Marc Henry – Wikipedia

Marc Henry (* 2. April 1873 in Paris; † 24. Dezember 1943 in Saint-Raphaël, Frankreich[1][2]; geboren als Achille Georges Thuret, ab 1889 Achille Georges d’Áilly-Vaucheret[3][4]) war ein Kabarettist, Chansonnier, Opernlibrettist und Autor sowie Herausgeber von französischen und deutschen Volksliedern.

Marc Henry wurde als uneheliches Kind von Clémence Thuret geboren. Ab 1889 durfte er den Familiennamen d’Áilly-Vaucheret führen.[3][4] Ob er von seinem leiblichen Vater nachträglich legitimiert wurde oder den Namen seines Stiefvaters annahm, ist nicht bekannt. Henry war eine der Schlüsselfiguren des frühen Kabaretts. In Pariser Cabarets in der Nachfolge des Chat Noir trat er als Chansonnier und Conférencier auf. In München, wo er danach als Student und Korrespondent französischer Zeitungen lebte und ab 1899 eine Revue Frano-Allemande herausgab, war er 1901 Mitbegründer der Elf Scharfrichter.[5] In Wien gründete er zusammen mit Marya Delvard das Kabarett Nachtlicht (1906) und das Kabarett Fledermaus (1907). Im April 1906 kam es zu einem tätlichen Angriff auf Karl Kraus, der ein Nachspiel in einem Gerichtsprozess hatte.[6][7] Danach absolvierte er zahlreiche Tourneen mit Marya Delvard durch Deutschland und Frankreich. Er sang französische Chansons, Balladen, Eigenkompositionen und Volkslieder aus früheren Jahrhunderten, die er zusammentrug bzw. im alten Stil selbst verfasste und im Scharfrichter-Verlag (später an Friedrich Hofmeister übergegangen) als Notenhefte herausgab. Er sang Pariser Chansons wie La Ballade des trois Gosses, Le Testament de Pierrot und La Berceuse bleue von Gabriel Montoya aus dem Repertoire der Yvette Guilbert. Bei den französischen Volksliedern, wie La Légende de St. Nicolas, oder den Chansons légères et galantes begleitete sich Henry meist selbst auf der Laute. Französische Soldatenlieder trug er in einem echten Zuavenkostüm vor.

Henrys 1897 entstandenes verlorengegangenes Drama Les yeux morts bildete die Vorlage für die Oper Die toten Augen (UA 1916) von Eugen d’Albert, für die er gemeinsam mit Hanns Heinz Ewers das Libretto verfasste. Für die Oper Ivas Turm (UA 1926) von Ernst von Dohnányi arbeitete Henry erneut mit Ewers als Librettist zusammen.

Marc Henry war mit der Sängerin und Kabarettistin Marya Delvard (1874–1965) verheiratet.[8][9]

  • mit Hanns Heinz Ewers: Joli Tambour! Das französische Volkslied. Neues Leben, Berlin 1911.
  • mit Hanns Heinz Ewers: Die toten Augen. Bühnendichtung (Oper). Musik (1912/13): Eugen d’Albert. UA 1916.
  • Au pays des maitres-chanteurs. Payot, Paris 1916.
  • Trois villes: Vienne – Munich – Berlin. Payot, Paris 1917.
  • Beyond the Rhine. Memories of art and life in Germany before the war. Dodd Mead and Company, New York, 1918 (Digitalisat).
  • mit Hanns Heinz Ewers: Ivas Turm. Bühnendichtung (Oper). Musik (1926): Ernst von Dohnányi. UA 1926.[10]

Stimmen über Marc Henry

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„M. (die Abkürzung hieß früher Monsieur, später Marc) Henry leitete mit großem Geschick das Unternehmen, indem er als Conférencier in einem außerordentlich gepflegten gebrochenen Deutsch jeden von uns den Gästen vorstellte, sie milde auf unsere Eigenheiten vorbereitete und beispielsweise von mir, da ich mit brennender Zigarre auf dem Podium zu stehen pflegte, versicherte: ‚Er ist das Prototypus von eine Berliner Bohemien; er kann rauchen, wie wenn nichts wäre.’“

Erich Mühsam: Unpolitische Erinnerungen, Wiener Episode. Aufbau Taschenbuch Verlag, 1927.

„Henry, ein fabelhaft gesprochenes Deutsch sprechend, in einem endlos langen Gehrock, das lockige Haupt mit dem schön gedrehten Schnurrbart von einem ungeheuren Kragen in die Höhe geschraubt, hielt die Einführungsconférence. Lieblich lächelnd, mit kleinen, runden, erläuternden Handbewegungen, legte er den Kabarettgedanken dar. Und er schloß seine Rede mit dem triumphierenden Satz: ‚Und jetzt, meine serch vererchte Herrchschaften, wirch können sagen: von heute an hat Wien die erchste Cabaret.’“

Richard Wiener: Das klassische Kabarett. In: Die Bühne Nr. 111, 23. Dezember 1926.
  • Michael Buhrs, Barbara Lésak, Thomas Trabitsch: Kabarett Fledermaus. Ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte. Verlag Christian Brandstätter, Wien 2007, ISBN 3-85033-082-6.
  • Revue Franco-Allemande / Deutsch-Französische Rundschau : Fondée à Munich en 1897 par Marya Delvard, M. Henry, Fritz Holl, J.G. Prod'homme. Continuée à Munich en 1964 par Marya Delvard, Fritz Holl, Hans K.E.L. Keller sous les auspices de la Société Franco-Bavaroise, Bayerisch-Französische Gesellschaft, Verlag der Grotius-Stiftung, München, 1964.
  • Judith Kemp: „Ein winzig Bild vom großen Leben“. Zur Kulturgeschichte von Münchens erstem Kabarett „Die Elf Scharfrichter“ (1901–1904). Allitera Verlag, München 2017, ISBN 978-3-86906-921-0, S. 134–142 u. Anhang Ensemble S. 20–24 (Anhang Ensemble online; PDF; 787 KB).
  • Hans-Gerd Koch (Hrsg.): Franz Kafka. Tagebücher Band 1: 1909–1912 in der Fassung der Handschrift. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1994, S. 149–150. (online (Memento vom 16. August 2010 im Internet Archive))
  • Josef Zuth: Handbuch der Laute und Gitarre. Verlag der Zeitschrift für die Gitarre, Wien 1926 (1928), S. 139.

Einzelnachweise

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  1. Mirko Nottscheid (Hrsg.): Karl Kraus – Frank Wedekind: Briefwechsel 1903 bis 1917 (= Wedekind-Lektüren: Schriften der Frank Wedekind-Gesellschaft. Band 5) Königshausen & Neumann, Würzburg 2008, ISBN 978-3-8260-3701-6, S. 386 f. (kommentiertes Personenregister).
  2. Nach anderen Angaben soll Marc Henry bereits 1915 gefallen sein, vgl. Klaus Budzinski: Das Kabarett: 100 Jahre literarische Zeitkritik (= Hermes Handlexikon Band 10037). ECON Taschenbuch Verlag, Düsseldorf 1985, ISBN 3-612-10037-8, S. 98 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) sowie Ausstellungskatalog Fledermaus Kabarett 1907 bis 1913. Brandstätter, Wien 2007, ISBN 978-3-85033-082-4, S. 234 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b Personen- und Sachregister zu Erich Mühsam, Tagebücher Band 2. S. 19 (online; PDF; 395 KB). www.muehsam-tagebuch.de, abgerufen am 20. September 2015
  4. a b Mirko Nottscheid (Hrsg.): Karl Kraus – Frank Wedekind: Briefwechsel 1903 bis 1917 (= Wedekind-Lektüren: Schriften der Frank Wedekind-Gesellschaft. Band 5) Königshausen & Neumann, Würzburg 2008, ISBN 978-3-8260-3701-6, S. 176 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Wolfgang Victor Ruttkowski: Das literarische Chanson in Deutschland. 2. Auflage. Igel Verlag, Hamburg 2013 (1966), ISBN 978-3-86815-576-1, S. 57–67 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Eckart Früh (Hrsg.): Noch Mehr. Der doppelt geprügelte Fackel-Kraus. Wien, Juni 2006 (online (Memento vom 29. April 2015 im Internet Archive); PDF; 1,6 MB); abgerufen am 27. Februar 2024.
  7. Karl Kraus: Die Fackel Nr. 201 (19. April 1906), S. 26–28 und Nr. 203 (12. Mai 1906), S. 17–24 über die Auseinandersetzung Marc Henry – Karl Kraus um Marya Delvard, die mit einer Prügelszene im Casino de Paris und darauffolgenden Gerichtsprozessen endete.
  8. Frithjof Trapp: Biographisches Lexikon der Theaterkünstler. Teil 1: A–K (= Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–1945. Band 2). Saur, München 1999, ISBN 3-598-11375-7, S. 169 f. (abgerufen über De Gruyter online).
  9. Wilhelm Neef: Das Chanson: eine Monographie. Koehler und Amelang, Leipzig 1972, S. 192 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Ivas Turm, Objektbeschreibung in d:kult Digitales Kunst- und Kulturarchiv Düsseldorf