Toturit – Wikipedia

Toturit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2009-033[1]

IMA-Symbol

Tot[2]

Chemische Formel
  • Ca3Sn2(SiFe3+2)O12[1]
  • Ca3Sn2Fe2SiO12[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Inselsilikate (Nesosilikate)
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)

VIII/A.08-180[4]
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakisoktaedrisch; 4/m32/m
Raumgruppe Ia3d (Nr. 230)Vorlage:Raumgruppe/230
Gitterparameter a = 12,55 Å[3]
Formeleinheiten Z = 8[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte nicht bestimmt
Dichte (g/cm3) berechnet: ~4,49[3]
Spaltbarkeit nicht bestimmt
Bruch; Tenazität nicht bestimmt
Farbe gelb oder hellbraun[3]
Strichfarbe weiß[3]
Transparenz Bitte ergänzen!
Glanz nicht bestimmt
Radioaktivität durch Uraneinbau mitunter schwach radioaktiv
Kristalloptik
Brechungsindex n = nicht bestimmt
Doppelbrechung isotrop[3]

Das Mineral Toturit ist ein sehr seltenes Inselsilikat aus der Obergruppe der Granate mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Ca3Sn2Fe2SiO12. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Granat und findet sich in schmalen Zonen oder kleinen Flecken in Umwandlungsprodukten von Zirkon oder Kimzeyit-Kerimasit-reichen Granaten.[3]

Toturit ist bislang (2022) nur in seiner Typlokalität nachgewiesen worden, einem Kalksilikat-Xenolithen aus einem Ignimbrit von Berg Lakargi, Chegem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland.[5]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Künstlich erzeugte zinnreiche Granate mit bis zu 26 Gew-% SnO2 treten zusammen mit Kassiterit in Schlacken aus der Zinnverhüttung auf.[6]

Natürliche zinnhaltige Granate sind sehr selten. In wenigen zinnführenden Skarnen wurden Andradite mit bis zu 5,8 Gew-% SnO2 gefunden und in den sanidinitfaziellen Kalk-Silikat-Fremdgesteinseinschlüssen des Ignimbrites der Chegem Caldera konnten die Sn-Granate Bitikleit, Dzhuluit und Irinarassit nachgewiesen werden. In diesem Xenolith entdeckte die Arbeitsgruppe um Galuskina einen Sn-Fe-Silikatgranat. Sie benannten das neue Mineral einerseits nach dem Fluss Totur im Dorf Eltyubyu nahe der Fundstelle, andererseits nach dem balkarischen Gott und Krieger der Antike Totur.[3]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die aktuelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Toturit zur Granat-Obergruppe, wo er zusammen mit Kimzeyit, Hutcheonit, Schorlomit, Kerimasit und Irinarassit die Schorlomit-Gruppe mit 10 positiven Ladungen auf der tetraedrisch koordinierten Gitterposition bildet.[7]

Da der Toturit erst 2009 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er weder in der seit 1977 veralteten 8. Auflage noch in der von der IMA zuletzt 2009 aktualisierten[8] 9. Auflage der Mineralsystematik nach Hugo Strunz verzeichnet. Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana kennt den Toturit noch nicht.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten „Lapis-Mineralienverzeichnis“, das sich im Aufbau noch nach der alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer VIII/A.08-180. In der Lapis-Systematik entspricht dies der Klasse der „Silikate“ und dort der Abteilung „Inselsilikate mit [SiO4]-Gruppen“, wo Toturit zusammen mit Almandin, Andradit, Calderit, Eltyubyuit, Eringait, Goldmanit, Grossular, Henritermierit, Holtstamit, Hutcheonit, Irinarassit, Jeffbenit, Katoit, Kerimasit, Kimzeyit, Knorringit, Majorit, Menzerit-(Y), Momoiit, Morimotoit, Pyrop, Schorlomit, Spessartin, Uwarowit und Wadalit die „Granatgruppe“ mit der Systemnummer VIII/A.08 bildet.[4]

Die von der Mineraldatenbank „Mindat.org“ weitergeführte Strunz-Klassifikation in der 9. Auflage ordnet den Toturit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Inselsilikate“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und der Koordination der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in die Unterabteilung „Inselsilikate ohne zusätzliche Anionen; Kationen in oktaedrischer [6]er- und gewöhnlich größerer Koordination“ (englisch Nesosilicates without additional anions; cations in [6] and/or greater coordination), wo er zusammen mit Almandin, Andradit, Blythit, Calderit, Eltyubyuit, Goldmanit, Grossular, Henritermierit, Holtstamit, Hutcheonit, Hydrougrandit, Irinarassit, Kerimasit, Kimzeyit, Knorringit, Khoharit, Majorit, Menzerit-(Y), Midbarit, Momoiit, Morimotoit, Nikmelnikovit, Pyrop, Rubinit, Schorlomit, Skiagit, Spessartin, Eringait, Uwarowit, Wadalit und Yamatoit eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer 9.AD.25 bildet (vergleiche dazu auch gleichnamige Unterabteilung in der Klassifikation nach Strunz (9. Auflage)).[9]

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Toturit ist das Sn-Analog von Schorlomit und bildet komplexe Mischkristalle vor allem mit Kerimasit, Schorlomit sowie Dzhuluit. In der Typlokalität tritt Toturit in zwei Variationen mit folgenden Zusammensetzungen auf:

  • [X](Ca3,016Mn2+0,004)[Y](Sn4+1,731Zr4+0,083Ti4+0,066U6+0,043Sc3+0,045Nb5+0,009)[Z](Fe3+1,353Al0,644Si0,558Ti4+0,438Fe2+0,007)O12,
  • [X](Ca2,989Fe2+0,011)[Y](Sn4+1,463Sb5+0,325Ti4+0,193Zr4+0,013Mg2+0,003Nb5+0,002Cr3+0,001)[Z](Fe3+1,633Al0,609Si0,552Ti4+0,166Fe2+0,039V5+0,001)O12[3]

wobei mit [X], [Y] und [Z] die Positionen in der Granatstruktur angegeben sind.

Die Zusammensetzungen der Mischkristalle können mit verschiedenen Kombinationen von Endgliedern ausgedrückt werden. So besteht eine weitgehende Mischbarkeit von Toturit mit Schorlomit und Kerimasit entsprechend den Austauschreaktionen

  • [Y]Sn4+ = [Y](Ti,Zr)4+ (Schorlomit, Kerimasit)

sowie den Al3+ Mineralen der Schorlomit-Gruppe Irinarassit, Hutcheonit und Kimzeyit entsprechend der Austauschreaktion

  • [Z]Al3+ = [Z]Fe3+.

Darüber hinaus enthält Toturit auf bis zu 16 % der oktaedrisch koordinierten Y-Position Antimon (Sb5+), entsprechend einer Mischkristallbildung mit Ferrit-Granaten der Bitikleit-Gruppe mit der Austauschreaktion

  • [Y]Sn4+ + [Z]Si4+ = [Y]Sb5+ + [Z](Fe,Al)3+ (Dzhuluit/Bitikleit).

Die Ti-Gehalte auf der Z-Position können als Beimischung eines bislang nur synthetisch bekannten Ti-Analogs von Irinarassit, [X]Ca3[Y]Sn4+2[Z](Al2Ti4+)O12[10] bzw. dessen Fe-Analog entsprechend der Austauschreaktion

  • [Z]Si4+ = [Z]Ti4+

beschrieben werden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Toturit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe Ia3d (Raumgruppen-Nr. 230)Vorlage:Raumgruppe/230 mit 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 12,55 Å.

Die Struktur ist die von Granat. Calcium (Ca2+) besetzt die dodekaedrisch von 8 Sauerstoffionen umgebenen X-Positionen, Zinn (Sn4+) die oktaedrisch von 6 Sauerstoffionen umgebene Y-Position und die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Position ist mit Eisen (Fe3+) und Silicium (Si4+) besetzt.[3]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Dorf Eltyubyu im Chegem Distrikt, Ausgangspunkt der Touren zum Berg Lakargi.

Toturit bildet sich bei niedrigem Druck und hohen Temperaturen um 800–1000 °C in kontaktmetamorphen, Sn-führenden Skarnen, aufgewachsen auf Umwandlungsprodukten von Zirkon oder als schmale Zonen in Kerimasit.

Die Typlokalität von Toturit ist ein carbonatreicher Xenolith im Ignimbrit von Berg Lakargi, Chegem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland. Hier tritt Toturit in der Larnit-Cuspidin-Zone des Xenolith Nummer 3 am Kontakt zum Ignimbrit auf. Begleitminerale sind Kerimasit-Kimzeyit-Mischkristalle, Lakargiit, Tazheranit, Andradit, Wadalit und Cuspidin.[3]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: March 2024. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, März 2024, abgerufen am 13. Mai 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 13. Mai 2024]).
  3. a b c d e f g h i j k Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin, Piotr Dzierżanowski, Viktor M. Gazeev, Krystian Prusik, Nikolai N. Pertsev, Antoni Winiarski, Aleksandr E. Zadov, Wrzalik Roman: Toturite Ca3Sn2Fe2SiO12 — A new mineral species of the garnet group. In: American Mineralogist. Band 95, Nr. 8–9, 2010, S. 1305–1311 (rruff.info [PDF; 1,7 MB; abgerufen am 13. Mai 2024]).
  4. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. Fundortliste für Toturit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 13. Mai 2024.
  6. B. C. M. Butler: Tin-rich garnet, pyroxene, and spinel from a slag. In: Mineralogical Magazine. Band 42, Dezember 1978, S. 487–492 (rruff.info [PDF; 464 kB; abgerufen am 13. Mai 2024]).
  7. Edward S. Grew, Andrew J. Locock, Stuart J. Mills, Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin, Ulf Hålenius: IMA Report – Nomenclature of the garnet supergroup. In: American Mineralogist. Band 98, 2013, S. 785–811 (englisch, cnmnc.units.it [PDF; 2,3 MB; abgerufen am 13. Mai 2024]).
  8. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 13. Mai 2024 (englisch).
  9. Classification of Toturite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 13. Mai 2024 (englisch, siehe auch Anker „Strunz-Mindat“).
  10. Hisanori Yamane, Tetsuya Kawano: Preparation, crystal structure and photoluminescence of garnet-type calcium tin titanium aluminates. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 184, Nr. 5, 2011, S. 965–970, doi:10.1016/j.jssc.2011.02.016.