Thomas Oberender – Wikipedia

Thomas Oberender, 2010

Thomas Oberender (* 11. Mai 1966 in Jena)[1] ist ein deutscher Autor und Dramaturg.

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas Oberender ist Sohn einer Psychoanalytikerin und eines Tierarztes. Er studierte nach seiner Berufsausbildung und seinem Abitur (1985) in Weimar sowie seinem Dienst in der Nationalen Volksarmee an der Humboldt-Universität zu Berlin Theaterwissenschaften und parallel an der Universität der Künste Berlin Szenisches Schreiben. An der Humboldt-Universität promovierte er 1999 mit einer Arbeit über Botho Strauß.[1]

Salzburger Festspiele (2007–2011)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 2007 bis 2011 leitete Oberender das Schauspielprogramm der Salzburger Festspiele.[1] Er öffnete das Schloss Leopoldskron wieder für Festspielproduktionen[2] und war unter anderem verantwortlich für die Programmreihen Dichter zu Gast,[3] Blicke ins innere Österreich sowie Young Directors Project.[4] Im Zuge seiner Beschäftigung kam es zu Auseinandersetzungen mit dem dortigen Intendanten Jürgen Flimm. Oberender bezeichnete Flimm als Despot, Flimm nannte die Vorwürfe haltlose Diffamierungen.[5]

Berliner Festspiele (2012–2020)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 2012 bis 2020 war Oberender Intendant der Berliner Festspiele.[6] In dieser Funktion leitete er seit 2016 die von ihm gegründete Programmreihe Immersion.[7] Oberender regte die Entstehung der interdisziplinären Formate Schule der Distanz (2016),[8] Limits of Knowing (2017)[9] und Into Worlds – Das Handwerk der Entgrenzung (2018)[10] an. Die von ihm in Kooperation mit dem Planetarium Hamburg konzipierte Reihe The New Infinity[11] öffnete seit 2018 Planetarien für Künstler des digitalen Zeitalters.[12] 2018 konzipierte Oberender mit Tino Seghal die Ausstellung Welt ohne Außen. Immersive Räume seit den 60er Jahren.[13] Ebenfalls 2018 berief er, zusammen mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Stephanie Rosenthal zur neuen Direktorin des Martin Gropius Baus in Berlin.[14] 2019 konzipierte Oberender gemeinsam mit weiteren Kuratoren den Palast der Republik im Gropius-Bau als einen „Palast der Gegenerzählungen“[15] anlässlich des dreißigsten Jubiläums der Maueröffnung. Oberender arbeitete im Rahmen seiner Tätigkeit für die Berliner Festspiele mit Künstlern wie Ed Atkins,[16] Vegard Vinge/Ida Müller,[17] Jonathan Meese,[18] Ilya Khrzhanovsky[19] und Philippe Parreno[20] zusammen.

Während einer Aufführung des Theaterstückes 89/90 durch das Schauspiel Leipzig sorgte Oberender 2017 offenbar kurzfristig für die Streichung des Wortes „Neger“, das ein Neonazi sowohl in Peter Richters Romanvorlage wie auch in der Bühnenfassung benutzt und von der Hauptfigur kritisiert wird. Ein Schauspieler sagte statt des Wortes „beep“ (Anspielung auf Bleeping).[21] Regisseur Roger Vontobel sprach daraufhin von Zensur.[22]

Von Dezember 2021 bis Mai 2022 berichteten verschiedenen Medien über von Mitarbeitern der Berliner Festspiele geäußerte Kritik am Führungsverhalten Oberenders sowie von Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter.[23][24][25] Oberender bestritt die Vorwürfe; über den Betriebsrat hätten ihn nie Beschwerden über seinen Führungsstil erreicht, zudem wäre er bei Überlastungen nicht untätig gewesen.[24]

Weitere Tätigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Abschluss seines Studiums arbeitete Oberender zunächst freiberuflich als Dramatiker, Kritiker, Essayist und Publizist.[26] Als Mitbegründer der Autorentheatervereinigung Theater neuen Typs (TNT) präsentierte er gemeinsam mit anderen ab 1997 neue Theatertexte deutschsprachiger Autoren in Berlin.[27][28] Ferner übernahm Oberender Lehraufträge, unter anderem an der Universität der Künste Berlin, der Ruhr-Universität Bochum und am Goethe-Institut Krakau.[29] Ab 2000 wirkte er als Leitender Dramaturg am Schauspielhaus Bochum.[27] Für die Ruhrtriennale entwickelte er das Literaturfestival „Wiedererrichtung des Himmels“,[30] gefolgt von dem Literaturfestival Schule der Romantik (2005).[31] Er übernahm die Co-Direktion am Schauspielhaus Zürich für die Spielzeit 2005/06.[32] Für die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 entwickelte er die „Odysseeprojekt“-Reihe „Die Erfindung der Freiheit“.[33] 2019 war er zusammen mit Isabel Pfeifer Poensgen für die Gestaltung der Strukturentwicklungsinitiative „Ruhrkonferenz 2019“ im Bereich „Künstler-Metropole Ruhr“ zuständig.[34] 2013 wurde Oberender zum Jurymitglied des Internationalen Ibsen-Preises in Oslo berufen.[35]

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1997 ist Thomas Oberender mit Bettina Oberender verheiratet. Sie haben einen Sohn. Thomas Oberender lebt in Berlin.[1]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Steinwald’s (Theaterstück, Verlag der Autoren 1995)
  • Übersetzung: Tim Etchells Quizoola! (Rowohlt Verlag, 1998)
  • Der Gebärdensammler (Texte über das Theater von Botho Strauß, 1999)
  • Nachtschwärmer (Theaterstück, Verlag der Autoren 2000)
  • Gott gegen Geld (Hrsg., Alexander Verlag, 2002)
  • Krieg der Propheten (Hrsg., Alexander Verlag, 2004)
  • 100 Fragen an Heiner Müller. Eine Séance (mit Moritz von Uslar, Verlag der Autoren, 2005)
  • Das Treffen / the other side (mit Sebastian Orlac, Verlag der Autoren 2005)
  • Unüberwindliche Nähe. Texte über Botho Strauß (Hrsg., Theater der Zeit, 2005)
  • Kriegstheater. Zur Zukunft des Politischen III (Hrsg., Alexander Verlag, 2005)
  • Übersetzung: David Greig Timeless (Rowohlt Theaterverlag, 2006)
  • Leben auf Probe. Wie die Bühne zur Welt wird (Hanser Verlag, 2009)
  • Fräulein Unbekannt. Gespräche über Theater, Kunst und Lebenszeit. Müry Salzmann, Salzburg 2011, ISBN 978-3-99014-036-9.
  • Nebeneingang oder Haupteingang? – Gespräche mit Peter Handke über 50 Jahre Schreiben fürs Theater (Suhrkamp Verlag, 2014)
  • Limits of Knowing, Katalog (Hrsg. mit Joanna Petkiewicz, Kerber Verlag, 2017)
  • Gropiusbau 2018, Katalog Philippe Parreno (Hg. mit Angela Rosenberg, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2018)
  • Occupy History. Decolonisation of Memory. The East German Revolution and the West German Takeover. (Krytyka Polityczna Athens, 2019)
  • Occupy History. Gespräche im Palast der Republik dreizehn Jahre nach seinem Verschwinden. Vier Gespräche und ein Essay. (Verlag der Buchhandlung Walter König, 2019)
  • Empowerment Ost. Wie wir zusammen wachsen. Tropen Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-608-50470-5.
  • CHANGES. Berliner Festspiele 2012–2021 (Hrsg., Theater der Zeit, 2021), ISBN 978-3-95749-398-9.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1993: Preis der Frankfurter Autorenstiftung für Steinwald’s[1]
  • 2000: Deutscher Jugendtheaterpreis für Nachtschwärmer[29]
  • 2011: Stadtsiegel der Landeshauptstadt Salzburg in Gold[36]
  • 2011: Goldenes Ehrenzeichen des Landes Salzburg[37]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Thomas Oberender im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  2. Jürgen Flimm patzte. In: Salzburger Nachrichten, 29. August 2006.
  3. Die Magazin-Herausgeberin. In: Die Presse, 28. Juli 2007.
  4. Salzburger Festspiele / Archiv. Abgerufen am 10. Februar 2020.
    Salzburger Festspiele / Archiv. Abgerufen am 10. Februar 2020.
    Salzburger Festspiele / Archiv. Abgerufen am 10. Februar 2020.
    Salzburger Festspiele / Archiv. Abgerufen am 10. Februar 2020.
    Salzburger Festspiele / Archiv. Abgerufen am 10. Februar 2020.
  5. Wolfgang Höbel: Der Vulkan spuckt noch Rauch. In: spiegel.de. 25. Januar 2009, abgerufen am 10. Februar 2022.
  6. Intendant Thomas Oberender verlässt Festspiele. In: Heilbronner Stimme, 18. Juni 2021.
  7. Mich interessiert nur noch, was mir Angst macht“ (Abschnitt Zur Person). In: Berliner Zeitung, 30. September 2021.
  8. Ingeborg Ruthe: Das Leben ist ein Warteraum. In: Berliner Zeitung, 18. November 2016.
  9. Eva Biringer: Der Wow-Effekt hält sich in Grenzen – Nichts berührt beim Berliner Festival „Immersion“ so sehr wie die Mausoleen von Rimini Protokoll in der Installation „Nachlass“. In: Badische Zeitung, 28. Juli 2017.
  10. Lorina Speder: Besser mit Brille. In: Die Tageszeitung. 19. Januar 2018, abgerufen am 26. November 2022.
  11. Das Planetarium zeigt jetzt Kunst. In: Hamburger Abendblatt, 26. Oktober 2018.
  12. Mann der Festspiele und neuer Formate. In: Lübecker Nachrichten, 2. August 2020.
  13. Berliner Festspiele: Gropius Bau - Welt ohne Außen. Abgerufen am 11. Februar 2020.
  14. Marcus Woeller: „Als erstes habe ich für mehr Licht gesorgt“. In: Die Welt. 26. März 2018, abgerufen am 26. November 2022 (Interview von Marcus Woeller mit Stephanie Rosenthal).
  15. Wolfgang Höbel: DDR-Ufo im Berliner Westen gelandet. In: Spiegel Online. 9. März 2019, abgerufen am 26. November 2022.
  16. Doris Meierhenrich: In den Schachteln. In: Berliner Zeitung, 4. Oktober 2017.
  17. Ulrich Seidler: Berlin trippelt. Die Auswahl des 55. Theatertreffens steht: Triumph für Castorf, Vinge/Müller und Ostermeier. In: Berliner Zeitung, 31. Januar 2018.
  18. Sebastian Bauer: Jonathan Meese zeigt seinen „Parsifal“ in Berlin. In: B.Z., 12. Mai 2017.
  19. Boris Pofalla: Der Kampf geht weiter. In: Die Welt. 22. September 2018, abgerufen am 26. November 2022.:
  20. Nicola Kuhn: Ausstellung von Philippe Parreno: Hefezellen an die Macht. In: Der Tagesspiegel. 24. Mai 2018, abgerufen am 26. November 2022.
  21. Barbara Behrendt: Das „N-Wort“ polarisiert das Theater. In: Deutschlandfunk Kultur. 3. Juni 2017, abgerufen am 4. Februar 2022.
  22. Barbara Behrendt: „Theater ist ständiges Hinterfragen“. In: Die Tageszeitung. 19. Juni 2017, abgerufen am 4. Februar 2022.
  23. Nathalie Daiber, Tina Friedrich: Toxische Führungskultur: Vorwürfe gegen Berliner Star-Intendanten. In: tagesschau.de. 16. Dezember 2021, abgerufen am 16. Dezember 2021.
  24. a b Wolfgang Höbel, Hannah Pilarczyk: Das Drama der Achtsamkeit. In: Der Spiegel, 30. April 2022.
  25. Nathalie Daiber, Tina Friedrich: Schlaflosigkeit, Dauerstress, Gewichtsverlust. In: rbb-online.de. 16. Dezember 2021, abgerufen am 4. Februar 2022.
  26. Christiane Hoffmans: Wenn sich der Mond verfinstert. Nach der Wende begann das künstlerische Leben von Thomas Oberender aus Jena. In Bochum hatte jetzt sein neues Stück Premiere. In: Welt am Sonntag (NRW Kultur), 23. Dezember 2001.
  27. a b Schauspielchef mit literarischer Perspektive: In: Wiener Zeitung, 7. Mai 2005.
  28. Petra Kohse: Im Dickicht der Stücke. In: Die Tageszeitung. 12. September 1998, abgerufen am 26. November 2022.
  29. a b Zur Person – Thomas Oberender. In: Salzburger Nachrichten, 6. Mai 2005.
  30. Kulturhighlights. In: Welt am Sonntag (NRW-Ausgabe), 21. März 2004.
  31. RuhrTriennale 2005–2007 – Schule der Romantik. Abgerufen am 10. Februar 2020.
  32. „Kunst ist kein Pflegedienst“ (Abschnitt Thomas Oberender, Intendant). In: Welt am Sonntag (NRW-Ausgabe), 16. Oktober 2016.
  33. Ulrich Deuter: Theatermarathon Odyssee Europa quer durchs Ruhrgebiet. 20. Februar 2010, archiviert vom Original am 25. Dezember 2014; abgerufen am 10. Februar 2020 (Interview von Ulrich Deuter mit Thomas Oberender).
  34. Ruhr-Konferenz. Archiviert vom Original am 29. Januar 2022; abgerufen am 11. Februar 2020.
  35. Viel Geld. In: nachtkritik.de. 26. April 2013, abgerufen am 26. November 2022.
  36. Sabine Möseneder: Stadtsiegel in Gold für scheidenden Schauspielchef der Festspiele – Stadt Salzburg. Abgerufen am 10. Februar 2020.
  37. Salzburger Festspiele/SALZBURGER FESTSPIELE BLOG. Abgerufen am 10. Februar 2020.