Wilhelm Altmann – Wikipedia

Wilhelm Altmann im Jahr 1927 von Georg Fayer fotografiert
Wilhelm Altmann (1905)
Wilhelm Altmann mit Ehefrau Marie geb. Louis ca. im Jahr 1888
Wilhelm Altmann als Radfahrer auf dem Greifswalder Wall ca. im Jahr 1898
Wilhelm Altmann mit Tochter Ursula und Sohn Berthold im Jahr 1907
Private Signatur von Wilhelm Altmann
Nachweis als „Kulturschaffender“ aus dem Jahr 1947

Wilhelm Albrecht Altmann (* 4. April 1862 in Adelnau, Provinz Posen; † 25. März 1951 in Hildesheim) war ein deutscher Historiker und Bibliothekar.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm Altmann war der Sohn des Adelnauer Pfarrers und späteren Königlichen Superintendenten Carl Friedrich Wilhelm Altmann und dessen Frau Ida geb. Heinersdorf. Aus einer musikalisch begabten Familie stammend, musizierte Wilhelm Altmann bereits während seiner Primanerzeit am Elisabet-Gymnasium in Breslau als Violinist bei Opernaufführungen. Anschließend studierte er Geschichte, Philologie und Staatswissenschaften an den Universitäten Marburg und Berlin. 1882 wurde er Mitglied der Marburger Burschenschaft Germania.[1] Als Amanuensis von Leopold von Ranke wurde er 1885 promoviert. Die Dissertation hatte die Wahl Albrecht II. zum Römischen König als Thema. 1886 wurde er Volontär, im selben Jahr Assistent und 1888 Kustos an der Universitätsbibliothek Breslau.

Nach seiner Versetzung an die Universitätsbibliothek Greifswald 1889 habilitierte er sich 1893 auf dem Gebiet der Historischen Hilfswissenschaften. In seiner Greifswalder Zeit als Privatdozent machte er als Historiker des Mittelalters durch Veröffentlichungen auf sich aufmerksam, unter anderem gab er die Regesten des Kaisers Sigismund heraus. Mit Ernst Bernheim veröffentlichte er eine Urkundensammlung zur deutschen Verfassungsgeschichte. 1890 gründete er dort einen Orchester-Verein, den Rudolf Schwartz bis 1895 dirigierte und Altmann von da ab selbst. In diesem Jahr lernte er Philipp Losch kennen und warb ihn als Mitarbeiter in der Universitätsbibliothek an.[2]

Wilhelm Altmann wurde 1900 zum Oberbibliothekar ernannt und an die Königliche Bibliothek zu Berlin berufen. 1905 erhielt er den Charakter Professor. Als Mitglied der von Oskar Fleischer gegründeten Internationalen Musikgesellschaft verfasste er einen Vortrag mit dem Titel „Musikbibliotheken – ein frommer Wunsch“,[3] in dem er die Gründung einer „Reichs-Musikbibliothek“ forderte, die „zum mindestens alle in Deutschland erschienenen musikalischen Werke in ihrer Urgestalt enthält, damit es endlich einen Ort gibt, wo man die Werke wenigstens jedes deutschen Komponisten, hoffentlich auch der meisten außerdeutschen, einsehen kann.“ Er rief alle Musikverleger auf, Musikalien gratis quasi als Pflichtexemplar einzusenden. Daraus entstand ein enormer Strom, der intensiv zu erfassen war. Altmann brach daher mit alten bibliothekarischen Systemen und Bräuchen und entwickelte effektivere, um diesem Ansturm gerecht zu werden. Dabei kamen ihm seine Kenntnisse als Historiker, der sich intensiv mit mittelalterlichen Regesten beschäftigt hatte, zugute. Neu war auch, dass er weibliche Hilfskräfte einstellte. In Berlin gründete er 1906 die „Deutsche Musiksammlung bei der königlichen Bibliothek“, die später mit der alten Musiksammlung unter seiner Leitung vereinigt wurde. Diese am Schinkelplatz gelegene Einrichtung wurde dadurch zum Sammelort dieser gratis eingesandten Musikalien. Von 1915 bis 1927 war Altmann Direktor der Musikabteilung der Preußischen Staatsbibliothek. Auch hier war Philipp Losch von 1906 bis 1915 ein enger Mitarbeiter Altmanns als Bibliotheksrat.[2] Ab dem Gründungsjahr 1917 war Altmann Mitglied des Fürstlichen Instituts für musikwissenschaftliche Forschung in Bückeburg. Er war außerdem als Musikkritiker und Herausgeber von Partituren, Musikerbiografien und Literaturverzeichnissen tätig.

Wilhelm Altmann, selbst Violin- und Streichquartettspieler, galt zu seiner Zeit als einer der besten Kenner der Kammermusikliteratur und verfasste mehrere Handbücher,[4] in denen er eine Vielzahl an Werken für verschiedene Besetzungen besprach und aufführungspraktische Ratschläge erteilte. Er zeigte sich stets darum bemüht, den Musikern auch wertvolle Werke abseits des Standardrepertoires nahezulegen. Insgesamt kann sein Musikgeschmack als eher konservativ betrachtet werden. Modernen Strömungen, besonders der Zwölftonmusik, stand er sehr skeptisch gegenüber, was in den Werkbesprechungen häufig zum Ausdruck kommt. Gelegentlich konnte er sich allerdings auch für progressivere Musik erwärmen. Von seinen Arbeiten fand das Handbuch für Streichquartettspieler die wohl weiteste Verbreitung.

Wilhelm Altmann und seine Ehefrau Marie geb. Louis sind in Hildesheim, Peiner Straße auf dem Nordfriedhof (Zentralfriedhof) beigesetzt. Der Ehe von Wilhelm und Marie Altmann entstammen drei Kinder: Ulrich, Ursula und Berthold.

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Wahl Albrechts II. zum römischen Könige. Dissertation (1885).
  • Der Römerzug Ludwigs des Baiern (1886). Digitalisat
  • Acta Nicolai Gramis (1889).
  • Wilhelm Altmann: Eberhard Windeckes Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Zeitalters Kaiser Sigmunds. – zum ersten Male vollständig herausgegeben-, R. Gaertners Verlagsbuchhandlung, Berlin 1893.
  • Die alte Frankfurter Deutsche Uebersetzung der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. (1897).
  • Böhmer, J.F., Regesta Imperii XI: Die Urkunden Kaiser Sigmunds 1410–1437, bearb. von Altmann, Wilhelm, Innsbruck 1896–1900.
  • Öffentliche Musikbibliotheken – Ein frommer Wunsch, in: Zeitschrift der internationalen Musikgesellschaft, Jg. 1903, H. 1, S. 1–17.
  • Richard Wagners Briefe nach Zeitfolge und Inhalt (1905).
  • Die künftige „Deutsche Musiksammlung“ bei der Königl. Bibliothek in Berlin, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen, 23. Jg., 1906, H. 2, S. 66 ff.
  • Ausgewählte Urkunden zur außerdeutschen Verfassungsgeschichte seit 1776, 2. vermehrte Auflage (1913).
  • Ausgewählte Urkunden zur Brandenburgisch-Preussischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1. Teil 15.–18. Jahrhundert, 2. stark vermehrte Auflage (1914).
  • Ausgewählte Urkunden zur Brandenburgisch-Preussischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. Teil 1806–1849, 2. stark vermehrte Auflage (1915).[5]
  • Die Kammermusikwerke von Friedrich Lux (1920).
  • Handbuch für Streichquartettspieler, Bd. 1: Streichquartette (1927).
  • Handbuch für Streichquartettspieler, Bd. 2: Streichquartette (1927).
  • Handbuch für Streichquartettspieler, Bd. 3: Streichtrios, -quintette, -sextette, -oktette (1929).
  • Einführung in Schuberts sogenanntes Forellen-Quintett op. 114 (Electrola Musikplatten EJ 334-357). Köln ca. 1929.
  • Handbuch für Streichquartettspieler, Bd. 4: Musik für Streicher und Bläser (1930).
  • Handbuch für Klaviertriospieler (1934).
  • Handbuch für Klavierquintettspieler (1936).
  • Handbuch für Klavierquartettspieler (1937).
  • Otto Nicolais Tagebücher (1937).

Altmann überarbeitete und ergänzte außerdem Albert Tottmanns Führer durch den Violinunterricht (unter dem Titel Führer durch die Violinliteratur) und Paul Franks Kurzgefaßtes Tonkünstler-Lexikon (Neudruck der Ausgabe von 1936 mit ISBN 3-7959-0083-2).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wilhelm Altmann: Altmann, Wilhelm. In: Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Erste Ausgabe, Band 1 (Aachen – Blumner). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1949, DNB 550439609, Sp. 396–398 (= Digitale Bibliothek Band 60, S. 2.186–2.188)
  • Eveline Bartlitz: „… Niemals stand seine stets bereite Feder still“ (Wilhelm Altmann zum 150. Geburtstag). In: Forum Musikbibliothek Jg. 2012, H. 1, S. 28–33.
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band II: Künstler. Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6813-5, S. 13–15.
  • Alexandra Habermann, Rainer Klemmt, Frauke Siefkes: Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925–1980. Klostermann, Frankfurt 1985, ISBN 3-465-01664-5, S. 4f.
  • Helmut Hell, Wilhelm Altmann: Altmann, Wilhelm. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 1 (Aagard – Baez). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1999, ISBN 3-7618-1111-X (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich).
  • Wilhelm Krabbe: Wilhelm Altmann zum Gedächtnis. In: Musikforschung, Jg. 4 (1951) H. 4.
  • Philipp Losch: Zum Tod von Wilhelm Altmann. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Jg. 1951, H. 7/8, S. 284 ff.
  • Philipp LoschAltmann, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 226 f. (Digitalisat).
  • Dietrich Meyer: Die evangelisch-theologische Fakultät Breslau in den Jahren von 1933–1935. In: Peter Maser (Hrsg.): Der Kirchenkampf im deutschen Osten und in den deutschsprachigen Kirchen Osteuropas. Göttingen 1992, S. 98–135.
  • Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-ROM-Lexikon, Kiel 2009, 2. Auflage, S. 156f, 2139, 2300, 5578, 8419f, 8582. online
  • Peter Wackernagel: Aus glücklichen Zeiten der Preußischen Staatsbibliothek. Erinnerungen an Kollegen und Freunde von einst, in: Festschrift für Friedrich Smend zum 70. Geburtstag, dargebracht von Freunden und Schülern.- Berlin (1963), S. 61–65
  • Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft – Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild, Erster Band, Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930, ISBN 3-598-30664-4, S. 20.
  • Berliner Musikgeschichte bewahrt und erschlossen. Informationsheft zur Ausstellung im Vestibül der Deutschen Staatsbibliothek vom 1. Juli bis 30. August 1987.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Wilhelm Altmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ernst Elsheimer (Hrsg.): Verzeichnis der Alten Burschenschafter nach dem Stande vom Wintersemester 1927/28. Frankfurt am Main 1928, S. 6.
  2. a b Philipp Losch: Zum Tod von Wilhelm Altmann. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Jg. 1951, H. 7/8, S. 284 ff.
  3. Öffentliche Musikbibliotheken – Ein frommer Wunsch, in: Zeitschrift der internationalen Musikgesellschaft, Jg. 1903, H. 1, S. 1–17.
  4. Nobert Florian Schuck: Ein Leben für die Kammermusik, abgerufen am 15. Juli 2023
  5. Anmerkung: Widmung für eine gemeinsam verbrachte Arbeitszeit in Wien an Georg Küntzel