Silke Helfrich – Wikipedia

Silke Helfrich in ihrer Bibliothek am 3. November 2021

Silke Helfrich (* 13. Juli 1967 in Thüringen[1]; † 10. November 2021[2] in Liechtenstein[3]) war eine deutsche Autorin, Herausgeberin, Forscherin und Aktivistin zu Gemeingütern und Commons.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Helfrich studierte Philologie/Romanistik, Sozialwissenschaften mit ökonomischem Schwerpunkt und Pädagogik an der Karl-Marx-Universität Leipzig.[4] Von 1996 bis 1998 arbeitete sie für die Heinrich-Böll-Stiftung in Thüringen, leitete deren Landesstiftung und von 1999 bis 2007 stiftungseigene Regionalbüros für Zentralamerika, Kuba und Mexiko in San Salvador und Mexiko-Stadt.[3] Sie veröffentlichte mit Elinor Ostrom und übersetzte ihre Schriften.[5]

Sie war Mitgründerin des deutschsprachigen Commons-Instituts,[2] betrieb das CommonsBlog[6] und war Teil der Commons Strategies Group.[7] 2014 studierte sie im Master Ökonomie der Cusanus-Hochschule und half beim Aufbau von Stipendienmodell und Studierendenvertretung der Hochschule.[8] 2018 und 2019 war sie Fellow des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam.[9] Helfrich war Mitglied der Kulturland-Genossenschaft.[10] Sie sprach fließend Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch und Portugiesisch.[3][11] Zudem verfügte sie über Grundkenntnisse in Katalanisch, Latein, Russisch und Japanisch.[5]

Silke Helfrich verunglückte am 10. November 2021 bei einer kurzen Wanderung bei Schaan im Fürstentum Liechtenstein tödlich.

Engagement für Gemeingüter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Man darf sich die Commons-Welt nicht vorstellen wie ein Schlaraffenland, sondern wie ein Picknick, zu dem alle etwas beitragen.“

Silke Helfrich: Die Tageszeitung, 2019[12]

Silke Helfrich veröffentlichte mehrere Sachbücher und Sammelbände zu materiellen und geistigen Gemeingütern sowie Peer-to-Peer-Netzwerken (P2P) und -produktion.[4][13] Sie wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Ihr besonderer Fokus lag dabei auf den sozialen Prozessen und Mustern, in denen gemeinschaftliche Güter entstehen und erhalten bleiben (Commoning), sowie den Begriffen, die selbige beschreiben können. Bisherige Ausdrücke entsprächen dabei oftmals nicht der notwendigen Bedingung, eine nachhaltige und offene Nutzung zu implizieren.[14] Freie Lizenzen sollen im besten Fall dazu beitragen, die Allmende langfristig zugänglich zu halten und strukturelle Vorteile wie beispielsweise von großen Unternehmen im Voraus auszuschließen (Peer Openness).[15] Um derartige „Muster des Commonings“ festzuhalten, entwarf sie eine von Christopher Alexander inspirierte[2] Theorie und Mustersprache.[16]

In Fair, Frei und Lebendig warb Helfrich für das dem Fediverse entlehnte Federated-Wiki-Konzept Ward Cunninghams.[17] Als Moderatorin einer Spendengala der Berliner Gazette warb sie 2015 für selbstorganisierte Bürger-Kliniken in Griechenland.[18] Die Auszeichnung des venezolanischen Genossenschaftsverbunds Cecosesola mit dem Right Livelihood Award 2022 geht auf Silke Helfrich zurück.[19] Zuletzt engagierte sich Helfrich für ein gemeinschaftliches und unbedingtes Grundauskommen (GrundausCommon)[20][21] sowie die Etablierung von Commons-Public Partnerships (CPP).[22][23][24]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Helfrich wird gelegentlich als eine der bekanntesten Commons-Forscherinnen weltweit rezipiert.[5] Ihre letzte Monographie[17] wird unter anderem von David Graeber und Antje Schrupp empfohlen und wurde vielfach medial besprochen.[25]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sammelbände und Monographien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelbeiträge (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Silke Helfrich, Peter Stein: Was sind Gemeingüter? - Essay. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 28-30/2011) Gemeingüter. 5. Juli 2011, ISSN 0479-611X. online verfügbar
  • mit Johannes Euler: Vom mit und für zum durch. Zum Verhältnis vom Forschen und Beforschtwerden und zur Erforschung von Commons. In: Brigitte Aulenbacher et al. (Hrsg.): Öffentliche Soziologie. Wissenschaft im Dialog mit der Gesellschaft. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2017, ISBN 978-3-593-50635-7.
  • Commoning als Strategie der Armutsbekämpfung. In: Die Armutskonferenz (Hrsg.): Was allen gehört. Commons. Neue Perspektiven in der Armutsbekämpfung. Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Wien 2013, ISBN 978-3-7035-1609-2. (online verfügbar)

Serious Games[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • mit Julia Petzold (Hrsg.), Sibylle Reichel (Design): Commoning oder wie Transformation gelingt. Auftakt einer Mustersprache. Basierend auf dem Buch von Helfrich/Bollier 2019. Druckereikollektiv Zollenspieker, Hamburg 2020.

„Wir müssen begreifen, dass unsere Freiheit auf der Freiheit der Anderen beruht und nicht eine Freiheit des isolierten Einzelnen ist, sondern Freiheit in Bezogensein.“

Silke Helfrich, David Bollier: Frei, fair und lebendig – Die Macht der Commons, Transcript Verlag, 2019[26]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jacques Paysan: Silke Helfrich und Elinor Ostrom. Ein Nachruf. In: Jenseits von Markt und Staat. Über das Potential des gemeinsamen Handelns. Reclam, Ditzingen 2022. ISBN 978-3-15-014179-3. S. 105–109.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christa Müller: Frei, fair und lebendig. Ein Nachruf. In: Anstiftung. anstiftung gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts, 25. November 2021, abgerufen am 9. Dezember 2021 (deutsch).
  2. a b c Abschied nehmen und in Verbindung bleiben. In: commons-institut.org. 16. November 2021, abgerufen am 16. November 2021.
  3. a b c Annette Jensen, Ute Scheub: Theoretikerin Silke Helfrich ist tot: Immer auf unbekanntem Terrain. In: taz.de. 17. November 2021, abgerufen am 18. November 2021.
  4. a b Buchautor: Silke Helfrich. In: Perlentaucher.de. 20. November 2021, abgerufen am 20. November 2021.
  5. a b c Elinor Ostrom: Jenseits von Markt und Staat. Über das Potenzial gemeinsamen Handelns (Was bedeutet das alles?). Deutsche Erstausgabe Auflage. Ditzingen 2022, ISBN 978-3-15-014179-3.
  6. Startseite. In: CommonsBlog. Fundsachen von der Allmendewiese. Silke Helfrich, abgerufen am 13. Mai 2019.
  7. Our Team. Who’s who in the Commons Strategies Group. In: Commons Strategies Group CSG. Abgerufen am 13. Mai 2019.
  8. Nachruf auf Silke Helfrich (1967-2021). In: Cusanus Hochschule. 17. November 2021, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 30. Januar 2024 (deutsch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.cusanus-hochschule.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  9. Menschen. Silke Helfrich. In: Institute for Advanced Sustainability Studies IASS Potsdam. Abgerufen am 13. Mai 2019.
  10. Nachruf auf Silke Helfrich. In: Kulturland-Genossenschaft. 2022-11-22, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 30. Januar 2024.@1@2Vorlage:Toter Link/www.kulturland.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  11. Silke Helfrich. In: Speakerinnen.org. Abgerufen am 13. Mai 2019.
  12. Hanna Voß, Stefan Reinecke: Kollektive Arbeit: Sozialismus ohne Klassenkampf. In: taz.de. 3. August 2019, abgerufen am 19. November 2021.
  13. Silke Helfrich (verst.). In: transcript-verlag.de. Abgerufen am 19. November 2021.
  14. Karin Werner: Interview mit Silke Helfrich. (Video auf YouTube; 11:22 Minuten) In: Transcript TV. 2012, abgerufen am 19. November 2021.
    Silke Helfrich: Sorge tragen: Commons und Gender. In: gwi-boell.de. 28. März 2012, abgerufen am 25. Mai 2019.
  15. Silke Helfrich: Allmende statt Open Everything. In: Wikimedia Deutschland Blog. 24. April 2020, abgerufen am 1. Mai 2020.
  16. Peter Schmuck: Wie Transformation gelingt. Die Mustersprache des Commoning. In: Zukunftskommunen. 27. März 2021, abgerufen am 16. November 2021.
  17. a b Silke Helfrich und David Bollier: Frei, fair und lebendig. Die Macht der Commons. transcript Verlag, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8394-4530-3, S. 231–235, doi:10.14361/9783839445303.
  18. Silke Helfrich: Das neue Spiel: „Es gibt nichts in dieser Welt, das nicht auch unser Commons sein könnte.“ In: Berliner Gazette. 6. Oktober 2015, abgerufen am 13. September 2019.
    UN|COMMONS – Kampf um Gemeineigentum. Programm Eröffnung 22.10.15. In: Berliner Gazette. 22. Oktober 2015, abgerufen am 13. September 2019.
  19. Admin: Ein Momentum für Commoning. In: Das Commons-Institut. 5. Oktober 2022, abgerufen am 15. November 2022 (deutsch).
  20. GrundausCommons. In: Das Commons-Institut. 8. November 2021, abgerufen am 1. November 2022 (deutsch).
  21. GrundausCommons Nachlese. In: Commons-Institut. 7. November 2023, abgerufen am 13. November 2023 (deutsch).
  22. Silke Helfrich: Commons Public Partnership. Zeit für etwas Neues. In: CommonsBlog. 21. Mai 2018, abgerufen am 1. November 2022 (deutsch).
  23. Silke Helfrich: Commons Public Partnerships oder: Was aus öffentlichen Duschen werden kann (2/2). In: CommonsBlog. 7. April 2017, abgerufen am 1. November 2022 (deutsch).
  24. Silke Helfrich, Judith Pape: Commons Public Partnership. Eine Einführung von Silke Helfrich. Berlin 26. August 2021.
  25. Frei, fair und lebendig – Die Macht der Commons. In: transcript. Abgerufen am 28. November 2022: „"We need to create the discipline of economics all over again. I can't think of a better way to start than with this book." (David Graeber, London School of Economics and Political Science.)“
  26. Silke Helfrich, David Bollier: Frei, fair und lebendig – Die Macht der Commons. 1. Auflage. Transcript Verlag, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8376-4530-9, S. 400 (transcript-verlag.de [PDF] Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 Lizenz (BY-SA)).