Netzwerkanalyse (Elektrotechnik) – Wikipedia
Als Netzwerkanalyse bezeichnet man in der Elektrotechnik die Vorgehensweise, in einem Netzwerk (siehe Bild) aus den bekannten Werten der Schaltelemente sowie den vorgegebenen Quellgrößen alle Ströme und Spannungen zu berechnen. Von Hand und mit analytischen Methoden können mit realistischem Aufwand nur lineare Systeme untersucht werden. Die rechnergestützte Schaltungssimulation dagegen beruht vorwiegend auf iterativen Näherungsverfahren, benötigt sehr viele Rechenschritte, kann aber auch mit nichtlinearen Bauelementen umgehen.
Allgemein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einem Netzwerk sind die Zusammenhänge zwischen allen auftretenden Strömen bzw. allen auftretenden Spannungen durch die nach dem deutschen Physiker Gustav Robert Kirchhoff benannten kirchhoffschen Regeln beschrieben. Der Zusammenhang zwischen Strom und Spannung ist durch das ohmsche Gesetz beschrieben, welches die Bauelementegleichung von Widerständen beschreibt. Voraussetzung sind lineare Schaltelemente und eine lineare Kennlinie im Gegensatz z. B. zur Diode.
Bei nicht reellen Widerständen wird die sogenannte komplexe Rechnung erforderlich. So lässt sich auch eine Analyse für Wechselspannung durchführen, wobei jede betrachtete Frequenz einzeln zu berechnen ist.
Damit eine Netzwerkanalyse möglich ist, werden in dem Netzwerk Knotenpunkte, Zweige und Maschen definiert. Mithilfe der kirchhoffschen Regeln und den Strom-Spannungs-Beziehungen der Zweipole können ihnen dann Gleichungen zugeordnet werden. Damit die mathematischen Gleichungssysteme zu einer eindeutigen Lösung führen, müssen die jeweiligen Gleichungen voneinander unabhängig sein.
Ein Knotenpunkt ist dabei ein Punkt im Netzwerk, in dem eine Stromverzweigung auftritt. Wenn ein Netzwerk Knotenpunkte besitzt, dann gibt es insgesamt nur unabhängige Knotengleichungen. Eine hiervon in dem gezeigten Beispiel ist
- .
Ein Zweig ist die Verbindung zweier Knoten durch Zweipolelemente. Wenn das Netzwerk Zweige besitzt, dann gibt es insgesamt auch unabhängige Zweiggleichungen.
Im dargestellten Beispiel sind die Zweiggleichungen nach Ausnutzung der Bauelementgleichungen:
Als (vollständigen) Baum bezeichnet man ein Gerüst aus Zweigen, welches alle Knoten verbindet, wobei kein Knoten zweimal berührt werden darf. Anschaulich ausgedrückt, die gebildete Struktur darf keine Möglichkeiten bieten, um im Kreis zu gehen. Für den Baum sind verschiedene Varianten möglich. Insgesamt sind bei einem vollständig vermaschten Netzwerk (jeder Knoten hat einen Zweig zu jedem anderen Knoten) Varianten denkbar. Im vorliegenden Beispiel ergeben sich drei unterschiedliche Bäume, da mehr als ein Zweig zwei Knoten miteinander verbindet.
Die einzelnen Zweige im Baum werden Baumzweige oder Äste genannt. Wegen des Aufbaus des Baumes gibt es Äste.
Alle Zweige, die nicht zum Baum gehören, bezeichnet man als Sehnen oder auch Verbindungszweige. Deren Anzahl entspricht der Zahl unabhängiger Maschengleichungen , die mit Hilfe des Maschensatzes aufgestellt werden können.
Eine Masche ist ein über Zweige geschlossener Umlauf. Für eine einfache Analyse sollte stets ein Umlauf über nur eine Sehne bzw. einen Verbindungszweig gewählt werden. Für den Fortlauf wird dieser Weg genutzt.
Der Umlaufsinn der unabhängigen Maschen kann willkürlich festgelegt werden, ist jedoch relevant für spätere Berechnungen.
Im Beispiel sind die folgenden zwei Maschenumläufe gewählt.
Somit existieren unabhängige Knotengleichungen, unabhängige Maschengleichungen und für jeden Zweig eine Zweipolgleichung, also Zweipolgleichungen. Mit diesem Gleichungssystem aus Gleichungen lassen sich deshalb alle „gesuchten Größen“, d. h. alle Zweigströme und alle Zweigspannungen eindeutig ermitteln.
Zweigstromanalyse
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Zur Lösung mittels Zweigstromanalyse werden alle unabhängigen Knotengleichungen und die unabhängigen Maschengleichungen aufgestellt. Anschließend werden diese sortiert, indem man diese nach Strom/Widerstand auf der einen Seite der Gleichung und Spannungen auf der anderen Seite aufreiht. Als Ergebnis erhält man ein lineares Gleichungssystem.
Im gezeigten obigen Beispiel folgt hiermit dann in geordneter Reihenfolge (Knotengleichung 1, Maschengleichung 1 und Maschengleichung 2):
In Matrixschreibweise lautet nun das Gleichungssystem:
Zur Lösung des linearen Gleichungssystems gibt es Standardmethoden, die hierfür genutzt werden können. Kleinere Gleichungssysteme lassen sich analytisch „von Hand“ lösen, für umfangreichere Schaltkreise werden numerische Methoden (Computerprogramme) verwendet.
Überlagerungsverfahren nach Helmholtz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Überlagerungsverfahren beruht auf dem Superpositionsprinzip bei linearen Systemen.
Vorgehen:
- Bis auf eine Quelle werden alle anderen entfernt. Spannungsquellen werden durch Kurzschlüsse ersetzt bzw. Stromquellen als Unterbrechung gesehen. Die Innenwiderstände der Quellen verbleiben jedoch in der Schaltung.
- Die gesuchten Teilströme mit der verbliebenen Quelle werden berechnet.
- Das Vorgehen wird für jede andere Quelle wiederholt.
- Zum Schluss wird die vorzeichenrichtige Addition der errechneten Teilströme für die betrachteten Zweige durchgeführt.
Ergebnis: Der gesuchte Teilstrom wurde ermittelt.
Maschenstromverfahren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit zunehmender Komplexität steigt der Aufwand zur Berechnung des Netzwerks mit der Zweigstromanalyse. Eine Reduzierung des Rechenaufwands ergibt sich durch das Maschenstromverfahren (auch als Schleifenanalyse bekannt).
Vorgehen (Kurzform):
- Netzwerk vereinfachen
- Baum wählen, ideale Stromquellen als Sehne
- Nicht ideale Stromquellen in eine äquivalente Spannungsquelle umwandeln
- Maschen festlegen
- Matrix aufstellen:
- Sonderfall ideale Stromquellen (Iq)
- Gleichungssystem lösen
- Zweigströme berechnen anhand der Summe der Maschenströme
Knotenpotentialverfahren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie beim Maschenstromverfahren ergibt sich beim Knotenpotentialverfahren ein reduziertes lineares Gleichungssystem.
Vorgehen (Kurzform):
- Spannungsquellen in äquivalente Stromquelle umwandeln
- Bezugsknotenpotential („Masse“) wählen, ideale Spannungsquellen an Bezugspotential angeschlossen (ansonsten mit dieser Anleitung nicht lösbar)
- Restliche Knoten durchnummerieren
- Matrix aufstellen, Knoten mit idealer Spannungsquelle weglassen
- Bei mit idealer Spannungsquelle gekoppelter Knoten, Spannungsquelle mit Koppelleitwert multiplizieren und zum Stromvektor addieren, wenn der Spannungspfeil zum Bezugsknotenpotential hin zeigt, andernfalls abziehen.
- Gleichungssystem lösen.
- Zweigspannung Uij = ui0−uj0 aus den Knotenpotentialen ermitteln und daraus den Zweigstrom erreichen.
Widerstandswürfel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Problem der Netzwerkanalyse ist der sogenannte Widerstandswürfel, der von zwölf gleichen würfelförmig miteinander verlöteten ohmschen Widerständen gebildet wird. Für diese Konstruktion ist der Gesamtwiderstand über die Raumdiagonale A'C zu ermitteln.
Das Problem kann durch Symmetrieüberlegungen vereinfacht werden. Der Widerstandswürfel wird mit zwölf gleichen Widerständen aufgebaut und ist deshalb auch elektrisch symmetrisch (3-fache Rotationssymmetrie um die Raumdiagonale als Achse). Durch die drei an einer Ecke (nur an den Ecken auf der Raumdiagonale) miteinander verbundenen Widerstände fließen wegen der Symmetrie beim Anlegen einer Spannung auch gleich große Ströme. Die der betrachteten Ecke abgewandten Enden dieser drei Widerstände liegen deshalb untereinander ebenfalls auf demselben Potential. Verbindet man Punkte gleichen Potentials, Äquipotentialpunkte, miteinander leitend, fließt über diese Verbindungen kein Strom in Ermangelung einer Spannung zwischen diesen. Daraus folgt, dass diese zusätzlichen Verbindungen die Schaltung nicht verändern. Ferner ist ersichtlich, dass durch die Widerstände der gleiche Strom fließen muss, da an ihnen dieselbe Spannung abfällt. So lassen sich am Widerstandswürfel bei der Ermittlung des Gesamtwiderstands über den Ecken der Raumdiagonalen (in der Grafik die Ecken A' und C) zwei mal drei potentialgleiche Punkte (in der Grafik die Punkte A, B', D' und B, C', D) finden, die ohne eine elektrische Veränderung zu verursachen, jeweils miteinander verbunden werden können. Nach dem Herstellen dieser Verbindungen ergibt sich die übersichtliche Reihenschaltung einer Parallelschaltung von drei Widerständen mit einer Parallelschaltung von sechs Widerständen und einer Parallelschaltung von drei Widerständen.[1]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Netzwerk (Elektrotechnik)
- Norton-Theorem, Ersatzstromquelle
- Thévenin-Theorem, Ersatzspannungsquelle
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Horst Elschner, Albrecht Möschwitzer, Albrecht Reibiger: Rechnergestützte Analyse in der Elektronik (Reihe Informationselektronik). Verlag Technik, Berlin 1977.
- Arnold Führer, Klaus Heidemann, Wolfgang Nerreter: Grundgebiete der Elektrotechnik. Band 1: Stationäre Vorgänge. Carl Hanser Verlag, München u. a. 1983, ISBN 3-446-13677-0.
- L. W. Nagel, R. A. Rohrer: Computer Analysis of Nonlinear Circuits, Excluding Radiation. In: IEEE Journal of Solid State Circuits. Vol. 6, Nr. 4, 1971, ISSN 0018-9200, S. 166–182.
- L. W. Nagel: Spice 2 – A Computer Programm to Simulate Semiconductor Circuits. University of California, Berkeley CA, Erl-Memorandum, Nr. Erl-M520, 1975.
- Jiří Vlach, Kishore Singhal: Computer Methods for Circuit Analysis and Design. 2. Auflage. Van Nostrand Reinhold, New York NY 1993, ISBN 0-442-01194-6.
- Gert Hagmann: Grundlagen der Elektrotechnik. 15. Auflage. AULA-Verlag. Wiebelsheim, ISBN 978-3-89104-747-7
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Heinrich Hemme: Mathematik zum Frühstück. 89 mathematische Rätsel mit ausführlichen Lösungen. 2., neu bearbeitete Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-40734-3.