] Erkennbar ist ein Trend zu klaren Farben und eine Abkehr von der Schimmelzucht.[3] Früher herrschten in westdeutschen Zuchten besonders Füchse mit hellem Langhaar vor, während im ostdeutschen Raum indessen insbesondere die verschiedenen Schimmelvariationen (Braun-, Fuchs- und Rappschimmel) überwogen. Dunkelbraune und rappfarbene Pferde sowie die einst sehr gesuchten Rappschimmel sind heutzutage nur noch sporadisch zu finden.[6] Schecken treten nicht auf.[7]

Bewegungsstudie (Trab)

Grundsätzlich zeichnet sich das Rheinisch-Deutsche Kaltblut durch freie, fleißige, fließende und raumgreifende Grundgangarten aus. Der Bewegungslauf ist harmonisch und ökonomisch. Im Schritt zeigen Rassevertreter einen guten Schub aus der Hinterhand sowie eine hohe Schrittlänge. Besonders der Trab, auf den die Züchter viel Wert legen, zeichnet sich durch seinen hohen Schwung und Schub aus der aktiven Hinterhand sowie einen hohen Raumgriff aus. Die Galoppbewegungen sind ebenfalls bodendeckend.[1][2][3][6][8]

Das Rheinisch-Deutsche Kaltblut weist einen generell guten, dabei gutmütigen, ausgeglichenen und freundlichen Charakter sowie ein frommes, ruhiges und friedliches Temperament und eine hohe Feinfühligkeit aus. Ferner zeigen Rassevertreter eine hohe Leistungsbereitschaft und einen großen Arbeitswillen sowie eine hohe Nervenstärke. Im Umgang zeigen sich die Kaltblüter energisch und beweglich. Des Weiteren sind sie leichtfuttrig und zeigen eine hohe Futterverwertung.[1][2][3][6][7][8]

Das Rheinisch-Deutsche Kaltblut wird insbesondere als Arbeitspferd im land- und forstwirtschaftlichen Bereich verwendet, daneben auch als Fahr- und Freizeitpferd sowie zu Repräsentations- und Werbezwecken und im Showgewerbe.[7][8]

Rheinisch Deutsche Kaltblüter im Landgestüt Wickrath bei der Heuernte um 1900
Rheinisch-Deutscher Kaltbluthengst, geboren 1904

Bei dem Rheinisch-Deutschen Kaltblut handelt es sich um eine verhältnismäßig junge Pferderasse,[1] die ab 1850 entstand, als man im Rheinland mit Brabantern und belgischen Ardennern die Zucht eines Wirtschaftspferdes für klein- und mittelständische Betriebe begann.[7] Von etwa 1920 an kann man von einer eigenständigen Pferderasse sprechen.[9]

Im Mittelalter wurden im Gebiet des heutigen Rheinlands drei lokale Pferdeschläge gezüchtet, die als Gelderländer, Bergisches und Eifeler Pferd bezeichnet wurden.[2] In diese wurden sowohl die britischen Kaltblutpferderassen Shire Horse und Clydesdale eingekreuzt, gleichzeitig wurden der Population aber auch Arabische Vollblüter sowie Berber zugeführt, sodass man zu Beginn des 19. Jahrhunderts von einer weitgehend ungeordneten und planlosen Pferdezucht im Rheinland sprechen muss. Dies änderte sich ab 1833 mit der Gründung des Landwirtschaftlichen Vereins Rheinpreußen, der dazu beitrug, die Landwirtschaft und Tierzucht zu verbessern.[3]

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein wurde im Rheinland noch ein leichtes bis mittelschweres Pferd gezüchtet. Auch als im Jahr 1839 das Landgestüt Wickrath gegründet wurde, erhielt es noch fünfzig Warmbluthengste.[1]

Als ab 1850 die Modernisierung der bis zu diesem Zeitpunkt ziemlich zurückgebliebenen deutschen Landwirtschaft begann, verursachte die hiermit einhergehende verbesserte, intensivere Bodenbearbeitung – und nebstdem auch der zunehmende Gütertransport, verursacht durch die voranschreitende Industrialisierung –, dass Pferde mit stärkerer und effektiverer Zugkraft nötig wurden, sprich Kaltblüter und schwere Arbeitspferde, die in Deutschland allerdings gar nicht gezüchtet wurden. Darum folgte im gesamten deutschen Sprachraum die Aufstellung verschiedenster ausländischer kaltblütiger Gebrauchs- und Zugpferderassen, besonders aus Belgien (Brabanter und Ardenner), den Niederlanden (Niederländisches Kaltblut), Frankreich (unterschiedliche Rassen), Großbritannien (Shire Horses, Clydesdales und Suffolk Punches) sowie Dänemark (Jütländer).[3][6][9]

Im Rheinland setzten die bäuerlichen Privatzuchten bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts stark auf den Einfluss des belgischen Ardenners. Die preußische Gestütsverwaltung, die anfangs großen Widerstand gegen den seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmenden Import von Brabanter und der damit verbundenen Verdrängungszucht mit der Kaltblutrasse geleistet und stattdessen wenig erfolgreiche Versuche mit diversen schweren Warmblütern sowie Kaltblutrassen aus England durchgeführt hatte, kam schließlich 1876 den Forderungen der Bauern und der Wirtschaft nach, und erklärte zum einen das Rheinland zur Kaltblutprovinz, was die völlige Einstellung der Warmblutzucht bedeutete, und zum anderen schwenkte sie um auf die Zucht des Brabanters, für den die ähnlichen Aufzuchtbedingungen und Futtergrundlage in Belgien und im Rheinland sprachen. Noch im Jahr 1876 wurden erste Hengste dieser Rasse im Landgestüt Wickrath aufgestellt, vier Jahre später deckten dort bereits 50 Beschäler über 2500 Stuten. Ebenfalls auf Drängen der Züchter wurden von 1893 nur noch Zuchthengste belgischer und rheinisch-belgischer Herkunft in Wickrath aufgestellt.[1][2][3][6][9]

Verglichen mit dem Rheinland, waren die anderen Länder im deutschen Sprachraum deutlich langsamer bezüglich der Aufstellung belgischer Länder. In Westfalen beispielsweise wurden erst 1881, als in Wickrath schon 50 belgische Hengste im Deckeinsatz waren, die ersten beiden Brabanter in Warendorf in den Deckeinsatz gestellt. Die Gestütsleitung gab hierbei offensichtlich dem Druck der Züchter nach, ohne dabei große Hoffnungen in die belgischen Kaltblüter zu setzen. Der Prozess beschleunigte sich aber mit den ersten Erfolgen und so waren um die Jahrhundertwende in Warendorf schon 50 Kaltbluthengste belgischer Herkunft im Zuchteinsatz.[6]

Die wachsende Zahl belgischer und belgisch geprägter Zuchtpferde – auch die Züchter selbst importierten in großem Umfang belgisches Stutenmaterial – führte 1880 zu einer Neufassung der Körordnung und ferner wuchs aus diesem Grund die Notwendigkeit der Gründung eines Zuchtverbands nach belgischem Vorbild. Die dortige Gründung eines Zuchtbuchs im Jahr 1885 hatte auch für die rheinländische Zucht entscheidende Impulse gebracht und so kam es schließlich 1892 zur Gründung des Rheinischen Pferdestammbuchs mit 148 Zuchtstuten, das sich zu einer wirksamen Zucht- und Vermarktungsorganisation entwickelte und als Zuchtziel festsetzte: „Ein kräftiges, gut gebautes, tiefes Pferd kaltblütigen Schlages mit starken Knochen und freien Bewegungen“.[1][2][2][3][6][9]

Bis zum Ersten Weltkrieg war die Zucht noch stark von importierten belgischen Hengsten abhängig – so waren 1912 noch 60 Prozent der 200 Beschäler in Wickrath in Belgien gezogen –, was sich erst gegen Ende des Ersten Weltkriegs auf Grund der eingeschränkten Importmöglichkeiten ändern sollte. So kam es dazu, dass sich die Züchter stärker dem im eigenen Land gezogenen Zuchtmaterial hinwandten. 1917 wurde deswegen das Rheinische Pferdestammbuch neugefasst und es fand eine Umorientierung von der Rheinisch-Belgischen Kaltblutzucht auf die Rheinisch-Deutsche Kaltblutzucht statt.[1][2]

Das Ende des Ersten Weltkriegs läutete einen Boom dieser Kaltblutzucht im Originalzuchtgebiet, aber auch in den Nachzuchtgebieten, ein, der in den 1930er-Jahren zu einem über 50%igen Anteil dieser Rasse am gesamten deutschen Pferdebestand führte.[1] Insgesamt wird dieses Jahrzehnt als Blütezeit der Rasse bezeichnet.[7]

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor sie jedoch durch die zunehmende Mechanisierung und die Hinwendung zur Zucht warmblütiger Sportpferde sehr schnell an Bedeutung, so dass in den 1950er- und 1960er-Jahren die Zahl von einst 26.000 Mutterstuten in sehr raschem Tempo fast gegen Null zu laufen drohte.[1]

Als das Wickrather Landgestüt 1956 aufgelöst wurde, wurden die verbliebenen Zuchttiere ins Landgestüt Warendorf überstellt, wo von diesem Zeitpunkt an eine reine Erhaltungszucht einsetzte. Vermutlich aufgrund dieser Überstellung ist das Rheinisch-Deutsche Kaltblut heute fälschlich auch als Rheinisch-Westfälisches Kaltblut bekannt. Ebenfalls aufgelöst wurden die Landgestüte Darmstadt in Hessen, Kreuz in Sachsen-Anhalt und Traventhal in Ostholstein. In vielen anderen Gestüten (Dillenburg, Moritzburg, Neustadt/Dosse, Redefin) mussten die kaltblütigen Beschäler Warmbluthengsten weichen.[1]

Während der Deutschen Teilung Deutschlands war für über 50 Jahre kein Austausch zwischen dem Bestand in Ost- und dem in Westdeutschland möglich. Während dieser Zeit entwickelten sich in Ostdeutschland drei regionale Subpopulationen, das Altmärkische Kaltblut, das Mecklenburger Kaltblut und das Sächsich-Thüringische Kaltblut, die sich genetisch nicht zwar nicht untereinander, aber aufgrund der erwähnten Isolation von der westdeutschen Rheinisch-Deutschen Kaltblutpopulation unterscheiden.[10]

Im Jahr 2004 wurden alle Subpopulationen zu einem gemeinsam geführten Zuchtbuch zusammengeführt, damit der Bestandsrückgang sich nicht weiter verstärkt.[8]

Derzeitige Situation

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Heute findet man Rheinisch-Deutsche Kaltblüter nur noch vereinzelt in der Land- und Forstwirtschaft und zu Repräsentationszwecken in Brauereien.

Die Populationsgröße beläuft sich Stand 2022 auf rund 1000 Zuchtstuten und 130 Zuchthengste. Die Rasse wird in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen staatlich finanziell gefördert.[11]

Commons: Rheinisch-Deutsches Kaltblut – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m Jasper Nissen: Die Enzyklopädie der Pferderassen. Band 1. Franckh-Kosmos-Verlag, ISBN 3-440-07137-5, S. 218–220.
  2. a b c d e f g h i j Martin Haller: Der neue Kosmos-Pferdeführer. Franckh-Kosmos-Verlag, ISBN 3-440-09059-0, S. 174.
  3. a b c d e f g h Rheinisch Deutsches Kaltblut. In: Gefährdete Nutztierrassen - Schwerpunkt Pferde und Esel, GEH 2017. Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH), 2017, abgerufen am 19. Mai 2024.
  4. a b Rheinisches Pferdestammbuch e.V.: Zuchtprogramm für die Rasse Rheinisch-Deutsches Kaltblut. Abgerufen am 19. Mai 2024.
  5. Rheinisch Deutsches Kaltblut / Germany (Horse). In: Domestic Animal Diversity Information System. Ernährungs- und Landwirtschaftskommission der Vereinten Nationen, abgerufen am 19. Mai 2024 (englisch).
  6. a b c d e f g h i Mathias Vogt: Rheinisch-Deutsches Kaltblut - Ein erhaltenswertes Kulturgut. In: Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH). Abgerufen am 19. Mai 2024.
  7. a b c d e Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH): Rheinisch-Deutsches Kaltblut. Abgerufen am 19. Mai 2024.
  8. a b c d Das Rheinisch-Deutsche Kaltblut. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, 2023, abgerufen am 19. Mai 2024.
  9. a b c d Kaltblutzucht Faßbender - Rassegeschichte "Rheinisch Deutsches Kaltblut". Abgerufen am 14. Juni 2024.
  10. K. S. Aberle, H. Hamann, C. Drögemüler und O. Distl: Genetic diversity in German draught horse breeds compared with a group of primitive, riding and wild horses by means of microsatellite DNA markers. Institute of Animal Breeding and Genetics, School of Veterinary Medicine Hannover, 2004, abgerufen am 9. Juni 2024 (englisch).
  11. Genetik Detaildarstellung. Abgerufen am 9. Juni 2024.